Innenminister Markus Ulbig (CDU) fühlte sich tatsächlich bemüßigt, den so spitz fragenden Landtagsabgeordneten der Linken, Dietmar Pellmann, mitzuteilen, dass seine Fragen mit dem geltenden Verhaltenskodex nicht ganz konform gingen. Der Zugang zu einem öffentlichen Amt im Freistaat Sachsen erfolge reineweg "im Wege der Bestenauslegung ausschließlich nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung". Eine Bevorzugung nach Herkunft sei "nicht zulässig".

Normalerweise würde so etwas dazu führen, dass in Verwaltungen relativ ausgeglichene Stellenbesetzungen erfolgen, in denen die Chancen aller Bewerber relativ gleich sind. Aber die schlichte Wahrheit ist: Das ist im Freistaat Sachsen nicht der Fall.

Der Leipziger Abgeordnete und sozialpolitische Sprecher der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag, Dietmar Pellmann, hat durch drei Kleine Anfragen nun recht deutlich belegt, dass der Anteil der Staatssekretäre und Abteilungsleiter westdeutscher Herkunft in sächsischen Ministerien nicht nur sehr hoch ist, sondern seit Mitte der neunziger Jahre noch deutlich gestiegen ist.

“Fast ein Vierteljahrhundert nach der deutschen Einheit ist es erschütternd, dass immer noch so wenige Menschen, die nicht in den alten Bundesländern geboren sind, ein Spitzenamt in der Regierung innehaben”, sagt Pellmann. “Was besonders überrascht, ist der Fakt, dass diese ‘West-Quote’ bei den Abteilungsleitern und Staatssekretären seit 1995 sogar noch stark angestiegen ist. Kamen 1995 insgesamt 63,46 Prozent der Abteilungsleiter aus dem alten Bundesgebiet, sind es nun 2013 sogar 79,55 Prozent. Gab es 1995 13 Staatssekretäre, sind es heute nur noch zehn, aber die Zahl der ‘westdeutschen” Staatssekretäre’ blieb mit acht konstant.”

Natürlich stellt sich die Frage, woran so eine Entwicklung liegt. Werden Bewerbungen aus den westlichen Bundesländern bevorzugt? Oder kommen hier die Netzwerke zum Tragen, die jeder Politiker hat und die auch die sächsischen Aufbauhelfer alle hatten und haben, die 1990 zusammen mit Kurt Biedenkopf nach Sachsen kamen?
Pellmann: “In den neunziger Jahren wurde immer von Regierungsseite behauptet, die Unterrepräsentanz von Einheimischen in Spitzenämtern werde im Zuge nachrückender neu ausgebildeter Fachkräfte allmählich verschwinden. Nun sehen wir: Das Gegenteil ist der Fall. Offenbar haben wir es mit regionalen Seilschaften zu tun, wobei sich dieses Problem seit dem Regierungseintritt der FDP noch verschärft zu haben scheint.”

Wobei Pellmann mit dieser Vermutung vielleicht sogar daneben liegt. Für Abteilungsleiter und Staatssekretäre haben Johannes Beermann, der Leiter der Staatskanzlei, und Innenminister Markus Ulbig, die die Fragen beantwortet haben, zwar keine Aufschlüsselung nach Ministerien vorgenommen. Aber die Auflistung der Beamtenstellen nach Ministerien zeigt einen anderen Effekt: Gerade in den beiden FDP-geführten Ministerien für Wirtschaft und Arbeit sowie Justiz sank der Anteil von Beamten mit einem Geburtsort im Westen. Und zwar deutlicher als in den CDU-geführten Ressorts. Es sind vor allem diese – allen voran die Staatskanzlei selbst – die sich ihr Personal überproportional oft in den alten Bundesländern besorgen.

Dabei deutet Pellmann mit seinem Wort von den “regionalen Seilschaften” an, dass es eher nicht um die alten Bundesländer im Allgemeinen geht, sondern wohl eher um jene Bundesländer, aus denen auch die Aufbauhelfer der ersten Stunde kamen. Was natürlich auch ein bezeichnendes Licht auf die aktuelle sächsische Regierung wirft: Die alten Netzwerke funktionieren weiter reibungslos, neue, die eventuell auch verstärkt Personal der eigenen Partei aus Sachsen in den Karrierefahrstuhl bringen würde, scheint es nicht zu geben. Was dann auch erklären könnte, warum ein Großteil der sächsischen Politik so abgehoben und herablassend ist.

Das sich das auswächst, glauben zumindest die Grünen.

“Wir können sicher sein, dass sich die westdeutsche Dominanz in der sächsischen Verwaltung demografisch lösen wird”, sagt Eva Jähnigen, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. “In den nächsten Jahren werden über tausend Landesbedienstete pro Jahr in den Ruhestand gehen. Dies betrifft insbesondere auch jene Beamtinnen und Beamte, die in den frühen 90er Jahren aus dem Westen nach Sachsen gekommen sind. Diese Altersabgänge bieten die Chance, mehr Menschen aus Sachsen und der Region in die Verwaltung zu holen und auch hier zu halten.”

Aber so ganz wohl ist ihr bei der forschen Ansage denn doch nicht. “Entscheidend ist jedoch, dass wir die Möglichkeit zur personellen Erneuerung der Verwaltung auch tatsächlich nutzen”, schränkt sie ein. “Dies geschieht nicht von selbst. Um qualifizierten Nachwuchs aus der Region in die Verwaltung zu holen, brauchen die Verwaltung konkrete Einstellungskorridore und ein Dienstrecht, das den Freistaat als attraktiven Arbeitgeber ausweist. Letzteres versäumt die Staatsregierung mit ihrer aktuellen Dienstrechtsreform. Die Realität sieht derzeit leider so aus, dass aufgrund des Stellenabbaus viele Stellen nicht neu besetzt werden.”

Im Juli 2012 hatte sie die entsprechenden Zahlen, die ihre Vermutung stützen, abgefragt. “Im kommenden Jahr werden bereits 1.253 Landesbedienstete in den Ruhestand gehen”, kann sie feststellen. “Diese Zahl wird in den kommenden Jahren kontinuierlich ansteigen. 2019 werden insgesamt 3.005 Landesbedienstete in den Ruhestand gehen. Die Zahl der Ruhestandseintritte wird danach auf diesem hohen jährlichen Niveau bleiben.”

Bleibt nur dieses kleine Fragezeichen “Personalabbau”. Denn weder bei Polizei noch Schulen sieht die aktuelle Staatsregierung einen Anlass, das längst sichtbare Defizit durch Neueinstellungen zu kompensieren.

Zahlen aus der Kleinen Anfrage “Altersabgänge bei den Landesbediensteten bis 2030”, (Drs. 5/9781):
http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=9781&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=2

Kleine Anfrage “Abteilungsleiter mit Herkunft aus den alten Bundesländern in sächsischen Ministerien (Landtags-Drucksache 5/12893):

http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=12893&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=2

Kleine Anfrage “Staatssekretäre mit Herkunft aus den alten Bundesländern in sächsischen Ministerien (Landtags-Drucksache 5/12892):
http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=12892&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=2

Kleine Anfrage “Anteil von Beamten mit Herkunft aus den alten Bundesländern in sächsischen Ministerien” (Landtags-Drucksache 5/12891)
http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=12891&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=2

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