Deutschland ist ein Land der Schaumschläger. Die werden auch fleißig ausgebildet. Public Relations heißt das Fachgebiet, kurz: PR. Früher ging es da mal um eine gute Kommunikation der Unternehmen mit der Öffentlichkeit. Heutzutage geht es eher um die Produktion schöner bunter Seifenblasen. Da ist dann jedes Thema und jeder Anlass recht. Etwa die "Interkulturelle Woche", die dieser Tage deutschlandweit stattfindet. Am 18. September hängte sich auch die Bundesarbeitsagentur dran und lobte sich selbst, dass es weh tat.
“Die BA, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie zahlreiche Partner auf Bundes-, Länder- und Lokalebene setzen sich seit geraumer Zeit dafür ein, die Chancen für Menschen mit Migrationshintergrund auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen”, lobte sich die Agentur dabei. Und brachte das Kunststück fertig, gleich im nächsten Satz zu erklären, warum man damit eigentlich überhaupt keinen Erfolg hat. Und dass die Anderen daran schuld sind – in diesem Fall die Unternehmen: “Vielfältige Fördermaßnahmen zur Qualifizierung und Weiterbildung sowie in spezifischen Projekten können letztlich nur dann erfolgreich sein, wenn die Unternehmen diese Menschen noch häufiger als bisher in Arbeit übernehmen.”
Den Satz aus dem PR-Gewäsch herausgelöst, heißt es schlicht: “Vielfältige Fördermaßnahmen zur Qualifizierung und Weiterbildung sowie in spezifischen Projekten” hatten keinen Erfolg. Punkt. Nichts weiter. Bundesweit sind Menschen mit Migrationshintergrund überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffen. Die Wirtschaft jammert zwar, dass ihr die Fachkräfte fehlen. Aber echte Integrationsinstrumente, die Arbeitsuchende (mit oder ohne Migrationshintergrund) direkt in unbesetzte Stellen “integrieren”, gibt es nicht.
Und falsche Zahlen hat die Bundesagentur auch noch geliefert, stellte nun mal wieder Paul M. Schröder vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) fest. Wer auch sonst: Er steckt den ganzen Zahlenbembel aus Nürnberg in seine Rechenmaschine, sortiert ihn, entschlüsselt die diversen verschämten Posten, in denen die Agentur die Arbeitslosigkeit maskiert. Aber in diesem Fall hätte wohl auch ein Taschenrechner genügt.
Der Satz mit den falschen Zahlen, den die Bundesagentur rundschickte, lautete: “Rund 20 Prozent der Bevölkerung in Deutschland haben Migrationshintergrund. Dazu machten bis
März 2014 mehr als 2,3 Millionen Arbeitslose Angaben, wonach über 35 Prozent (821.000) Migranten/-innen sind. Mehr als 40 Prozent davon werden von den Jobcentern betreut.”
In PR-Abteilungen fehlt meistens der Korrekturleser. Aber dafür gibt es ja das BIAJ.
“Nachdem die BA-Pressestelle vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) auf diese irreführende ‘Information’ aufmerksam gemacht wurde, wurde dieser Passus geändert (ohne Hinweis auf diese Änderung)”, teilt das BIAJ nun mit. Aber die 2. Version, die die PR-Abteilung der Bundesagentur für Arbeit lieferte, war auch nicht besser. “
Die 2. Version: “Rund 20 Prozent der Bevölkerung in Deutschland haben Migrationshintergrund. Dazu machten bis März 2014 mehr als 2,3 Millionen Arbeitslose Angaben, wonach über 35 Prozent (821.000) Migranten/-innen sind. Mehr als 40 Prozent (603.000) von rund 1,5 Millionen Befragten im SGB II werden von den Jobcentern betreut.”
Das sind solche Rechenbeispiele, an denen auch Schüler in deutschen Schulen verzweifeln, weil Äpfel und Birnen erwähnt werden, aber Pfirsiche als Ergebnis rauskommen sollen.
