Heute ist Equal Pay Day. Eine hübsche (aber wichtige) PR-Maßnahme, die erst einmal simpler klingt, als die tatsächlichen Verhältnisse, um die es geht. Auch bei den 22 Prozent, die der Berechnung des Equal Pay Days zugrunde liegen. Eigentlich ist es ein westdeutscher "Feiertag". Und das auch nur für westdeutsche Frauen. Auch wenn die Rechnung so simpel klingt.

Frauen verdienten im Jahr 2014 rund 22 Prozent weniger als Männer, weiß auch der Business and Professional Women (BPW) Germany e. V. zu berichten. Genauso wie die Sächsische Linksfraktion: “Der 20. März ist der Tag, bis zu dem Frauen über das Jahresende 2014 hinaus arbeiten müssten, um bei gleicher Arbeit auf das gleiche Gehalt zu kommen wie ihre männlichen Kollegen. Der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern beträgt noch immer 22 %, mit anderen Worten: Frauen arbeiten fast ein Viertel des Jahres umsonst. Soviel zum Stand der realen Gleichstellung von Frauen und Männern.”

Oder die sächsischen Grünen: “Insgesamt liegt die geschlechtsspezifische Lohnlücke in Deutschland derzeit bei 22 Prozent. Frauen müssen dementsprechend 79 Tage mehr arbeiten, um das durchschnittliche Jahresgehalt ihrer männlichen Kollegen zu erhalten. In Sachsen beträgt die Lohnlücke durchschnittlich neun Prozent. Der Equal Pay Day markiert symbolisch den Tag im Jahr, bis zu dem Frauen im Vergleich zu Männern über das Vorjahr hinaus für umsonst arbeiten.”

Die 9 Prozent als Hinweis sind wichtig.

Aber auch nur ein kleiner Aspekt des Gesamtproblems, das darin besteht, dass Arbeit in unterschiedlichen Regionen und unterschiedlichen Branchen unterschiedlich bezahlt wird. Zur weiblichen Lohnkluft kommt noch das Lohngefälle West/Ost, das dazu führt, dass im Osten der Lohnunterschied scheinbar geringer ist. Oder wie es die sächsische Linkfraktion formuliert: “Dass Sachsen als Ost-Bundesland mit einem Lohnabstand von 9 % besser dasteht als der Bundesdurchschnitt, ist kein Ergebnis einer gendersensiblen Politik – im Gegenteil: In den vergangenen Jahren hat das Lohngefälle im Freistaat um drei Prozentpunkte zugenommen. Hinzu kommt, dass der Niedriglohnsektor in Sachsen so groß ist wie in keinem anderen Bundesland. Die im Niedriglohnbereich Beschäftigten sind zur großen Mehrheit weiblich.”

Wobei auch die Interpretation sehr eigenwillig ist. Denn gewachsen ist der Lohnunterschied vor allem dadurch, dass in den männerdominierten Branchen – vor allem im verarbeitenden Gewerbe – der Einkommenszuwachs drei Mal höher war als in den Dienstleistungsbranchen.

Kann man den Verdienstunterschied in Tage umrechnen?

Kann man. Das ergibt nur kein vernünftiges Ergebnis. Die 22 Prozent entsprechen zwar 79 Tagen, was bedeuten würde, das Frauen bis zum 20. März unentgeltlich arbeiten würden. Rein theoretisch. Wenn sie dasselbe Gehaltsniveau hätten.

Wie auch Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD) weiß, die mit einem neuen Gesetz dazu beitragen will, die Lohnungerechtigkeit über Transparenz- und Auskunftspflichten wirksam zu beseitigen: „Wir wollen ein Gesetz des Vertrauens auf Lohngerechtigkeit und kein Misstrauen. Frauen müssen darauf vertrauen können, dass sie fair bezahlt werden. Ich bin überzeugt: Transparenz und Lohngerechtigkeit nutzen gerade den Unternehmen:  Faire Löhne sind Teil eines nachhaltigen Personalmanagements und helfen, gerade weibliche Fachkräfte zu binden und Mitarbeiter zu motivieren. Transparenz schafft Vertrauen und Rechtssicherheit.”

Das BPW bezieht sich in seiner Berechnung auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes, das für 2014 errechnet hat, dass der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Frauen in Deutschland um 22 Prozent niedriger als der von Männern lag. Erstes Problem: Auch in dieser Statistik werden wieder nur die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gezählt. Ein Viertel aller Erwerbstätigen fallen hier durchs Raster.

