Anfang Juni 2013 rauschte ein Hochwasser der Größenklasse HQ 150 durch Leipzig - ohne größere Schäden anzurichten. Dafür eine Menge Verwirrung. Das fand sogar als Kritikpunkt Eingang in den Kirchbach-Bericht für die Sächsische Staatsregierung: Die Kommunikation der staatlichen Stellen war ein Desaster. Ist sie zwar die ganze Zeit. Aber in Krisenzeiten merken die Menschen, wie schlecht die Behörden tatsächlich kommunizieren.
Natürlich liegt es auch daran, dass Verantwortlichkeiten gestreut sind – Kommunen, Freistaat, Einsatzkräfte mischen mit. Die Lage verändert sich permanent. Es gibt zwar ein zentrales Lagezentrum der Stadt Leipzig, angesiedelt bei der Feuerwehr. Intern funktionierte es reibungslos. Aber so denken Behörden oft: Wenn man selbst weiß, was gerade Fakt ist, muss das die Welt nicht interessieren.
Tut es aber im Krisenfall doch. Menschen bangen um ihr Hab und Gut, um ihre Nächsten und die tägliche Versorgung. Was passiert, wenn ein Hochwasser mal die Deiche bricht und sich den Raum nimmt, den es sich vor Urzeiten mal genommen hat?
Maximilian Beyer und Christian Kuhlicke haben ihren Beitrag für den neuen Quartalsbericht mit einer Karte gespickt, die zeigt, was dann passiert. Die beiden sind Forscher am Umweltforschungszentrum. Die Karte haben sie sich vom Freistaat geben lassen. Bei einem HQ 150 (einem Hochwasser, das theoretisch aller 150 Jahre auftritt), wäre die Leipziger Flussaue komplett gespült. Heißt: nicht nur der Auenwald, sondern auch das Rosental und Teile der Wohngebiete, die in den letzten 150 Jahren in die Aue hineingebaut wurden. Die Karte zeigt aber auch, dass Leipzig ohne diese Stadtquartiere im Auengebiet gar keinen Hochwasserschutz brauchte. Der größte Teil des Stadtgebietes liegt auf den Hochufern östlich und westlich der Weißen Elster.
Aber eine Frage nach dem Juni-Hochwasser war natürlich auch: Wieviel Schutz dürfen all jene genießen, die im Überschwemmungsgebiet gebaut haben? Und wieviel Vorsorge müssen sie selbst treffen? – Nach Letzterem fragten Kuhlicke und Beyer. Daten für jene Stadtgebiete, die von solchen Hochwassern bedroht wären, liegen seit 2009 vor. Ihre Bewohner sind gegenüber Hochwassern “exponiert”. Im Wasserhaushaltsgesetz ist definiert, wie sie für Hochwasserfälle vorzusorgen haben. Rund 400 Hausbesitzer in drei dieser exponierten Wohnlagen in Schleußig, Leutzsch und Böhlitz-Ehrenberg schrieben die beiden Forscher an, 314 füllten die Fragebögen aus.
Und das Ergebnis zeigt durchaus Problembewusstsein. Drei Viertel haben eine Hochwasserversicherung, vier von zehn haben baulich vorgesorgt bzw. haben das noch vor. 84 Prozent setzten während des Hochwassers im Juni kurzfristige Maßnahmen um. Was man so macht im Hochwasserfall: Sandsäcke besorgen (33 Prozent), Auto umparken (34 Prozent), Wertgegenstände sichern – zumeist durch Hochtragen aus dem Keller auf den Boden (51 Prozent).
