Leipzig wächst und wächst und wächst. Manchmal gibt's einen Hüpfer - wie 2011, als diese seltsamen Zensus-Ergebnisse veröffentlicht wurden, die nun ausgerechnet bei Großstädten nicht ganz verständliche Werte ergeben haben. Deswegen hat auch das Leipziger Amt für Statistik und Wahlen etliche Statistiken inzwischen auf die Zahlen aus dem Einwohnermelderegister umgestellt.

Die wichen schon vorher von den amtlichen Einwohnerzahlen von Bundesamt und Landesamt ab, jetzt tun sie es wieder. Vorher wichen sie deutlich nach unten ab. Die seit 30 Jahren fortgeschriebene amtliche Einwohnerzahl für Leipzig hatte also irgendwie einen Fehler in der Fortschreibung, der nach oben abwich. Da das in der ganzen Bundesrepublik so ähnlich war, gab es diesen seltsamen Zensus 2011, dessen Ergebnisse 2013 veröffentlicht wurden. Und gerade größere Städte im Westen der Republik kritisierten nachher – wohl zu recht – dass die neuen für sie ermittelten Zahlen nun zu niedrig waren. Ein Grund für die teilweise heftige “Korrektur” nach unten war, dass in den Großstädten nur Stichproben erhoben wurden – die dann auf die ganze Stadt hochgerechnet wurden. In kleineren Städten und Gemeinden konnten die Befrager in der Regel die ganze Gemeinde erfassen. Die Abweichungen im Ergebnis waren entsprechend geringer.

Da aber jetzt zehn Jahre ins Land gehen werden, bis die Bundesrepublik wieder Geld ausgeben wird für einen neuen Zensus, müssen wohl die betroffenen Kommunen mit den neuen Differenzen leben.

Die Zahlen für Leipzig: Während die amtliche Einwohnerzahl vom Landesamt für Statistik für den 31. September 2012 mit 538.149 gemeldet wurde, standen im Leipziger Einwohnerregister zum selben Zeitpunkt 524.387 Einwohner. Eine Korrektur nach unten war also zu erwarten. Dass sie aber mit rund 20.000 sehr heftig ausfiel, war eine Überraschung. Eine unangenehme zumal, denn da die anderen Kommunen in Sachsen weniger “Einwohnerverlust” hatten, verlor Leipzig rechnerisch über 7 Millionen Euro an Überweisungen aus dem Landeshaushalt.

Ein Jahr später nun ist es die Zahl aus dem Einwohnermelderegister, die deutlich über der nun amtlich herausgegebenen Einwohnerzahl liegt. Für den September 2013 weist das Landesamt nun 526.909 Einwohner in Leipzig aus, im Einwohnermelderegister stehen dafür 534.926.

Die Zahl für Dezember haben die Landesstatistiker noch nicht ausgerechnet. Sie wird irgendwo um die 530.000 liegen.

Aber die Zahl aus dem Einwohnermelderegister gibt es schon: 539.345.Und auch der Blick in die Ortsteile offenbart Erstaunliches, stellt Roman Grabolle für einen Beitrag im Deutschen Architektur Forum fest. Er hat sich dabei doppelte Mühe gemacht und einmal 2011 mit 2013 verglichen und dann noch 2012 mit 2013. Der erste Vergleich ist deshalb interessant, weil 2012 und 2013 beides wachstumsstarke Jahre waren, in denen über 20.00 neue Einwohner nach Leipzig kamen. Die unterschiedliche Entwicklung in den Ortsteilen zeigt, wohin es diese zumeist jungen Leute zog. Und das hat eine Menge mit dem innerstädtischen Wachstumsgürtel zu tun.

Roman Grabolle: “Das stärkste prozentuale Wachstum hat der Leipziger Osten, angeführt ausgerechnet von dem in Leipzig noch gern eher abgeschriebenen Ortsteil Volkmarsdorf mit 12,91 % (+1027), dicht gefolgt von den benachbarten Ortsteilen Neustadt-Neuschönefeld mit 12,86 % (+1210) und Zentrum-Ost mit 10,9 % (+391). Erst danach folgt der Westen: Altlindenau mit 10,7 % – mit +1407 Einwohner_innen stärkstes absolutes Wachstum – , Lindenau mit 10,6 % (+669) und Plagwitz mit 10,5 % (+1338). Wohl auch eher unerwartet folgen dann bereits Wahren mit 9,3 % (+555), Zentrum-Südost mit 8,5 % (+902) und Neulindenau mit 7,7 % (+439). Eine ganze Reihe von Ortsteilen verzeichneten zwischen 5 und 7 Prozent Wachstum: Reudnitz-Thonberg, Zentrum-West, Dölitz-Dösen, Hartmannsdorf-Knautnaundorf, Gohlis-Mitte, Leutzsch, Zentrum-Süd, Schönefeld-Abtnaundorf, Möckern, Eutritzsch.”

