Lange haben sie gebraucht, die Rechner im Landesamt für Statistik, um die Bevölkerungszahlen für Sachsen für 2013 endlich komplett zu bekommen. Am Mittwoch, 27. August, haben sie es endlich geschafft. Und torpedieren damit natürlich all die Prognosen, mit denen die CDU/FDP-Regierung die ganzen fünf Jahre lang seit 2009 gekürzt, gestrichen, gewütet hat. Anders kann man das nicht mehr nennen.
Denn Sachsen ist – zumindest der aktuelle Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) hat es begriffen – längst wieder Zuwanderungsland. Er ist freilich der felsenfesten Annahme, die Zuzügler kämen der tollen Arbeitsplätze wegen nach Sachsen. Was nicht stimmt. Sachsen hat keine Beschäftigungszuwanderung, sondern eine Ausbildungszuwanderung. Es ist die (noch) exzellente Hochschullandschaft, die Sachsen jedes Jahr einen Wanderungsüberschuss verschafft. Stichwort: Rekordbewerberzahlen.
Dumm nur, dass die verantwortliche Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer (parteilos) noch im Prognosejahr 2005 festhängt und bis heute felsenfest glaubt, die Studierendenzahlen würden in den Keller stürzen.
Dass es die jungen Leute sind, die zum Studieren und Lernen nach Sachsen kommen, die Sachsens Bevölkerungsentwicklung puschen, das zeigt jeder Herbst: Dann schnellt – wie das zuvor nur immer in Dresden und Leipzig der Fall war – die sächsische Bevölkerungszahl nach oben. Im Sommer sackt sie dafür ab. Nur sackt sie nicht mehr – wie in den 1990er Jahren – im 100.000er-Bereich ab, auch nicht mehr im 10.000er-Bereich wie in den Nuller-Jahren.
2013 ist der Bevölkerungsverlust des Freistaats auf 3.819 abgesackt. Von 4.050.204 Einwohnern schmolz der Freistaat auf 4.046.385. Das Minus resultiert fast ausschließlich aus der Differenz von Geburten und Sterbefällen – noch sterben mehr Menschen in Sachsen als im selben Zeitraum geboren werden. Wobei auch das festzustellen ist: Die Geburtenrate ist seit dem absoluten Tief in den 1990er Jahren auch wieder gestiegen. Nicht weit genug, um das Minus auszugleichen. Aber immerhin.
Auch die 2013er Statistik zeigt in Gänze, dass die drei kreisfreien Städte die Schrittmacher der Entwicklung sind. Leipzig hat – nachdem der Stadt durch den “Zensus 2011” rund 20.000 Einwohner aberkannt worden waren, wieder an die Zuwachsraten der beiden Vorjahre angeschlossen. Hier wuchs die Bevölkerung von 520.838 auf 531.562. Das ist ein Plus von 10.724 – vor allem jungen – Leuten. Heißt natürlich: Die Geburtenzahl in Leipzig wird noch weiter steigen. Es werden noch mehr Kitas und Schulen gebraucht.
Dresden wächst nicht ganz so heftig, legte von 525.105 auf 530.754 zu, was ein Plus von 5.649 bedeutet. Und auch Chemnitz legt so langsam wieder zu – von 241.210 auf 242.022 – ein Plus von 812. Alle drei Großstädte haben also zugelegt. Was nicht nur mit der Zuwanderung zum Studium zu tun hat, auch wenn das eine wichtige Größe ist. Denn die 2011 vom Landesamt für Statistik vorgelegte Prognose bis 2025 ging von einem Bevölkerungsminus gegenüber den westlichen Bundesländern in der Größenordnung von 160.000 im Jahr aus. Dieser Wert hat sich schon lange erledigt. Und dieser Wert ist der Grund, warum die Prognose des Statistischen Landesamtes so heftig von der Realität abweicht.
Denn dieser Faktor ignoriert die Tatsache, dass seit 2010 die sächsischen Ausbildungsjahrgänge halbiert sind. Vorher wanderten Hunderttausende junge Sachsen in den Westen ab, weil ihr eigenes Heimatland nicht genug Ausbildungsplätze und Berufschancen bot. Das hat sich geändert: Mittlerweile können Sachsens Unternehmen ihren Nachwuchsbedarf aus den sächsischen Schulabgängern nicht mehr decken. Und da die meisten jungen Leute trotz aller Lobgesänge auf Flexibilität und Mobilität am liebsten eine Ausbildung und eine Zukunft in der eigenen Heimat suchen, bleiben sie da, auch wenn die Löhne um 20 bis 30 Prozent niedriger sind als im Westen.Sachsens Regierende singen zwar gern Heimatlieder, aber die haben bis heute nicht begriffen, welche Magnetwirkung die Region tatsächlich hat, in der junge Menschen aufwachsen. Sie würden nicht sinnlos mit Eierschecke an der Autobahn stehen, sondern die veralteten Prognosen in den Müll werfen und wieder eine realitätsnahe Politik machen. Denn hier werden Geld und Taten gebraucht – für Polizisten, Lehrer, Hochschuldozenten, Richter, Ärzte.
Doch unübersehbar auch in der 2013er Statistik: Gerade jene ländlichen Räume, in denen der Freistaat seine Dienstleistungen schon am heftigsten gekürzt und ausgedünnt hat, entleeren sich auch am schnellsten. Wenn Schulen, Ärzte, Kitas, Polizisten, ÖPNV fehlen, packen die jungen Leute ihre Siebensachen und ziehen in die drei Großstädte.
Dabei ist der Zustrom aus den Landkreisen Leipzig und Nordsachsen in die Metropole Leipzig noch recht gering mit 0,6 Prozent Bevölkerungsverlust – immerhin sind die Wege in die Großstadt kurz und mit dem mitteldeutschen S-Bahnnetz noch kürzer. Eher randlagige Landkreise wie der Erzgebirgskreis oder das Vogtland verlieren im Bereich von 1 Prozent an Bevölkerung.
Zwischen 3,647 und 3,777 Millionen Einwohner prophezeit die Bevölkerungsprognose von 2011 für das Jahr 2025 in Sachsen. Die Zahl ist eigentlich längst Makulatur – wird aber in letzter Zeit immer wieder genüsslich hervorgeholt, wenn ein blindgläubiger Minister damit seine Personalstreichungen begründet. Wie gesagt: Der Fehler liegt in der mittlerweile überholten Annahme, die jungen Auszubildenden würden noch immer zu Hunderttausenden den Freistaat verlassen. Was sie nicht tun.
Es gibt also ein paar Gründe dafür zu bezweifeln, dass der jährliche Bevölkerungsverlust bis 2025 bei den angenommenen 27.000 liegen wird. Es werden mit einer realistischeren Sicht eher 4.000 pro Jahr sein, vielleicht sogar noch weniger. Aber selbst dann betrüge die sächsische Bevölkerungszahl im Jahr 2025 noch immer 4 Millionen.
Die Einwohnerzahlen für den 31. Dezember 2013 nach Gemeinden: www.statistik.sachsen.de/download/010_GB-Bev/Bev_Z_Gemeinde_akt.pdf
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