“Damit hat sich der unbereinigte Gender Pay Gap, der auf der Basis von 1,9 Millionen sozialversicherten Beschäftigten errechnet wird, im Vergleich zu den Vorjahren kaum verändert”, so das BPW.

„Der Prozentsatz ist ein Kernindikator für die fortbestehende Ungleichbehandlungen von Frauen im Erwerbsleben, auch wenn er durch strukturelle Merkmale, zum Beispiel die verschiedenen Branchen, in denen Frauen und Männer tätig sind, zustande kommt“, erklärt Henrike von Platen, Präsidentin des BPW. „Denn auch diese können das Ergebnis benachteiligender Strukturen wie schlechtere Zugangschancen zu bestimmten Berufen oder Karrierestufen sein.“

Zu den weiteren Ursachen für die Verdienstunterschiede zählen im Wesentlichen die schlechtere Bezahlung in frauendominierten Dienstleistungsberufen, die Einkommenseinbußen durch familienbedingte Erwerbsunterbrechungen sowie Fehlanreize für das Erwerbsverhalten von Frauen wie das Ehegattensplitting oder die Lohnlücke selbst.

All diese Faktoren rechnen die Statistiker übrigens in den bereinigten Gender Pay Gap ein (oder zu deutsch: geschlechtsbedingte Verdienstlücke).

Der bereinigte Gender Pay Gap lag 2010 übrigens bei 7 Prozent. Das ist die Gehaltslücke, die sich auftut, wenn Frauen und Männer tatsächlich den gleichen Job machen und Frauen trotzdem weniger Lohn bekommen.

Zwei Faktoren tragen im Wesentlichen dazu bei, dass Frauen mit weniger Lohn abgespeist werden.

Der erste ist die Wahl der Branche. Frauen sind deutlich häufiger in Branchen beschäftigt, wo das Lohnniveau sowieso schon deutlich unter dem etwa im verarbeitenden Gewerbe liegt. Das betrifft vor Allem Dienstleistungsberufe, aber auch Tätigkeiten in der Bildung, im Einzelhandel, in der Gastronomie oder im Gesundheitswesen. Alles Tätigkeiten, ohne die unsere Gesellschaft nicht funktionieren würde, die aber dennoch schlechter honoriert werden.

Der zweite große Faktor aber ist die Unterbrechung der Lebensarbeitszeit durch Geburten und Kinderbetreuung. Selbst Frauen, die in gut bezahlten Tätigkeiten beschäftigt sind, erleben mit ihrem zeitweiligen Ausstieg aus dem Berufsleben nicht nur einen zeitweiligen Einkommensverlust, sondern bleiben auch nach ihrem Wiedereinstieg in den Job dauerhaft niedriger bezahlt. Sie geraten auch bei Beförderungen deutlich ins Hintertreffen – was dann übrigens der Hauptgrund dafür ist, dass sich ältere Männer in den Führungsetagen drängeln und sich stets zutiefst beleidigt geben, wenn man sie nach der Frauenquote fragt.

Es geht also nicht nur ums konkrete Gehalt, sondern um die Arroganz einer männerdominierten Gesellschaft, die nicht nur die so wichtigen Dienstleistungs- und Sozialberufe abwertet, sondern nicht einmal ansatzweise einen Ausgleich dafür schafft, das Frauen für Geburt und Kindererziehung zeitweise das Berufsleben verlassen müssen.

Höchste Zeit also, um über die tatsächlichen Gründe für die Lohndifferenzen zu sprechen.

Und natürlich die Frage: Hätten dann die sächsischen Frauen nicht schon am 17. Februar “feiern” sollen, wenn der ostdeutsche Gender Day Gap “nur” 9 Prozent beträgt?

Wohl eher nicht. Sie würden auch im März landen. Denn vorher wären ja die ostdeutschen Männer dran, die ihrerseits einen Lohnunterschied von 17 Prozent gegenüber den westlichen Bundesländern haben. Die Gender-Lücke im Osten kommt ja auf ein sowieso schon deutlich niedrigeres Gehaltsniveau noch obendrauf.

„Das aktuelle Schwerpunktthema Transparenz wird breit aufgegriffen und kontrovers diskutiert“, sagt Henrike von Platen. „Allein diese Debatte führt dazu, dass das gesellschaftliche Tabu, über das eigene Gehalt zu sprechen, ein Stück aufgebrochen wird. Unter dem Motto Spiel mit offenen Karten: Was verdienen Frauen und Männer? fordern wir außerdem klare Regeln für die Arbeitsbewertung im Unternehmen. Beides sind Voraussetzungen, damit in Zukunft auch Frauen beim Gehaltspoker gewinnen.“

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