Was passiert eigentlich, wenn immer öfter prekäre Einkommensmodelle den Arbeitsmarkt dominieren? Tut das der Wirtschaft gut, wie das Schlachtschiff der deutschen Neoliberalen, die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), immer wieder behauptet? Oder ist eher das Gegenteil der Fall: Immer mehr Erwerbstätige können sich das Lebensnotwendige nicht mehr leisten, verlieren ihre Kaufkraft und rutschen in die Schuldenfalle? - Die Zahl der Schuldner in Deutschland steigt.
Die Überschuldung von Verbrauchern in Deutschland ist zum Stichtag 1. Oktober 2014 wieder gestiegen, teilt nun in einer neuen Erhebung die Creditreform Wirtschaftsforschung mit. Im Vergleich zum Vorjahr sind bundesweit weitere 90.000 Personen von Überschuldung betroffen (plus 1,4 Prozent). Insgesamt leben in Deutschland 6,7 Millionen Bürger über 18 Jahre, die überschuldet sind und nachhaltige Zahlungsstörungen aufweisen. Die Schuldnerquote hat von 9,81 auf 9,90 Prozent zugelegt.
Die Fälle mit hoher Überschuldungsintensität – eine Vielzahl miteinander verknüpfter Negativmerkmale, meist mit juristischen Sachverhalten – haben für einen Zugang von 105.000 Fällen (plus 2,8 Prozent) insgesamt gesorgt. Die geringere Überschuldungsintensität – bei der es sich meist um nachhaltige Zahlungsstörungen handelt – hat um 16.000 Fälle abgenommen.
In 14 Bundesländern haben die Überschuldungsfälle zugelegt – nur zwei Bundesländer hielten die Zahl der überschuldeten Verbraucher konstant – das sind Bayern mit 7,00 Prozent und Baden-Württemberg mit 8,02 Prozent.
Thüringen (mit 9,07 Prozent) und Sachsen (9,31 Prozent) bleiben immerhin noch unter dem gesamtdeutschen Durchschnitt von 9,90 Prozent.
Während Bremerhaven (20,41 Prozent Überschuldung), Pirmasens (18,34 Prozent) und Offenbach am Main (18,04 Prozent) die Städte mit den höchsten Schuldnerquoten 2014 sind, führen Eichstätt (3,67 Prozent), Erlangen-Höchstadt (4,76 Prozent) und Schweinfurt (4,92 Prozent) das positive Ranking der niedrigsten Schuldnerquoten unter allen Kreisen und kreisfreien Städten an.
Und ein erstaunliches Zwischenergebnis: Frauen holen auf – auch bei der Überschuldung.
Aktuell sind 2,56 Millionen Frauen in Deutschland überschuldet. Das sind 48.000 Überschuldungsfälle mehr als im Vorjahr. Dennoch liefern Männer immer noch die weitaus höhere Zahl von Überschuldung ab: 4,12 Millionen sind betroffen, ein Plus von 41.000 Fällen. Die Überschuldungsquote beträgt bei den deutschen Frauen 7,35 Prozent (2013: 7,24 Prozent) und bei den Männern 12,61 Prozent (2013: 12,55 Prozent). Tendenziell nimmt die Überschuldung der Frauen aufgrund ihres veränderten gesellschaftlichen Status weiter zu. Während Männer sich mit einer Schuldenhöhe von durchschnittlich 36.500 Euro konfrontiert sehen, sind es bei Frauen 28.100 Euro. Insgesamt hat sich die durchschnittliche Schuldenhöhe der überschuldeten Bürger von 36.900 Euro (2006) auf 32.600 Euro (2014) verringert. Aktuell beträgt die Gesamtschuldenhöhe aller betroffenen Personen rund 217,8 Milliarden Euro.
Und das Problem tut sich – vielleicht gar nicht so überraschend – nun auch verstärkt bei den älteren Bundesbürgern auf.
Die Zahl junger Überschuldeter (bis 29 Jahre) ist 2014 um 45.000 Fälle auf rund 1,75 Millionen Schuldner zurückgegangen (minus 2,5 Prozent). Allerdings zeigt die Entwicklung von 2004 bis 2014 eine Zunahme von 68 Prozent. Auch wenn die Gruppe der über 70-jährigen Überschuldeten mit aktuell 134.000 Fällen relativ gering ausfällt, so hat sie doch einen Anstieg von 23.000 Betroffenen gegenüber dem Vorjahr zu registrieren (plus 20,7 Prozent).
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Und auch nicht überraschend: Überschuldung vererbt sich in die nächste Generation.
Das Verhalten und die Einstellung zu Finanzen und Konsum, aber auch die Chancen zur Weiterbildung und sozialer Stabilität werden in Familien gebildet und weitergegeben, stellt Creditreform fest. Legt man die Zahl von Empfängern sozialer Mindestsicherung zugrunde, die für 2012 7,25 Millionen betroffene Personen umfasste, so sind nach einer Umfrage unter den relevanten Ämtern rund 15 Prozent davon von Überschuldung betroffen. Das entspricht rund 1 Million Menschen, die sich in einer generationsübergreifenden Überschuldung befinden. Nach Aussage der befragten Sozialämter und Schuldnerberatungsstellen gehen diese zu 56 Prozent von einer Steigerung des Phänomens “Generationsübergreifende Überschuldung” in den letzten fünf Jahren aus.
Und der Ausblick ist nicht wirklich sonnig: Die eingetrübten Konjunkturerwartungen seit Beginn des Herbstes werden Auswirkungen auf die Überschuldungssituation haben, wenn der Arbeitsmarkt schwächeln sollte, meint Creditreform. Zusammen mit der rückläufigen Sparneigung könnte sich durch die Arbeitslosigkeit ein Treiber für weiter steigende Überschuldung bilden. Leipzig gehört mit einer Schuldnerquote von über 14 Prozent zu den am stärksten von Überschuldung betroffenen Regionen, was auch mit seiner Rolle als Großstadt und dem nach wie vor in vielen Branchen ausgesprochen niedrigen Gehaltsniveau zu tun hat.
Die genauen Zahlen zu Leipzig will Creditreform in der letzten Novemberwoche veröffentlichen.
Quelle: www.creditreform.de
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