Dass derzeit wieder vermehrt Sachsen auf die Straße gehen, hat eine Menge Gründe. Auch viele, die da draußen gar nicht benannt werden, weil sie den Demonstrierenden oft gar nicht bewusst sind. Denn die Unruhe, die da rumort, hat ja mit dem latenten Gefühl der Gefährdung des eigenen Lebensstandards zu tun. Wenn man aber nicht ausmachen kann, woher die Gefährdung tatsächlich rührt, wird dann oft ein falsches Schwarzes Schaf zum Sündenbock gemacht. Am Ende geht es immer um Geld.

Dass derzeit wieder vermehrt Sachsen auf die Straße gehen, hat eine Menge Gründe. Auch viele, die da draußen gar nicht benannt werden, weil sie den Demonstrierenden oft gar nicht bewusst sind. Denn die Unruhe, die da rumort, hat ja mit dem latenten Gefühl der Gefährdung des eigenen Lebensstandards zu tun. Wenn man aber nicht ausmachen kann, woher die Gefährdung tatsächlich rührt, wird dann oft ein falsches Schwarzes Schaf zum Sündenbock gemacht. Am Ende geht es immer um Geld.

Damit beschäftigt sich im Quartalsbericht Nr. 4 für das Jahr 2014, der im Dezember erschien, ausgiebig Andrea Schultz, Statistikerin im Leipziger Amt für Statistik und Wahlen. Statistiker haben einen großen Vorteil: Sie können rechnen.

Das gehört zu ihrer Ausbildung. Und sie lernen auch auszurechnen, wie solche, für den Normalbürger oft schwer fassbaren, Dinge wie Inflation sich tatsächlich auswirken auf das tägliche Leben. Und auf die Haushaltskasse. Von großen Zahlen lassen sie sich nicht erschrecken.

In ihrem Artikel vergleicht Andrea Schultz die Entwicklung der Monatseinkommen in den drei Großstädten Dresden, Chemnitz und Leipzig mit der Entwicklung für ganz Sachsen. Nicht neu  ist natürlich, dass Leipzig in diesem Vergleich immer recht weit hinten liegt, meistens auch unterm sächsischen Durchschnitt. Was weniger damit zu tun hat, dass die Leipziger wirklich so arme Schweine sind, sondern weil hier schlicht der Anteil der Menschen mit niedrigen Einkommen höher ist. Dazu zählen auch die 35.000 Studierenden in der Stadt. Das spielt eine wesentliche Rolle. Daneben gibt es natürlich auch die rund 70.000 Leipziger, die von den Transfers des Jobcenters abhängig sind. Und dazu kommt natürlich auch, dass in Leipzig spürbar weniger Industrie angesiedelt ist als in Chemnitz oder Dresden.

Industriegehälter sind in Sachsen deutlich höher als etwa Gehälter in der Dienstleistungsbranche. Durchschnittlich betrachtet.

Und noch etwas spielt eine Rolle beim Vergleich der Monatseinkommen: In Leipzig ist der Durchschnitt der Single-Haushalte höher als im Landesdurchschnitt. Stichwort: Haushaltsgröße. Andrea Schultz benutzt auch das schöne Wort Singularisierung. Auch in Dresden und Chemnitz liegt die Haushaltsgröße unterm Landesdurchschnitt. Statistisch sorgt das dafür, dass scheinbar der Durchschnittshaushalt in Sachsen ein höheres Einkommen erzielt als die Haushalte in Dresden (ganz knapp), Chemnitz (schon deutlicher) oder Leipzig. Kommt ein durchschnittlicher sächsischer Haushalt auf 1.664 Euro im Monat an Einkommen, sind es (Stand 2013) in Leipzig nur 1.497.

Wenn man das persönliche Nettoeinkommen nimmt, sind die Unterschiede nicht ganz so groß. Dann kommt der Durchschnittsachse auf 1.082 Euro, der Leipziger auf 1.067. Die Chemnitzer und die Dresdner liegen mit 1.136 bzw. 1.132 Euro etwas drüber. Andrea Schultz hat die Entwicklung der Einkommen seit 2003 auch hübsch in Grafiken gepackt. Grafiken, in denen auch sichtbar wird, wie die Einführung von “Hartz IV” gerade in Dresden und Leipzig 2005 so richtig ins Kontor gehauen hat. Denn die Reform hat ja nicht nur Tausende, die vorher mit Arbeitslosenhilfe einigermaßen über die Runden kamen, aufs Niveau der Sozialhilfe gedrückt. Sie hat auch zur Entstehung eines gewaltigen Niedriglohnsektors geführt.

In Dresden stürzte das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen von 1.499 Euro im Jahr 2003 auf 1.337 im Jahr 2005 ab. In Leipzig ging der Absturz zwar langsamer vonstatten, hielt dafür aber länger an – von 1.365 Euro schmolz das Haushaltsnettoeinkommen der Leipziger bis 2007 auf 1.288 Euro ab. Das ganz sächsische Phänomen: Während 2007 die Weltfinanzkrise zum Ausbruch kam, begann in Sachsen ein wirtschaftlicher Stabilisierungsprozess, der vor allem in den drei Großstädten auch zu einem Beschäftigungsaufbau führte. Und damit auch zu ansteigenden Einkommen.

