Die "Bürgerumfrage 2013" widmete sich - stärker als andere Umfragen zuvor - den ganz konkreten Fragen an die Leipziger: Wie halten Sie's eigentlich selbst mit dem Klimaschutz? - Immerhin hat es sich ja herumgesprochen, dass auch das persönliche Verhalten über Energieverbrauch und Klimaschutz mit entscheiden. Die Klimabelastung der ganzen Stadt Leipzig ist das Ergebnis von 550.000 einzelnen Persönlichkeiten und ihren Entscheidungen.

Die Fragen dazu aber sind im ganzen Auswertungsheft verstreut – in den Kapiteln Umwelt, Verkehr, Wohnen und Gesundheit. Ob das die Leipziger Stadtverwaltung mal irgendwo zusammen bindet, muss man sehen. In Sachen Verkehr ist die Frage logisch. Durchschnittlich verursacht jeder Autofahrer im Jahr im Schnitt 5 bis 6 Tonnen CO2. Mittelfristig strebt Leipzig aber einen Gesamtwert für alle CO2-Quellen von 1,5 Tonnen pro Kopf an. Schon aus dieser Sicht müssten entweder viele Pkw-Besitzer umsteigen. Oder sie müssten zumindest ein Elektro-Fahrzeug wählen. Oder das Car-Sharing nutzen. Aber das scheint alles eher nicht zu punkten. Im Gefolge der Einführung der Umweltzone 2011 haben nur 8 Prozent der Leipziger ihr Verkehrsverhalten geändert.

Woran liegt es?

Das hat die Bürgerumfrage nicht erkundet. Obwohl es – darauf haben wir schon mehrfach hingewiesen, augenscheinlich eng mit der Notwendigkeit zusammenhängt, den so wichtigen Arbeitsplatz auch zu erreichen. Da erlebt das Auto eher mehr Zuspruch, während Angebote bei Bahn, Bus und besseren Radwegen eher Mangelware sind.

Aber ein Thema, das vielleicht mehr Menschen auf dem Weg zur Arbeit zum Umsteigen bewegen könnte, wurde in der Bürgerumfrage angesprochen. Nein – nicht das jetzt so heiß diskutierte “Bürgerticket”, sondern die viel näher liegende Lösung: das Jobticket. Doch angeboten wurde es bislang erst 13 Prozent der Befragten – ein Drittel von ihnen hat es auch angenommen. 16 Prozent überlegen noch. “Kein Interesse” haben 55 Prozent derer angemeldet, die überhaupt eins angeboten bekommen haben. Und auch wenn sich die üblichen Kombattanten jetzt auf das “Bürgerticket” eingeschossen haben, werden kluge Jobticket-Lösungen für alle, die in Leipzig arbeiten, wohl der nächste und logische Schritt sein.

Wer es sucht: Das “Jobticket” findet man nicht unter “Umwelt” oder “Verkehr”, sondern unter kommunale Dienstleistungen. Manchmal macht die “Bürgerumfrage” auch sichtbar, wie seltsam Leipzigs Verwaltung manchmal tickt. Merken: Dienstleistung.

Die “Nutzung von Leihsystemen” findet man dann wieder unter Verkehr. So richtig simpel und barrierefrei scheint das aber in Leipzig noch nicht zu laufen: 92 Prozent der Leipziger haben noch nie eine Autovermietung genutzt, 97 Prozent noch nie ein Car-Sharing probiert, 99 Prozent noch nie ein Leihfahrrad genutzt. Übrigens alles Zahlen, die seit 2012 gestiegen sind: Die zugezogenen jungen Leipziger können mit den komplizierten Leihsystemen augenscheinlich noch weniger anfangen als die schon Sesshaften. Sie haben auch seltener ein Fahrrad im Haushalt und sind die Nutzung des Pkw eher gewohnt. Die zugeparkten Straßen in Leipzig sind also ein sehr direkter Effekt des Bevölkerungswachstums.