Die meisten hingen fiebernd an den Nachrichtenkanälen, um zu erfahren, was los war, ob Gefahr drohte und ob behördliche Weisungen durchkamen. Wie wir wissen, kamen diese sehr sporadisch durch, meist auch sehr spät. Und das, obwohl erstmals in der jüngeren Leipziger Geschichte Katastrophenalarm ausgelöst worden war.Aber wie der Kirchbach-Bericht zeigt, war das an den meisten sächsischen Gefahrenstellen so. Was die Leute nicht davon abhielt, sich bei Stadt und Land nach aktuellen Informationen umzutun. Beyer und Kuhlicke haben ihre Befragten genau Auskunft geben lassen, welche Medien sie genutzt haben, um sich zu informieren. Und wie zu erwarten war das Internet die Hauptinformationsquelle. Bei den unter 34-Jährigen verließen sich fast alle auf die Informationen im Netz, bei den 35- bis 44-Jährigen kamen sieben Leute hinzu, die sich im TV informierten, bei den 45- bis 54-Jährigen kamen noch einige dazu, die es auch mit Radio und Zeitung versuchten.
Aber bis zu den 64-Jährigen dominierte das Internet als Hautinformationsquelle. Die ja bekanntlich mehr bot als die sporadischen Nachrichten von Stadt und Land. Tatsächlich taucht dann bei näherer Betrachtung das Thema “Nachrichtenportale” auf. Mit 47 Prozent boten sie die größten Teil der relevanten Informationen zum Hochwasser. Gefolgt von Freunden und Familie als Informationsgeber (18 %). Erst danach tauchen die Stadt Leipzig mit 16 Prozent und der Freistaat Sachsen mit 12 Prozent auf.
Immer mit der Einschränkung: Man hat es hier mit Gebäudeeigentümern mitten im möglichen Überschwemmungsgebiet zu tun. Daten für die ganze Stadt könnte eine gut vorbereitete Bürgerumfrage erbringen. Dass auch Forscher manchmal so ihre Scheuklappen haben, zeigt dann ihre Frage nach Hochwasserkarten, dem Versicherungsdienst “ZÜRS public” und dem Wasserhaushaltsgesetz. Wer nah am Wasser baut, schaut natürlich, dass er Kenntnis zu möglichen Hochwassergefahren erhält. Die Karten kann man auch bei der Stadt einsehen.
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Aber bis Menschen auf ein “ZÜRS public” mit seinem völlig sinnfreien Namen oder ein Wasserhaushaltsgesetz – neben einem ganzen Rudel anderer gültiger Wassergesetze – stoßen, braucht es in Sachsen Detektivarbeit. Nirgendwo sind alle relevanten Informationen, Datenbanken, Karten und Hinweise gebündelt. Oder um die beiden Forscher zu zitieren: “Kaum bekannte Gesetzestexte und interaktive Kartendienste führen aber bisher zu einem kaum veränderten Handeln potentiell Betroffener.”
Das Ding hat seine Logik. Denn wenn man hier weiterdenkt, bräuchte es für Sachsens Hochwasserrisikogebiete natürlich einen zentralen Informationspool, in dem auch das Risiko sichtbar wird, das jeder trägt, der ins Überflutungsgebiet zieht. Wenn sich solche Hochwasser häufen, kann immer wieder erneuerte Ahnungslosigkeit keine Ausrede mehr sein.
Leipzig genießt, wie der zuständige Umweltbürgermeister gern betont, einen vom Freistaat gewährleisteten Hochwasserschutz für HQ 150. Der funktioniert zwar erst, seit der Zwenkauer See als Überlaufbecken in Betrieb ist. Aber der Juni 2013 hat gezeigt, dass auch die im Auengebiet errichteten Ortsteile durch das vorhandene Deich- und Wehrsystem geschützt sind. Ein Großteil der potentiell Betroffenen weiß um die möglichen Gefahren. Aber dass Anfang Juni zeitweilig so etwas wie Orientierungslosigkeit herrschte, hängt schlicht mit der fehlenden Kommunikation der Katastrophenstäbe zusammen. Vielleicht lernen sie es ja bis zum nächsten Mal. Ansonsten funktionieren – gerade bei jungen Leute – die “Social Media” bestens, um Freunde und Freundesfreunde zu kurzfristigen Aktionen einzuladen und frisch aus dem Geschehen zu tickern, zu posten und sammeln.
Den Statistischen Quartalsbericht IV / 2013 findet man hier: http://212.122.61.201/leipzig-anwendungen/LIS/statpubl/content/12_statistik-und-wahlen/lz_qb134.pdf
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