Oder – um es schon einmal dazwischenzuwerfen: zu endlich wieder ansteigenden Einkommen. In Dresden wurde 2010 wieder das durchschnittliche Einkommensniveau von  2003 erreicht, in Leipzig ebenfalls. Seitdem geht es in allen drei Großstädten aufwärts – auch bei den persönlichen Nettoeinkommen.

Aber Statistiker beherrschen auch die Kunst, rückwärts zu rechnen. Denn dass ein Nettoeinkommen nicht immer dasselbe wert ist wie im Vorjahr, das wissen die Sachsen ja. (Fast) Alles wird ständig teurer – ob Brötchen beim Bäcker, Gemüse, Sprit, Fahrscheine, Eintrittspreise, Strom. Jedes Jahr steigen die Preis um 1 bis 2 Prozent im Durchschnitt. In den vergangenen fünf Jahren eher nur um 1 Prozent, dafür waren 2 Prozent in den Jahren davor eher die Regel. Wenn man diese Inflation aber auf die Einkommen umrechnet, geht ein gut Teil der Einkommenszuwächse wieder verloren.

Und wenn man dann auch noch weiter zurück geht, dann wird in Sachsen etwas sichtbar, was vielen Betroffenen mit Sicherheit Ängste bereitet. Denn tatsächlich war um das Jahr 2000 nicht nur der Aufholprozess der ostdeutschen Bundesländer gegenüber den starken Bundesländern im Westen und Süden beendet, damals setzte auch ein rapider Einkommensverfall in vielen sächsischen Haushalten ein. Schon vor 2005 spürbar.

Aber nach realen Preisen berechnet, ging es für die sächsischen Haushaltsnettoeinkommen ab 2005 erst so richtig bergab.

Als Richtwert hat Andrea Schultz das Jahr 2010 genommen. Offiziell lag das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen da bei 1.537 Euro. Verglichen mit dem Jahr 2003 hatte der Durchschnittshaushalt in Sachsen aber satte 170 Euro an Kaufkraft eingebüßt.

In Leipzig war es nicht viel besser. 1.345 Euro Haushaltsnettoeinkommen bedeuteten – verglichen mit dem Jahr 2003 – einen echten Kaufkraftverlust von 250 Euro. Im Monat.

Natürlich spielt da nicht nur “Hartz IV” eine Rolle, sondern eben auch – wie oben erwähnt – die Entstehung eines riesigen Bereiches von Niedriglohnarbeitsplätzen, aber auch die Verwandlung vieler klassischer Vollzeitarbeitsplätze in Teilzeitarbeitsplätze. Der Beschäftigungsaufbau, der 2007 in Gang kam, geschah zum größten Teil im Bereich der niedrigentlohnten Dienstleistungsjobs. 2010 ist aber auch deshalb eine Wegmarke, weil seitdem auch die preisbereinigten Einkommen in den drei Großstädten wieder steigen. Ganz leicht. Ein Hoffnungsschimmer.

Denn auch wenn jetzt allerlei Experten über den Niedriglohn lamentieren. Fakt ist: Auch die Sachsen haben den deutschen Konjunkturaufschwung seit 2005 mit heftigem Einkommensverzicht bezahlt. Und sie sind noch lange nicht wieder da, wo 2005 mal die Talfahrt begann. Die 1.497 Euro, die Leipziger Haushalte 2013 im Durchschnitt zur Verfügung hatten  im Monat, entsprachen – auf die realen Preise umgerechnet – nur einer Kaufkraft von 1.410 Euro im Jahr 2010. Im Kaufkraftvergleich lagen sie etwa auf der Höhe des Jahres 2005. Und das sollte durchaus zu denken geben in einer Zeit, in der durchaus viele Menschen beunruhigt sind – auch durch den Widerspruch von verkündetem Aufschwung und tatsächlicher Schwäche im Portemonnaie.

Tatsache ist: Was die Kaufkraft betrifft, haben die sächsischen Einkommen noch nicht einmal wieder den Wert des letzten Jahres vor “Hartz 4” erreicht. Der sächsische Durchschnitt liegt um rund 70 Euro pro Monat drunter, der Leipziger um rund 80 Euro. Wie gesagt: Auf die reale Kaufkraft ihrer Einkommen berechnet.

Bei den langsamen Anstiegsquoten seit 2007 könnte es bis zum Ende des Jahrzehnts dauern, bis die Sachsen wenigstens wieder so gut verdienen wie 2003 oder 2004.

Das alles sind in der Summe gewaltige Kaufkraftverluste, die natürlich auch der eigenen Wirtschaft fehlen und mit dazu beigetragen haben, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung Sachsens weiter verlangsamt hat.

Und solche Einbußen im Einkommen haben natürlich auch gesellschaftliche Folgen. Mit einem sonst meist nicht beachteten Effekt hat sich im Quartalsbericht einmal Nils-Kristian Kamann beschäftigt: dem Sport.

Dazu bald mehr an dieser Stelle.

Der Quartalsbericht ist im Internet unter ( http://statistik.leipzig.de) unter „Veröffentlichungen“ einzusehen. Er ist für 7 Euro (bei Versand zuzüglich Versandkosten) beim Amt für Statistik und Wahlen erhältlich. Postbezug: Stadt Leipzig, Amt für Statistik und Wahlen, 04092 Leipzig, Direktbezug: Stadt Leipzig, Amt für Statistik und Wahlen, Burgplatz 1, Stadthaus, Zimmer 228.

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