Es ist eine ganz verzwickte Frage, die so ähnlich auch die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) mal zu Steuern gestellt hat: Sind die Bundesbürger bereit, noch mehr Geld für die Energiewende zu bezahlen? Jetzt hat die Leipziger Agentur Hitschfeld diese Frage im Rahmen ihrer Akzeptanzstudien gestellt. Hängt die Energiewende auch an der Akzeptanz noch höherer Kosten?

Am Mittwoch, 27. November, hat die Leipziger Unternehmensberatung Hitschfeld Büro für strategische Beratung erste Teilergebnisse der neuen Studie zur Akzeptanzforschung veröffentlicht. Darin werden Einflussfaktoren auf die Akzeptanz von Projekten untersucht. Insgesamt wurden in der 46. Kalenderwoche bundesweit 1.055 Menschen, repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren, vom Feldinstitut Norstat Deutschland GmbH befragt.

Und das erste Ergebnis, das ins Auge sticht, betrifft die Energiewende. “Schmerzgrenze bei Energiepreisen ist erreicht”, titelt Hitschfeld. Nur ein Viertel der Befragten sei momentan noch bereit, zum Gelingen der Energiewende durch höhere Energiekosten beizutragen.

“Beim Thema Energiepreise scheint derzeit eine ökonomische Schmerzgrenze erreicht zu sein. Dies dürfte erhebliche Auswirkungen auf die Akzeptanz der künftigen Energiepolitik in Deutschland haben”, erklärt Geschäftsführer Uwe Hitschfeld.

Das ist sehr knapp ausgedrückt, auch wenn es den Grundtenor dessen trifft, was in deutschen Medien zumeist als Energiewende und deren Preis diskutiert wird. Eigentlich ist die Frage sogar falsch gestellt: “Damit die Energiewende gelingt, bin ich bereit, einen weiteren Anstieg der Energiekosten zu akzeptieren …” Zustimmung, Ablehnung? Oder den lästigen Anrufer wegdrücken? Um welche “Energiewende” geht es eigentlich? Das, was vor 10 Jahren mal als solche beschlossen wurde? Oder das, was die Regierung Merkel draus gemacht hat?

Und welche Kosten? Die für den Umbau der Energiewirtschaft selbst oder die für die Unternehmen, die sich davon freikaufen dürfen?

Mit ihrer langfristig angelegten Akzeptanzstudie beackert die Agentur Hitschfeld ein ganz wichtiges Feld: Wie kann Politik durch eine bessere Kommunikation mit den Bürgern wieder mehr Akzeptanz bekommen? Für Großprojekte zum Beispiel? Das schließt viele Fragen ein – zum Beispiel auch die nach der Sinnhaftigkeit von solchen Projekten. Nicht jedes Projekt hat Akzeptanz verdient, bloß weil es groß ist. Oder weil interessierte Politiker den zahlenden Bürgern blaue Wunder vom Himmel versprechen.

Und man kann die Akzeptanz für ein Großprojekt wie die Energiewende demolieren, indem man es ausbremst, wichtige Entscheidungen vertagt, Einzelakteure bevorteilt und die Kosten den Leistungsschwächeren aufbürdet. Dass die Kluft zwischen Reich und Arm in Deutschland immer weiter auseinander klafft, hat auch damit zu tun, dass die jüngst vergangenen Regierungen bergeweise Kosten auf die einkommensärmeren Schichten abgewälzt haben. Dazu zählen auch die Stromkosten, die die Haushaltskasse der Ärmeren mit aus dem Gleichgewicht gebracht haben. Thema: Stromabschaltungen.

Wer diese Haushalte fragt, kann bei einer Frage nach “noch höheren Kosten” nicht auf Akzeptanz stoßen. Und genauso sieht das Bild der neuen Befragung auch aus. Es reicht eben nicht festzustellen, dass 75 Prozent der Befragten der Aussage nicht zugestimmt haben. Hitschfeld spricht zu recht von einer “ökonomischen Schmerzgrenze”. Aber die liegt nicht bei den Konzernen oder der Politik, die liegt in der Haushaltskasse der Bürger.

Bei Haushalten mit mindestens 2.500 Euro Monatseinkommen sind immerhin 33 Prozent bereit, noch höhere Stromkosten zu federn, bei Monatseinkommen über 5.000 Euro sind es 40 Prozent. Hingegen sinkt die Akzeptanz bei Haushalten, die mit weniger als 2.500 Euro auskommen müssen, auf 18 Prozent. Bei Haushalten mit Kindern ist die Zustimmung signifikant geringer als bei solchen ohne Kinder, bei Rentnern ist die Akzeptanz noch niedriger.Und da tut sich wieder die übliche Blindstelle auf: die unspezifisch hohen Größenklassen, die zum Beispiel mit den Leipziger Verhältnissen nichts zu tun haben. Nicht einmal 20 Prozent der Leipziger Haushalte gehören zu den Haushalten mit mindestens 2.500 Euro Nettoeinkommen. 27 Prozent gehören zur Einkommensgruppe 1.500 bis 2.499 Euro. Der ganze Rest ist eigentlich das für Leipzig – und die östlichen Bundesländer – Typische: Diese Haushalte müssen mit weniger als 1.500 Euro im Monat über die Runden kommen. Hier schlagen Strompreiserhöhungen ungefedert auf.

