Gleich drei Beiträge im neuen Quartalsbericht beschäftigen sich mit dem Wohnen und Umziehen in Leipzig. Den ersten Beitrag hat Andreas Martin verfasst: "Kleinräumige Bevölkerungsentwicklung in Leipzig 2013". Denn wohin sind die 10.808 Leipziger eigentlich gezogen, die 2013 neu dazu kamen? Die Rangliste ist diese: Plagwitz, Altlindenau, Neustadt-Neuschönefeld ... Ist jetzt natürlich ein bisschen übertrieben.

Denn es gibt in Leipzig seit Jahren zwei große Ströme. Das eine ist der Strom der Zu- und Wegzüge nach und aus Leipzig, der das gesamte Bevölkerungswachstum in Leipzig beflügelt. Und diese Zuzüge haben aus guten Gründen natürlich einige Ortsteile zum Ziel, die für ankommende junge Leute, die zu Studium oder Ausbildung nach Leipzig kommen, seit Jahren ganz oben stehen. Hier ist dann auch zu jedem Semesterwechsel mächtig Bewegung. Alte Wohngemeinschaften lösen sich auf, neue WGs entstehen.

Andreas Martin hat für diesen Strom eine eigene Karte mit zum Artikel gegeben. Und da sieht man nicht nur, dass die Südvorstadt und Zentrum-Südost mit seinen großen Studentenwohnheimen die großen Magneten für junge Leute sind. In den letzten Jahren hat sich auch über Leipzigs Stadtgrenzen hinweg herumgesprochen, dass es da ein paar neue Pionierviertel gibt, die für Studierende attraktiv geworden sind. Und so reihen sich auch Plagwitz, Reudnitz und Altlindenau ein in die Ortsteile, die bei den Umzügen nach und von Leipzig einen positiven Wanderungssaldo von über 450 haben.

Das ist deutlich höher als der Stadtdurchschnitt von 81. Die Karte zeigt natürlich auch, das im Grunde alle innerstädtischen Quartiere von diesem Zuzug nach Leipzig profitieren. Zu den attraktiven Zuzugs-Quartieren gehören auch Neustadt-Neuschönefeld und Volksmarsdorf.

Es gibt dann aber auch noch den zweiten Strom – das Umziehen innerhalb von Leipzig. Zumeist zieht man ja um, wen ein Lebensabschnitt beendet ist und ein neuer auch neue Wohnerfordernisse mit sich bringt. Das Studium ist zu Ende, eine Familie wird gegründet, das erste Kind kommt … Und am umzugsfreudigsten sind natürlich die jungen Leute. Sie bestimmen auch, welche Quartiere die neuen Wachstumsquartiere werden, sie ziehen da hin, wo ihnen das Flair gefällt und die Infrastrukturen familientauglich sind.

Und da überrascht es nichts, wenn ausgerechnet die belebtesten Studentenquartiere Südvorstadt, Reudnitz und Zentrum-Südost auf einmal einen negativen Wanderungssaldo bekommen. Innerstädtisch ziehen hier mehr Leute weg als hinziehen. Sie sind quasi die großen Leipziger Häfen: Wer von außen ankommt, landet hier gern erst mal. Und zieht dann mit der Etablierung seiner Lebensvorstellungen weiter. Und da hat sich in den letzten Jahren eindeutig Plagwitz als die Nr. 1 etabliert. Damit hat Plagwitz, das seinen Aufwärtstrend gerade vor 14 Jahren begann, schon längst Schleußig als neuer Familien-Kiez abgelöst. Schleußig hat mittlerweile innerstädtisch einen negativen Wanderungsaldo. Heißt: Es ziehen mehr Leute weg als hin. Sein Bevölkerungswachstum generiert Schleußig mittlerweile aus der hohen Geburtenrate.