Was ja in der Summe auch heißt, dass das Bevölkerungswachstum über die jüngsten Pionier-Ortsteile (Lindenau, Plagwitz, Neustadt-Neuschönefeld, Volkmarsdorf …) auch schon in Ortsteile hineindrängt, die bislang im Schatten der Wahrnehmung waren. Wie Wahren eben, aber auch Möckern, Gohlis-Nord, Eutritzsch … In Wahren und Möckern könnte dabei durchaus die Entwicklung der Magistrale Georg-Schumann-Straße eine Rolle spielen.

Aber auch die Zahlen von 2013 allein zeigen, wo sich etwas entwickelt und augenblicklich ein Brennpunkt der Stadtentwicklung ist. Roman Grabolle: “In Plagwitz wurden 2013 eine Reihe von Sanierungs- und Neubauvorhaben fertiggestellt und so kam der Ortsteil mit 6,5 % und 859 Menschen an die erste Stelle. Es folgt der Leipziger Osten: Volkmarsdorf mit 6,2 % (+528), Zentrum-Ost 6,1 % (+230) und Neustadt-Neuschönefeld 6,1 % (+612). Zwischen Lindenau mit 6,1 % (399) und Altlindenau 5,0 % (698) konnte sich noch Wahren mit 5,2 % (324) schieben.”

Und trotzdem gibt es noch immer oder wieder Ortsteile, die Bevölkerung verlieren. Grabolle: “Der größte Bevölkerungsverlust ist in Heiterblick mit -7,6 % (-299) zu verzeichnen, es folgen Grünau-Siedlung mit -2,3 % (-88) und Schönau mit -1,7 % (-72). Geringere Verluste sind auch bei Meusdorf, Paunsdorf, Mölkau, Mockau-Süd, Grünau-Mitte und Lützschena-Stahmeln festzustellen. Miltitz blieb 2013 exakt gleich groß.”

Das betrifft also vor allem eher Ortsteile in Randlagen, die bei jüngeren Leipzigern nicht wirklich beliebt sind. Die Verluste in Grünau-Mitte aber sind tatsächlich nur leicht: von 11.826 auf 11.801. Insgesamt zeigt Grünau tatsächlich das Bild einer Stabilisierung. Was über kurz oder lang natürlich auch wieder auf Paunsdorf und Heiterblick zutreffen wird. Beides Ortsteile, die auch unter der zunehmenden Überalterung litten. Aber Gebiete wie die Plattenbausiedlung Mockau-Nord oder Schönefeld-Ost zeigen, dass solche Wohnlagen mit dem Generationenwechsel auch wieder steigende Einwohnerzahlen verzeichnen. In Mockau-Nord gab’s einen Anstieg von 10.583 auf 10.611, in Schönefeld-Ost von 9.056 auf 9.190.

Am Ende profitieren vom Bevölkerungswachstum in Leipzig alle urbanen Bezirke. Nicht immer freut das die Mieter, wenn sie aus attraktiven und mittlerweile teuren Innenstadtlagen in eher periphere Wohngebiete umziehen müssen. Aber das bedeutet für die Stadtentwicklungspolitik eben auch, dass in jahrelang eher vergessenen Quartieren einiges an Struktur gestärkt oder – wie an den Magistralen – neu geschaffen werden muss. Und dazu gehören auch Lebensqualitäten – wie Parks, Spielplätze, Radwege usw. Eine Herausforderung. Aber genau von diesen Herausforderungen lebt eine Stadt.

Der Beitrag von Roman Grabolle im Deutschen Architektur Forum: www.deutsches-architektur-forum.de/forum/showthread.php?p=416828

Die neuen Zahlen aus dem Einwohnermelderegister: http://statistik.leipzig.de/statdist/table.aspx?cat=2&rub=1

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar