Die Zeiten ändern sich. Die Sachsen kehren heim. Erst in der vergangenen Woche stellte das sächsische Landesamt für Statistik erstaunt fest, dass nicht nur die Zahl der Auspendler aus Sachsen 2013 sank, sondern die Zahl der Einpendler weiter stieg. Die Bundesagentur für Arbeit hat neuere Zahlen. Und die Botschaft: 2014 hat sich der Trend noch verstärkt.
Entsprechend verblüfft zeigt sich auch die Arbeitsagentur Sachsen: “Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Einpendler auf das bisher höchste Niveau seit 15 Jahren gestiegen. Insgesamt haben 93.000 Frauen und Männer aus anderen Bundesländern in Sachsen gearbeitet. Gleichzeitig haben 131.900 Sachsen verlassen, um einer Beschäftigung außerhalb des Freistaates nachzugehen. Damit liegt der Pendlersaldo in Sachsen immer noch im negativen Bereich – es verlassen mehr Menschen den Freistaat für die Arbeit, als jene die für eine Beschäftigung einpendeln.”
Noch, muss man an der Stelle sagen. Denn bis 2012 sind die Auspendlerzahlen permanent angestiegen. Viele Sachsen fanden im eigenen Bundesland einfach keine Arbeit und nutzten die Chance, in anderen Bundesländern Geld zu verdienen. Doch seit 2013 ist diese Zahl erstmals rückläufig, stieg zwar 2014 leicht wieder an – von 131.561 auf 131.585. Aber noch stärker stieg die Zahl der Einpendler an. Sachsen wird immer mehr zu einem attraktiven Arbeitgeber für die Nachbarbundesländer.
„Sachsen wird zunehmend attraktiver und gewinnt als Ort zum Arbeiten an Bedeutung“, sagte auch Dr. Klaus Schuberth, Chef der Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für Arbeit (BA), mit Sitz in Chemnitz.
Im Juni kamen 93.001 Frauen und Männer nach Sachsen, um hier einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen. Und die wichtigste Zahl dabei: Im Vergleich zum Jahr 2013 ist die Zahl der Einpendler um 4.011 Frauen und Männer auf 4,5 Prozent gestiegen. Dieser Anstieg ist auf die guten Arbeitsmarktchancen in Sachsen zurückzuführen und ein Grund für den Beschäftigungsanstieg im vergangenen Jahr, schätzt die Arbeitsagentur ein.
Die meisten Einpendler kommen aus Sachsen-Anhalt (32.806 oder 35,3 Prozent aller Einpendler), Thüringen (19.839 oder 21,3 Prozent aller Einpendler) und Brandenburg (16.783 oder 18 Prozent aller Einpendler). Auf Platz vier der Herkunftsländer für sächsische Einpendler kommt Bayern (5.253 oder 5,6 Prozent aller Einpendler). Nur wenige Einpendler kommen aus dem Saarland, Bremen und Hamburg. Hier liegt der Anteil an den Einpendlern bei jeweils 0,1 Prozent und 0,6 Prozent.
Wenn es um Arbeit geht, ist Pendeln aus Sicht des Arbeitsmarktes normal. Immer mehr Menschen fahren mit dem Pkw oder den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit.
„Schon immer bestehen über Ländergrenzen hinweg Austauschbeziehungen mit den benachbarten Regionen – unabhängig von politischen Grenzen. Ausschlaggebend für das Pendeln sind die Beschäftigungsmöglichkeiten und die Attraktivität der Jobs im Vergleich zwischen der Heimatregion und Zielregion. Eine gute Verkehrsinfrastruktur unterstützt das Pendelverhalten“, so Schuberth.
In der Einschätzung der Entwicklung hält sich die Arbeitsagentur Sachsen noch zurück: “In der Entwicklung der Ein- und Auspendlerzahlen zeigt sich, dass in Sachsen bereits immer ein negativer Pendlersaldo zu verzeichnen war. Das heißt, es haben mehr Menschen das Land zum Arbeiten verlassen, als in den Freistaat gependelt sind. Mit aktuell 93.001 Einpendlern und 131.858 Auspendlern liegt der Pendlersaldo bei minus 38.857.”
Aber das bedeutet auch: “Das ist der geringste Pendlersaldo seit dem Jahr 2000 und beweist, dass der sächsischen Wirtschaft immer noch reichlich Fachkräftepotenzial verloren geht. Denn über neunzig Prozent der Auspendler sind Fachkräfte mit einer betrieblichen oder akademischen Ausbildung.”
So die Arbeitsagentur. Diese Fachkräfte fehlen natürlich. Aber nicht ganz so grundlegend, wie es die Arbeitsagentur vermuten lässt. Denn viele arbeiten ja in direkter Nachbarschaft. Auch in Thüringen oder Sachsen-Anhalt gibt es ja Industrieansiedlungen, die Fachkräfte benötigen. Ein kleiner, aber nicht ganz unerheblicher Teil arbeitet natürlich in den großen Industrieansiedlungen Süddeutschlands: “Die meisten Auspendler arbeiteten in Bayern (27.284 oder 20,7 Prozent aller Auspendler), in Sachsen-Anhalt (21.976 oder 16,7 Prozent aller Auspendler) und Thüringen (16.168 oder 12,3 Prozent aller Auspendler). Aber auch nach Brandenburg (15.763 oder zwölf Prozent aller Auspendler), Nordrhein-Westfalen (11.573 oder 8,8 Prozent aller Auspendler) und Baden-Württemberg (10.878 oder 8,2 Prozent aller Auspendler) pendeln Frauen und Männer aus Sachsen. In die Länder Bremen, Saarland und Mecklenburg-Vorpommern hingegen pendeln vergleichsweise wenige Sachsen. Hier liegt der Anteil an allen Auspendlern bei 0,3 Prozent, 0,4 Prozent und 0,8 Prozent.”
Noch genauer wird das Bild, wenn es auf Städte- und Landkreisebene heruntergebrochen wird: “Die meisten Auspendler arbeiten in der Bundeshauptstadt Berlin, dem Saalekreis und der Stadt Halle.”
Und da sagt sich der Leipziger natürlich: Was für eine dumme Statistik. Wir leben in Mitteldeutschland, dass gerade in dieser Region die Pendlerverflechtungen dicht sind, weiß man seit 100 Jahren. Wenn hier Landesgrenzen überschritten werden, macht das für den Erwerbstätigen nicht die Bohne. Nur die provinzielle Politik sieht hier Grenzen, wo keine sind.
Das Fazit bleibt trotzdem: Seit 2004 ist die Zahl der Menschen, die zur Arbeit nach Sachsen kommen, kontinuierlich von 68.604 auf 93.001 gestiegen. Bis 2012 stiegen parallel auch die Auspendlerzahlen. Die sind etwas gesunken. Was eben im Klartext heißt: Die jungen Fachkräfte bekommen jetzt im eigenen Land genug Angebote. Der Wettbewerb um die gut ausgebildeten jungen Leute ist längst im Gang. Und er wird dazu führen, dass die Einpendlerzahlen weiter steigen, die Zuwanderungszahlen in die sächsischen Metropolen mit einiger Wahrscheinlichkeit auch. Höchste Zeit, diese Wirtschaftsregion wirklich endlich als eine einzige zu denken und ein ganzes Bundesland draus zu machen.
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