Nach Plagwitz gibt es noch eine Handvoll Ortsteile, die für junge Familien besonders attraktiv sind: Reudnitz fällt auf. Ein Widerspruch? Eben noch als Ortsteil mit negativem Wanderungssaldo benannt, hat Reudnitz aber in der Altersgruppe der 18- bis 30-Jährigen ein Plus. Was ja bedeutet, hier ziehen vor allem die älteren Einwohner weg, dafür kommen junge Familien. Junge Leute lieben Altlindenau, lieben Anger-Crottendorf, Sellerhausen-Stünz und die Westvorstadt (verwaltungstechnisch: Zentrum-West, für Leipziger: Grafisches Viertel).

Was auffällt: Die Umzugsziele der jungen Leute (18 bis 30 Jahre) decken sich nicht mit den Umzugszielen der Älteren. Das kann – Andreas Martin untersucht es nicht gesondert – natürlich mit der Verschiebung der Mietpreisniveaus zu tun haben. Wer sich die langsam ansteigenden Mieten in der Mitte nicht mehr leisten kann, sucht sich bezahlbaren Wohnraum weiter draußen. Davon profitierten 2013 Ortsteile wie Wahren und Thekla, aber auch Möckern.

Wahrscheinlich könnte Andreas Martin die Zahlen über die Jahre auch in eine animierte Grafik packen und zeigen, wie die Umzugsströme in Leipzig zirkulieren. Erst mal die großen Ströme der Ankömmlinge, die in die Südvorstadt und die Ostvorstadt strömen, denn die Ströme der jungen Leute, die nach Plagwitz, Reudnitz, Lindenau drängen. Und dann die Älteren, die weiter hinaus ziehen, wo die Mieten nicht so hoch sind.

Hinter den Strömen stecken natürlich Lebensmodelle. Und die Meisten, die nach Leipzig ziehen, haben natürlich noch keine Familie, sind, was man so landläufig Single nennt. Ein-Personen-Haushalte, wie es die Statistiker nennen. Was dann auch heißt: Je länger die hohe Zuzugsrate nach Leipzig anhält, umso höher wird der Anteil der Single-Haushalte. Von 50,1 Prozent im Jahr 2009 stieg e auf 52,3 Prozent im Jahr 2013, rechnet Andreas Martin im Beitrag “Struktur der Privathaushalte 2013” vor.

Keine Überraschung ist, dass gerade die von Studierenden bevorzugten Innenstadtquartiere die durchschnittlich niedrigste Haushaltsgröße haben – unter 1,65 Personen pro Haushalt. Die Südvorstadt gehört übrigens nicht mehr dazu. Sie liegt mittlerweile in der Klasse 1,65 bis 1,75 Personen. Denn viele junge Familien mit ihren Kindern sind in den letzten Jahren ja trotzdem da geblieben. Aus dem Studentenkiez ist über die Jahre ein Ortsteil mit vielen jungen Familien geworden.

Je weiter man den Blick zum Stadtrand lenkt, umso größer werden die dort durchschnittlich wohnenden Haushalte. Mit einem Spitzenwert von 2,41 in Baalsdorf.

Andreas Martin hat sich auch einmal die Mühe gemacht, die Alleinerziehenden aus den Registern zu ermitteln. Er kommt auf 13.845 Alleinerziehende mit rund 20.000 Kindern. 4,4 Prozent aller 310.279 Haushalte waren also Alleinerziehendenhaushalte.

Eine Frage, die gerade die Stadtplaner bewegt, ist natürlich das Wohneigentum. Vor Jahren, als rund um die Stadt ein Wohngebiet nach dem anderen aus dem Boden gestampft wurde, waren sie ja geradezu närrisch nach diesen Zahlen, weil auch bundesweit der wilde Glaube herrschte, die Deutschen müssten nur alle in Wohneigentum ziehen, dann ginge es ihnen endlich so gut wie den Griechen, Spaniern und Italienern.

Es dauert immer recht lange, bis so eine Euphorie der notwendigen Ernüchterung weicht. Aber einen Beitrag zum Wohneigentum gibt’s im Quartalsbericht trotzdem.

Morgen mehr dazu an dieser Stelle.

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