Es ist nicht die Frage “Mehr Geld für die Energiewende?”, die die Akzeptanz untergräbt, sondern die Fehlverteilung in den Lasten. Übrigens ein Generalthema für die letzten Bundesregierungen. Sie haben nicht die Steuern erhöht – aber die Abgaben. Und das ist noch wesentlich unsolidarischer, denn Steuern staffeln sich nach Einkommen, die Abgaben zahlen alle gleichermaßen.

Es erstaunt also nicht, dass bei den Haushalten mit geringem Einkommen 80 Prozent sagen, sie wollen noch höhere Kosten nicht akzeptieren. Dumm nur, dass sie dazu kein Abwehrmittel haben. Wer nicht zahlt, sitzt im Dunklen. So schürt man auch soziale Ressentiments. Eine Ebene, die das Büro Hitschfeld bei seiner Akzeptanzstudie durchaus ernst nehmen sollte.

Denn der Durchschnittsbürger hat – gerade in östlichen Gefilden – keine freien Reserven, mit denen er politisches Steuerungs-Versagen abfedern kann.

Das trifft auch auf die Frage zu: Erhöht sich die Akzeptanz für Projekte, wenn die Bürger die Möglichkeit haben, sich an solchen Projekten finanziell zu beteiligen?

Klare Feststellung nach dieser Umfrage: Für Bürgerinnen und Bürger, die sich an Projekten materiell beteiligen würden, spielt der finanzielle Aspekt eine nachgeordnete Rolle. Wie denn auch? Wer eh schon knapp über die Runden kommt, hat keine freien Geldreserven, um sich an irgendwelchen Projekten zu beteiligen.

Sehr viel wichtiger sei es den Befragten, durch ihre Beteiligung inhaltlichen Einfluss auf das Vorhaben nehmen zu können. Erstaunlich die Schlussfolgerung von Uwe Hitschfeld: “Vor diesem Hintergrund muss die Eignung des Instrumentes ‘finanzielle Beteiligung’ zur Schaffung von Akzeptanz auf den Prüfstand gestellt werden. Denn gerade bei großen Infrastrukturprojekten sind die Möglichkeiten der Bevölkerung, inhaltliche Mitsprache einzuräumen, – aus fachlicher Sicht – gering.”

Akzeptanz schaffen könne materielle Bürgerbeteiligung demnach nur bei eher kleineren und lokal begrenzten Vorhaben.

85 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass für die Akzeptanz eines Projektes nicht nur eine angemessene Entschädigung für entstandene Nachteile notwendig ist, sondern dass die Betroffenen darüber hinaus auch eine Belohnung dafür erhalten sollten, wenn sie ein Vorhaben für die Gemeinschaft “auf sich nehmen”.

“Dies zeigt, dass der Debatte über die Entschädigungsleistungen ein neuer, wesentlicher Aspekt hinzugefügt werden muss. Es darf künftig nicht nur um den Ausgleich von Nachteilen gehen, sondern auch um die Generierung von echten Vorteilen für die Betroffenen”, meint Christoph Eichenseer, Markt- und Meinungsforscher beim Büro Hitschfeld.

Was aber die ganze Krux der Studie offen legt. Ist sie tatsächlich darauf angelegt, die politischen Probleme im Umgang mit Großprojekten mit finanziellen Vergütungen zu regeln? – Dann ist sie nicht nachhaltig. Und sie versucht die Debatte in eine Richtung zu drängen, die auch die Mehrheit der Befragten nicht wirklich will. Denn die größte Zustimmung gab es gerade für die Frage nach der Erhöhung der Akzeptanz, “wenn betroffene Bürger inhaltlich Einfluss auf solche Projekte nehmen können und sich nicht nur finanziell daran beteiligen können.”

So kam es auch in früheren Hitschfeld-Umfragen zum Vorschein: Transparenz hat nichts mit Geld und Belohnung zu tun, sondern mit Information und Beteiligung. Die Bürger wollen umfassend über die Projekte informiert sein, für die in der Regel ihr Geld verbraucht/verbraten wird. Und sie wollen gefragt sein, wenn es um die Details geht. Was wieder Transparenz voraussetzt. Denn so ganz stimmt das mit den “Möglichkeiten der Bevölkerung inhaltliche Mitsprache einzuräumen” nicht. Denn für Großprojekte ist eine solche frühzeitige Beteiligung teilweise sogar sehr stringent vorgegeben. Nur wird sich oft nicht dran gehalten und die Projektemacher versuchen, das Projekt an der öffentlichen Beteiligung vorbeizumogeln – etwa bei Naturschutzfragen. Oder man macht schon Verträge, bevor irgendeine Beteiligung stattfindet – und hat dann schöne teure Druckmittel, Politik und Bevölkerung zum Einlenken zu bewegen. Oder man veranstaltet Wettbewerbe, die die öffentliche Beteiligung von vornherein ausschließen.

Akzeptanz muss nicht eingekauft, sondern hergestellt werden. Aber daran hapert es in Deutschland gewaltig. In den vorhergehenden Hitschfeld-Befragungen wurde das noch wesentlich deutlicher. Da fiel auch das so wichtige Wort “Partizipation”.

Die Studie ist abrufbar auf: www.hitschfeld.de

Direktlink: www.hitschfeld.de/htdocs/down/Studie_Akzeptanz_2013_Teilprojekt_1.pdf

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