Der Freistaat Sachsen ist nicht nur bei der Energiepolitik auf alten Wegen. Auch die sächsische Landwirtschaft arbeitet zum überwiegenden Teil noch nach den Modellen des 20. Jahrhunderts, beackert riesige Felder, betreibt große Mastanlagen. Immer wieder sorgt die Genehmigungspolitik für neue Mastanlagen für regionalen Ärger. Sie ist auch ein großer Risikofaktor, wie eine Anfrage des Landtagsabgeordneten Michael Weichert ergab.
Laut Antwort der Staatsregierung auf eine Anfrage des Landtagsabgeordneten Michael Weichert (Bündnis 90/Die Grünen) zur Untersuchung von multiresistenten MRSA-Keimen (Methicillin-resistenten aphylococcus aureus-Keimen) in sächsischen Tierhaltungsanlagen wurden in den Jahren 2012 und 2013 gerade einmal 32 der 3.301 Schweinehalter im Freistaat durch die Tierseuchenkasse untersucht.
Nur sieben Betriebe waren frei von MRSA-Keimen.
“In Anbetracht der von multiresistenten Erregern ausgehenden Gefahren handelt die Staatsregierung grob fahrlässig”, sagt Weichert, der landwirtschaftspolitische Sprecher seiner Fraktion, dazu. “Die Verbreitung der MRSA-Keime muss deutlich stärker kontrolliert werden. Immerhin können sie beim Menschen zu schwerwiegenden Wund- und Atemwegsinfektionen bis hin zur Blutvergiftung führen. Zudem muss die Verbreitung dieser Keime langfristig erfasst werden – und zwar so, dass sich die Daten mit anderen Studien auch vergleichen lassen. Hier gibt es derzeit große Defizite.”
Er hatte die sächsische Staatsregierung auch zu den wichtigsten Risikofaktoren befragt. Geantwortet hat ihm Verbraucherministerin Christine Clauß. Sie verwies ihn auf eine Meta-Analyse des Bundesinstituts für Risikoforschung aus dem November 2013. Die hatte ergeben, dass sich das Risiko für die Ausbreitung der multiresistenten Keime erhöht, je größer der schweinehaltende Betrieb ist (steigendes Risiko ab 5.000 Mastplätze), durch die Form reiner Mastanlagen, die ausschließliche Stallhaltung perforierte Böden. Und natürlich der wesentliche Faktor: Antibiotika-Behandlung während der Mast.
Grund für die hohe Verbreitung der MRSA-Keime in sächsischen Schweinehaltungsanlagen ist laut Weichert der arglose Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung: “Antibiotika sind notwendig, weil die Haltungsbedingungen in der industriellen Tierhaltung alles andere als artgerecht sind. Überzüchtete, auf engem Raum zusammengepferchte Tiere sind besonders anfällig für Krankheiten. Darum bekommen sie – z.T. prophylaktisch – immer wieder Antibiotika verabreicht. Die Keime passen sich an und bilden Resistenzen, gegen die unsere Medikamente zunehmend machtlos sind.”
So wird das Problem aus der Schweinemast mitten ins Gesundheitswesen der Menschen hineingeschleppt.Von multiresistenten Erregern betroffen sind vor allem die Landwirte selbst, die Mitarbeiter in Schlachthöfen sowie Tierärzte. Aber auch Menschen, die mit Tieren keinen direkten Kontakt hatten, sind zunehmend Träger multiresistenter Keime aus der Tierhaltung. Es liegt die Vermutung nahe, dass sie sich über kontaminierte Lebensmittel infiziert haben.
“Nur wenn sich an den Haltungsbedingungen etwas ändert, bekommen wir das Problem in den Griff. Mit dieser Staatsregierung wird dies jedoch nicht gelingen. Landwirtschaftsminister Frank Kupfer (CDU) hat bisher den Bau neuer Tierfabriken in Sachsen begrüßt und großzügig gefördert. Er ist Teil des Problems, nicht der Lösung!”
Aber in Sachsen läuft das alles irgendwie unter Wirtschaftsförderung. Und während die Mastfabriken üppig subventioniert werden, um bei der Billigpreisschraube beim Discounter-Fleisch mithalten zu können, fährt der Öko-Landbau ein Nischendasein. Kaum ein Landwirt traut sich noch, seine Produktion auf Ökolandwirtschaft umzustellen.
Das Ergebnis war in den vergangenen Jahren ein massiver Ausbau der Schweinezuchtanlagen in Sachsen – der Bestand an Schweinen erhöhte sich von 604.287 im Jahr 2000 auf den 2009 erreichten Spitzenwert von 653.717. 2012 lag er wieder bei 635.822 Schweinen.
Die meisten Tiere stehen dabei in einigen wenigen Großbetrieben. Von den 3.301 Schweinehaltern in Sachsen galten 2.578 als Kleinstproduzenten mit maximal fünf Schweinen im Stall. Bleiben trotzdem noch 723 Betriebe, die als größer und groß zu klassifizieren sind. In einem der 32 untersuchten Betriebe standen 19.000 Zuchtsauen.
Die Ministerin beschwichtigt zwar, indem sie erklärt, der nutztierspezifische MRSA-Typ sei nur für 2 bis 3 Prozent der MRSA-Infektionen beim Menschen verantwortlich. Aber das ist eine recht hohe Zahl, wenn man bedenkt, wie wenige Menschen tatsächlich im Alltag mit Zuchttieren in Berührung kommen.
“Statt die Augen zu verschließen und das Problem zu bagatellisieren, sollte die Staatsregierung kontinuierlich forschen, um größeres Unheil abzuwenden. Das Sankt-Florian-Prinzip ist die falsche Strategie”, so Weichert.
http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=13627&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=1
Die Meta-Analyse des Bundesinstituts für Risikoforschung: www.bfr.bund.de/cm/343/risikofaktoren-fuer-mrsa-in-der-tierproduktion-eine-metaanalyse.pdf
Die Kleine Anfrage der Grünen als PDF zum Download.
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