Eigentlich gibt es Leute in der Stadtverwaltung, die wissen, wie man mit Umfragen umgehen muss. Höchst vorsichtig nämlich. Und immer mit scharfem Auge auf die befragte "Grundgesamtheit". Doch es gibt auch Leute in der Leipziger Stadtverwaltung, die greifen zur Posaune, wenn man die "Meldung" nur irgendwie zum Posaunieren nutzen kann. So geschehen am 12. Dezember.
Da verkündete die Website der Stadt mit Schnedderedäng: “Klarer Sieger der neuen Umfrage zur Wohnungszufriedenheit ist die Stadt Leipzig. Laut einer vom Meinungsforschungsinstitut GfK durchgeführten repräsentativen Studie ist Leipzig der neue “Hotspot des Ostens”. In keiner anderen deutschen Großstadt sind die Einwohner so zufrieden, wie hier.”
Was zu beweisen wäre. Doch schon ein Blick auf die Grunddaten der Befragung zeigt: Diese Umfrage dürfte man eigentlich nur mit der Grillzange anfassen.
“Die Umfrage wurde vom Marktforschungsinstitut GfK im Auftrag des Immobilienportals Immonet erhoben. Die Stichprobengröße beträgt 1.500 Männer und Frauen ab 18 Jahren. Die Umfrage wurde vom 18. Juli bis 28. Juli 2013 durchgeführt. Die Daten wurden mittels einer Onlinebefragung erhoben.”
1.500 Personen – das könnte reichen – wenn es um Daten aus einer einzigen Stadt ginge. Aber: “Für die Studie wurden 1.500 Einwohner aus 15 deutschen Großstädten nach verschiedenen Standort- und Imagefaktoren befragt, zum Beispiel nach der Anbindung des Wohnortes an den Nahverkehr oder das Ansehen eines Stadtteils in der Öffentlichkeit. Befragt wurden Bewohner von Hamburg, Bremen, Hannover, Berlin, Leipzig, Dresden, Dortmund, Essen, Duisburg, Düsseldorf und Köln, sowie Frankfurt am Main, Nürnberg, Stuttgart und München.”
Heißt im Klartext: 100 Personen pro Stadt. Und die dann online befragt? Das wird ganz kompliziert. Wer hat da auf welcher Plattform zur Teilnahme aufgefordert? Die Stadt selbst? Auf ihrer eigenen Homepage oder in ihrem Facebook-Account? Oder gar die Immonet GmbH auf ihrer eigenen Homepage? Dann wird es ganz komisch. – Und wie wurde dabei die Bevölkerungszusammensetzung berücksichtigt? Wurde sie das überhaupt? Nach Männlein, Weiblein, Alterskohorten, Bildungsgrad, Beschäftigung … Wie gesagt: Online ist das schwierig, weil nicht nur viele Ältere nicht online sind, sondern weil es weite Bevölkerungskreise gibt, die online keine Daten aus der Hand geben – aus gutem Grund – und deshalb auch an solchen Befragungen nicht teilnehmen.
Was den sowieso schon hohen Schwankungskoeffizienten von 10 Prozent noch weiter erhöht. Die Zahlen für die 100 teilnehmenden Leute aus Leipzig sind nicht generalisierbar.
Aber wie gesagt, da gibt es ein paar Leute, die einfach drauflosschmettern: “Besonders glücklich sind die Leipziger über ihre Parks und Grünanlagen (87 Prozent). Auch bei den Punkten Kinder- und Seniorenfreundlichkeit erhält die Großstadt Bestnoten. Zudem empfinden über 60 Prozent der befragten Leipziger ihre Stadt als aufstrebend und modern.”
Ein Zeichen dafür, dass die älteren Leipziger in dieser Umfrage unterrepräsentiert sind, ist der Wert für den Faktor Sicherheit. “Als wichtige Wohlfühlfaktoren kristallisierten sich ‘hohes Ansehen und Sicherheit’ heraus”, schreibt die Stadtverwaltung. “Auch lieben es die Deutschen grün. Rund 86 Prozent zieht es in Stadtteile mit vielen Park- und Grünflächen. Nur 20 Prozent legen Wert auf eine hippe Wohnumgebung. Auch sind Kriterien, wie die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes (65,2 Prozent) oder die Abdeckung mit Kindergärten und Schulen (38,5 Prozent) weniger wichtig.”
“Kriminalität und Sicherheit” landet in die Leipziger Bürgerumfragen seit Jahren immer unter den zwei größten Problemen der Stadt. Besonders oft eben von älteren Mitbürgern genannt. Bei denen in der Regel deutlich mehr als 1.000 Leipziger befragt werden. 2011 waren es sogar fast 3.000. Und mit dem Punkt “Öffentliche Sicherheit, Schutz vor Kriminalität” waren nur 16 Prozent der Befragten zufrieden.
“Am Ende entscheidet die richtige Mischung: Viele Grünflächen, ein positives Stadtimage, die herausragende Kinder- und Seniorenfreundlichkeit und eine gute Infrastruktur – das lieben die Leipziger an ihrer Stadt am meisten”, schreibt die Stadt ihr Verschen drunter. Nein: Am Ende zählt die richtige Stichprobe und die belastbare Grundgesamtheit. Der Rest hat statistisch keinen Wert und gehört in den bunten Topf “PR”. Mit einer “repräsentativen Studie” hat das nichts zu tun.
Die Meldung der Stadt:
www.leipzig.de/news/news/studie-in-leipzig-lebt-es-sich-am-besten
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