Paul M. Schröder ganz trocken dazu: “Auch die Korrektur in der 2. Version vermeidet die Klarstellung, dass von den Arbeitslosen mit bekanntem Migrationshintergrund (821.000) deutlich über 70 Prozent (603.000) bei den Jobcentern (und nicht bei den Arbeitsagenturen) registriert sind (‘betreut werden’). Wenn in diesem Zusammenhang die Rolle der Jobcenter, des nachrangigen Sicherungssystems bei Arbeitslosigkeit, hervorgehoben wird, dann sollte dies korrekt erfolgen.”
Aber 40 Prozent klang halt viel schöner als 70 Prozent.Wir hätten das an dieser Stelle auch gern auf Leipzig heruntergebrochen. Aber das ist mit der Statistik, die die Arbeitsagentur jeden Monat ausreicht, praktisch unmöglich, denn weder bei Arbeitslosen nach SGB III (die von der Arbeitsagentur betreut werden), noch bei denen nach SGB II (die in den Jobcentern betreut werden), wird nach Menschen mit oder ohne Migrationshintergrund unterschieden.
Das passiert nur innerhalb der Gruppe “Leistungsempfänger nach SGB II”, was aber Käse ist, denn die hier betreuten Menschen sind nur zum Teil nach der Statistik der Arbeitsagentur auch “arbeitslos” (von rund 56.000 Leipzigern rund 25.000). Dann bekommt man zwar heraus, dass rund 6.500 der hier Betreuten Ausländer sind, aber nicht einmal, wieviele davon “arbeitslos” sind. Dass die meisten betroffenen Menschen mit Migrationshintergrund beim Jobcenter vorsprechen müssen, kann man nur ahnen, wenn man sieht, dass von den rund 5.600 Beziehern von Arbeitslosengeld II nur rund 300 einen Migrationshintergrund haben.
Geht man davon aus, dass der Anteil der wirklich als “arbeitslos” registrierten Migranten ähnlich hoch ist an der Zahl der “erwerbsfähigen Leistungsberechtigten” wie bei der Gesamtgruppe der Leistungsbezieher – nämlich 42 Prozent -, dann sind in Leipzig derzeit rund 2.700 arbeitslose Migranten beim Jobcenter Leipzig registriert.
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Man kann dann über den Daumen peilen, und kommt auf ein Verhältnis von 1:9 – 90 Prozent der Leipziger Arbeitslosen mit Migrationshintergrund sind beim Jobcenter registriert. Womit der Wert deutlich höher wäre als im Bundesdurchschnitt. Eine Überraschung aber wäre es nicht.
Über den Rest des Herumgeeiers der PR-Stelle der Bundesarbeitsagentur verliert Paul M. Schröder auch noch ein paar Worte: “Statt darüber zu informieren, dass von den Arbeitslosen mit bekanntem Migrationshintergrund (821.000) deutlich über 70 Prozent (603.000) bei den Jobcentern (und nicht bei den Arbeitsagenturen) registriert sind (‘betreut werden’) (Berichtmonat März 2014 mit den nicht hochgerechneten Ergebnissen der Befragung der Arbeitsagenturen und Jobcenter zum Migrationshintergrund), hält die BA-Pressestelle an der Formulierung ‘mehr als 40 Prozent’ der ersten Fassung fest. Um diese irreführende nicht korrigieren zu müssen? Was sagt eigentlich die Statistik der BA zu diesen Formulierungskünsten bzw. -tricks der BA-Pressestelle? – Diese Fragen des BIAJ blieben bis zum Abend des 18. September 2014 unbeantwortet.”
Vielleicht bekommt er ja doch noch eine Antwort von der Bundesagentur. Aber irgendwann hat er die PR-Leute dort wahrscheinlich so verärgert, dass ihm niemand mehr antwortet.
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