Das Jobcenter Leipzig hat ein Problem. Und mit jedem neuen Bericht zu den "Zielvereinbarungen", den das Jobcenter dem Leipziger Stadtrat vorlegt, wächst es sich weiter aus, ohne dass die Verantwortlichen die Bremse ziehen. Mann kann die Kosten für die Hilfsbedürftigen in Leipzig nicht Jahr um Jahr drücken, wenn man die tatsächlichen Arbeitsmarktchancen der Betroffenen nicht verbessert. So tun als ob bringt gar nichts.
In der Ratsversammlung am 18. Juni soll das Papier “Zielabrechnung 2013 und Zielvereinbarung 2014, Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm 2014” zur Kenntnisnahme kommen. In der Dienstberatung des OBM am 6. Mai wurde es vorgestellt. Aber wenn sich an den Vorgaben von Bund und Stadt zur Zielerreichung nicht gründlich etwas ändert, werden die nächsten Berichte genauso aussehen.
Das Problem Leipzigs ist nicht die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Das passiert in einem erstaunlichen Tempo praktisch parallel zum starken Bevölkerungszuwachs der Stadt. Der Zuwachs an Beschäftigung ist so stark, dass die allgemeine Arbeitslosenquote der Stadt seit ein paar Jahren in kleinen Schritten, aber kontinuierlich sinkt.
Das Problem besteht an anderer Stelle. Und in der Vorlage des Jobcenters Leipzig wird es auch klar benannt: “Verfestigung des Kundenbestandes aufbrechen”. Klingt martialisch und wird so nicht gelingen, auch wenn die Vorlage ein ganzes Dutzend kleiner Programme auflistet, mit denen das bewerkstelligt werden soll. Doch gerade die detaillierte Auflistung macht deutlich, dass es an sinnvollen Integrationsinstrumenten mittlerweile mangelt. Die aktuellen AGHs und die “Bürgerarbeit” sind alles andere als Integrationsinstrumente in den ersten Arbeitsmarkt. Der zweite, öffentlich geförderte Beschäftigungssektor aber wurde in den letzten Jahren fast komplett eliminiert. Die Vereine in der Stadt, die mit solchen geförderten Stellen ihre Arbeit gesichert hatten, können ein Lied davon singen.
Die Zahlen für 2013 zeigen nun sehr deutlich, dass man den “verfestigten Kundenbestand” nicht mehr abgebaut bekommt, wenn es keinen zweiten Arbeitsmarkt mehr gibt. Da hilft auch die Erhöhung der Schlagzahl der Beratungsgespräche nichts. Und die so genannte “Integrationsquote” auch nicht. Wirklich in eine Vollerwerbsstelle vermittelbar sind auch im Jobcenter Leipzig nur die Wenigsten.
Dass das Problem nicht erst mit der Anmeldung eines jungen Menschen beim Jobcenter beginnt, das weiß man im Jobcenter Leipzig mittlerweile. “In vielen Familien sind Kinder von Grundsicherungsleistungen abhängig”, kann man da lesen. “Nicht selten erleben sie, dass beide Elternteile arbeitslos sind. Eine Voraussetzung, sein Leben unabhängig von Grundsicherungsleistungen selbst zu gestalten, ist eine gute Schulbildung. Dafür brauchen Kinder Vorbilder, die ihnen vermitteln, dass Lernen und Arbeiten zum Leben gehören. Wir unterstützen ihre Eltern bei der Erlangung beruflicher Perspektiven. Bei multiplen Problemlagen innerhalb der Familie, die einer Arbeitsaufnahme entgegen stehen, bieten wir Unterstützung im Rahmen des beschäftigungsorientierten Fallmanagement an.”
Aber wie gesagt: An dieser Stelle ist es fast immer schon zu spät, denn die Voraussetzungen, dass junge Menschen zu einer qualifizierten Berufsausbildung kommen, werden vorher geschaffen, in der Schule. Wenn 15 Prozent der Leipziger Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen, tauchen sie genau hier wieder auf. “Zukunftsperspektiven für Jugendliche schaffen” heißt das dann. Rund 10 Millionen Euro von den für Eingliederungsmaßnahmen 2014 zur Verfügung stehenden 43,2 Millionen Euro werden vom Jobcenter allein für die Förderung der beruflichen Weiterbildung ausgegeben. Denn wenn die jungen Menschen den Sprung in eine vollwertige Arbeit nicht schaffen, verstärken sie den Stamm derer, die vom Jobcenter abhängig bleiben.
Dabei will die Stadt hier doch sparen und die Zahlen drücken. Doch die nüchterne Erkenntnis des Jahres 2013 ist: Auf diese Weise funktioniert es nicht mehr. Man hat zwar die Zahl der “Langzeitleistungsbezieher” um rund 1.000 auf 38.140 gedrückt, will die Zahl auch 2014 weiter drücken auf 37.567. Aber der Traum von einer “Integrationsquote” von 50 Prozent bei jungen Leuten (U 25) ist nur ein Traum. Mit Drücken und Würgen hat man 38,2 Prozent geschafft. Man bekommt einen Teil der jungen Leute einfach weder in eine Vollzeitbeschäftigung noch in eine Berufsausbildung.
Zuweilen mutet die Arbeit des Jobcenters an wie das Drücken einer verschlossenen Tube mit Zahnpasta. Mal vor, mal zurück. Aber am Jahresende ist alles beim alten. Die Zahl der betreuten Bedarfsgemeinschaften ist sogar leicht gestiegen – von 42.000 auf 42.029. Dafür ist das Controlling gut. Man hat bei den geplanten “Summen der Leistungen zum Lebensunterhalt” nicht ganz so sehr zugelegt wie noch im Vorjahr geplant – von 176,348 auf 177,532 Millionen Euro, hat damit das “Ziel” erreicht. Aber bei den Leistungen für Unterkunft und Heizung (LUH) wurde die Zielvorgabe um 0,2 % überschritten, das waren Mehrausgaben in Höhe von 305.000 Euro.
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Was weniger mit steigenden Mieten zu tun hat als der Tatsache, dass auf die jetzt praktizierte Weise hier nichts mehr zu holen ist: “Die Zielverfehlung hatte sich bereits in den letzten vier Monaten des Jahres abgezeichnet. Gründe sind die Verringerung des Rückganges an Bedarfsgemeinschaften im Vergleich zu den Vorjahren sowie die gestiegenen Kosten für Unterkunft und Heizung je Bedarfsgemeinschaft.”
Das ganze Zahlenwerk erzählt von einem sich weiter verfestigenden Zustand, bei dem man zwar das “Controlling” immer mehr “verbessern” kann, aber die Zahl der Betreuten nicht wirklich reduzieren kann.
Ein kleines Randthema war immer auch die Frage: In was für Vollzeitarbeitsstellen werden die Jobcenter-Kunden eigentlich vermittelt? Sind das nicht eigentlich nur Saisonjobs, die nach drei Monaten wieder enden?
Das wird mittlerweile recht umfassend mit einem Monitoring beobachtet. Danach sind rund 60 Prozent der in eine sv-pflichtige Beschäftigung Vermittelten tatsächlich nach 12 Monaten noch im Job beschäftigt. Nur rund ein Viertel steht nach drei Monaten wieder beim Jobcenter auf der Matte.
Die beiden Papiere zum Jobcenter-Bericht:
Die Zielabrechnung 2013 und Zielvereinbarung 2014 als PDF zum Download.
Das Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm als PDF zum Download.
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