Und zu bedenken ist dabei durchaus: Pkw-Besitzer schätzen die Notwendigkeit, Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität zu ergreifen, deutlich geringer ein als Nicht-Autobesitzer.: 41 zu 53 Prozent ist das Verhältnis in Sachen Zustimmung.Wie freilich der Besitz von Pkw mit dem heimischen Energieverbrauch zusammenhängt, haben die Statistiker leider nicht ausgerechnet.

Nur zur Erinnerung: Ein Drittel des Leipziger CO2-Aufkommens stammt aus dem Energieverbrauch der Haushalte. Und der ist keineswegs so ausgeglichen, wie es Statistiken der Stadtwerke meist suggerieren. Im Gegenteil – zwischen sparsamen und verschwenderischen Haushalten in Leipzig liegen Welten.

Ein mittlerer Haushalt in Leipzig verbraucht im Jahr rund 2.000 Kilowattstunden an Strom und 11.700 Kilowattstunden an Heizenergie.

Die Stadtwerke Leipzig geben für einen guten (also angemessenen) Stromverbrauch in einem 2-Personen-Haushalt 2.064 Kilowattstunden als Richtwert an. Es gibt durchaus extrem sparsame (vielleicht aber auch extrem arme) 2-Personen-Haushalte, die mit 160 Kilowattstunden im Jahr über die Runden kommen. Das sind freilich Haushalte, die auf fast alle der sonst üblichen Haushaltsgeräte vom Herd bis zur Tiefkühltruhe verzichten. Es gibt aber auch 2-Personen-Haushalte, die auf bis zu 2.700 oder 2.900 KWh kommen. Dabei werden höhere Verbräuche vor allem in nach 1991 erbauten Wohnungen und in solchen der Gründerzeit festgestellt. Was zumindest eine Vermutung nahe legt, die die Statistiker nicht mit Zahlen untermauern: Wer sich größere und moderne Wohnungen leisten kann, leistet sich auch mehr elektrische Geräte. Denn oft macht es die schiere Zahl der Geräte, was den Zähler zum Kreiseln bringt.

Darüber entscheidet auch die Größe von Kühlschrank, Fernseher oder Stereoanlage, die Beleuchtung der Wohnung und die Dauer der Nutzung.

Das trifft dann auch auf die Heizung zu: Augenscheinlich gibt es im Heizverhalten der Leipziger gravierende Unterschiede – manche 2-Personen-Haushalte kommen mit 3.300 Kilowattstunden übers Jahr, anderen verbrauchen 17.000. Da entscheidet dann oft schon das 1 Grad mehr oder weniger, das mancher in seinem Wohnzimmer eingestellt hat. Da aber die meisten Befragten nicht angeben konnten, wie hoch ihr Heizverbrauch tatsächlich war, blieb diese Auswertung zumindest lückenhaft. Was dann wieder die Frage nach der energetischen Sanierung anders beleuchtet: Wenn 80 Prozent der Leipziger Angst davor haben, dass eine energetische Sanierung des Hauses für sie zur zusätzlichen Mietbelastung wird, dann hat das auch mit solchen Unsicherheiten zu tun. Denn wenn man selbst nicht weiß, wie man den Heizenergieverbrauch steuern kann – wie soll man da erwarten, dass es mit der energetischen Sanierung billiger wird?

Augenscheinlich ist da noch eine Menge Information und Aufklärung notwendig. Sicher wird es da Zeitgenossen geben, denen das dann trotzdem alles Wurscht ist. Aber die Statistiker, die die “Bürgerumfrage” ausgewertet haben, wundern sich trotzdem. Denn es gibt 1-Personen-Haushalte, die problemlos mit 1.200 kWh Heizenergie übers Jahr kommen, andere aber brauchen 19.900. Wenn die nicht gerade Gewächshäuser und Plantagen betreiben, ist durchaus die Frage: Woran liegt das? Fliegt die Energie gar zum Fenster raus?

Mit Energie und Klimaschutz hat auch die eigene Ernährung zu tun. Aber dazu kommen wir dann morgen noch.

Der Bericht ist für 15 Euro (bei Versand zuzüglich Versandgebühr) erhältlich beim Amt für Statistik und Wahlen und steht kostenfrei zum Download auf www.leipzig.de/statistik unter der Rubrik “Veröffentlichungen” zur Verfügung.

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