Manchmal hat man in Sachsen das Gefühl, die amtierende Regierung bestaunt die Entwicklung des Landes wie etwas, was ganz wundersam ohne ihr Zutun einfach so passiert. Da steigen Geburtenraten, wachsen Großstädte, fliehen junge Leute in Scharen aus den ländlichen Regionen. Eine Entwicklung, die Gründe hat. Aber auch wenn die Staatsregierung einen "Demografiemonitor" betreibt, scheinen diese Ursachen in der Politik keine Rolle zu spielen.

Nicht in der Schulpolitik, nicht in der Jugendpolitik, nicht in der Gesundheitspolitik. Man hat zwar nun seit ein paar Jahren die Alarmmeldungen über den fortschreitenden Verlust von Landärzten auf dem Tisch – kommt aber über eine Placebo-Politik wie auf den anderen Politikfeldern nicht hinaus.

Dabei hätte längst umgesteuert werden können, wenn es in Sachsen tatsächlich eine Art Demografie-Politik gäbe. Gibt es aber nicht, muss nun der sozialpolitische Sprecher der Linksfraktion, Dr. Dietmar Pellmann, in Sachen Ärzte in Sachsen wieder feststellen. Zwei Kleine Anfragen bestätigen ihn in dieser Ansicht.

Die jüngste war eine zum “Altersruhestand für niedergelassene Haus- und Fachärzte in Sachsen bis zum Jahr 2020” (Landtagsdrucksache 5/14825).

“Gegenwärtig sind 25 Prozent der sächsischen Hausärzte älter als 60, 12 Prozent sogar älter als 65 Jahre. Bei Fachärzten ist die Lage zwar insgesamt etwas günstiger, was allerdings nicht für Kinder- und Nervenärzte gilt”, blättert er die Zahlen auf. “Angesichts dieser Situation müssten bei Gesundheitsministerin Christine Clauß eigentlich die Alarmglocken schrillen, denn es ist absehbar, dass der Ärztemangel im Freistaat in den nächsten Jahren zunehmen wird. Schon im vergangenen Jahr schlossen in Sachsen 52 Praxen von niedergelassenen Haus- und Fachärzten ohne Nachfolger; bis Ende April dieses Jahres kamen bereits weitere 14 Praxen hinzu.”Und bei den Kleinen Anfragen der Landtagsabgeordneten ist es ja so: Spätestens, wenn sie die Antwort der Staatsregierung bekommen, hat auch die Regierung selbst die Zahlen und könnte eigentlich handeln. Aber irgendwie ist Sachsens Regierung über die marketingwirksame Demografie-Karawane Georg Milbradts nie hinausgekommen. Auch für die Ärzteversorgung in Sachsen wäre es längst an der Zeit, ein Struktur- und Lenkungskonzept zu erarbeiten und die medizinische Grundversorgung auch außerhalb der Ballungszentren dauerhaft zu sichern.

“Aus der nunmehr zugegangenen Antwort kann man nur den Schluss ziehen: Die Staatsregierung ist sich des Ernstes der Situation immer noch nicht voll bewusst”, sagt Pellmann. “Sie sieht sich nicht einmal in der Lage, eine einigermaßen brauchbare Prognose darüber abzugeben, welche sächsischen Regionen im Jahr 2020 unterversorgt sein könnten. Und die Bemerkung, dass ‘in Sachsen schon frühzeitig begonnen [wurde], dem drohenden Ärztemangel zu begegnen’, spricht für erhebliche Wahrnehmungsverluste in Bezug auf die Resultate eigener Regierungspolitik. Als wir bereits vor 15 Jahren auf die drohende Entwicklung hinwiesen, wurden wir als Schwarzmaler abgestempelt und unsere Vorschläge in den Wind der Machtarroganz geschlagen.”

Ein Landarztstipendienprogramm soll es richten. Aber das wurde auch erst 2013 aufgelegt und ist keineswegs in ein Strukturkonzept eingebettet. Genausowenig wie der 2012 verabschiedete “Maßnahmenkatalog zur Sicherung der Ärzteversorgung”. Damals war mal wieder von der Vorreiterrolle Sachsens zu lesen. Aber Konzepte, die in der Praxis keine Früchte tragen, sind weder eine Innovation noch ein Erfolg.

“So ist letztlich viel Zeit ungenutzt verstrichen”, konstatiert Pellmann. “Hinzu kommt, dass das bisherige Lösungsangebot eher dürftig ist. Wir werden nicht umhin kommen, ein ganzes Ensemble von Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehören unter anderem die Entlastung der Ärzte von Tätigkeiten, die auch ausgebildete Pflegekräfte verrichten könnten, außerdem die weitere Öffnung der Krankenhäuser für ambulante medizinische Versorgung und vor allem die Aufstockung der Studienplätze an den medizinischen Fakultäten in Dresden und Leipzig. Viel konsequenter sollte bei Absolventen des Medizinstudiums, die in artfremden Branchen arbeiten, verfahren werden. Wer ausgebildete Ärzte als Arbeitgeber artfremd einsetzt, sollte mit einer Ausbildungsabgabe belegt werden.”

Altersruhestand für niedergelassene Haus- und Fachärzte in Sachsen bis zum Jahr 2020: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=14825&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=202

Schließung von Hausarztpraxen in Sachsen: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=14369&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=202

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