Die Erwerbstätigenzahl eines Landes ist nicht zwingend an Wirtschaftswachstum oder Bruttoinlandsprodukt gebunden. Das zeigt gerade Sachsen, wo die Wirtschaftsentwicklung seit ungefähr zwei Jahren nicht wirklich von berauschenden Wachstumszahlen bestimmt ist. Die Erwerbstätigenzahlen steigen trotzdem. Auch 2013 ging das so weiter. In der vergangenen Woche legte das Landesamt für Statistik die Zahlen für das zweite Quartal 2013 vor.

“Im zweiten Quartal des Jahres 2013 stieg die Zahl der Erwerbstätigen, die ihren Arbeitsplatz im Freistaat Sachsen hatten, erneut an und zwar gegenüber dem Jahr 2012 um 0,4 Prozent bzw. reichlich 7.000 Personen. Damit konnte seit Beginn des Jahres 2010 in allen Quartalen im Vergleich zum jeweiligen Vorjahr ein Zuwachs an Erwerbstätigen festgestellt werden.”

Und wie funktioniert so etwas? – Das Zauberwort heißt Dienstleistung: “Der Dienstleistungsbereich trug mit dem höchsten Zuwachs maßgeblich zur aktuellen Entwicklung der Erwerbstätigkeit bei. Hier verzeichneten speziell die Bereiche Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information und Kommunikation einen Zuwachs um 1,0 Prozent bzw. Öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung und Gesundheit um 0,8 Prozent.” Das freilich sind die großen Sammelbüchsen. Man muss ins Detail schauen, denn keiner ist weniger an einem Beschäftigungsaufbau interessiert als der Freistaat Sachsen. Im Gegenteil: Auch im Jahr 2013 eliminiert er fleißig Arbeitsplätze und reißt Versorgungslücken auf, die er auf Jahre hinaus nicht wieder schließen kann.

Anders als die Industrie in Sachsen: Die stellt ein, wenn sie Aufträge hat – oder in Aussicht hat. Oder sie sichert sich die Fachkräfte, bevor der Markt leer gefegt ist. Das Statistische Landesamt dazu: “Die Erwerbstätigenzahl im Verarbeitenden Gewerbe erhöhte sich gegenüber dem Jahr 2012 jedoch nur um 0,2 Prozent.”

Das klingt so lax hingeschmissen, bedeutet aber im Klartext: rund 700 neu geschaffene Arbeitsplätze im Verarbeitenden Gewerbe. Anderswo wird weiter abgebaut. In der Landwirtschaft zum Beispiel, wo längst die großindustriellen Betriebe dominieren. Wer auf die Zahlen schau, sieht, dass die Entwicklung sich beschleunigt hat. Bis 2011 war die Beschäftigtenzahl in der Land- und Forstwirtschaft relativ stabil bei über 31.000. Das ist eh schon nicht viel, verglichen mit der Lobbymacht, die die Landwirtschaft in der Sächsischen Staatsregierung besitzt. 2012 schrumpfte die Beschäftigtenzahl um 3,2 Prozent – rund 1.000 Arbeitsplätze wurden entbehrlich. Wenn schon zur Jahreshälfte 2013 wieder 500 Arbeitsplätze (1,7 Prozent) in der Landwirtschaft verschwinden, zeigt das auch, wie schnell Arbeitsangebote im ländlichen Raum in Sachsen sich in Luft auflösen.”Im Jahr 2012 hatten 1,978 Millionen Erwerbstätige ihren Arbeitsplatz in Sachsen. Das entspricht dem höchsten Jahresdurchschnittswert seit dem Jahr 2000. Gegenüber 2011 war das ein Zugang um 0,8 Prozent bzw. fast 15.000 Personen”, stellen die Kamenzer Statistiker fest. Und gehen lieber gar nicht auf die Details ein.

Nur auf ein paar, mehr oder weniger: “Über 10 Prozent aller Erwerbstätigen gingen 2012 einer marginalen Beschäftigung nach, d. h., sie gehörten zu den geringfügig Beschäftigten oder waren in so genannten Ein-Euro-Jobs tätig. Das waren 2,9 Prozent weniger als 2011.” Es ist eh schon sonderbar, dass die Ein-Euro-Jobber mit den marginal Beschäftigten in einen Topf geschmissen werden. Aber die schlichte Wahrheit heißt auch hier: Die Zahl der marginal Beschäftigten in der freien Wirtschaft ist nicht wirklich zurückgegangen. Nur die Zahl der 1-Euro-Jobber ist im Sinkflug, weil die Bundesregierung die entsprechenden Programme eingedampft hat.

“Gewinne an Erwerbstätigen verzeichneten besonders das Gesundheits- und Sozialwesen (3,4 Prozent) sowie das Verarbeitende Gewerbe (2,3 Prozent). Im Gegensatz dazu entwickelte sich die Zahl der Erwerbstätigen im Bereich Erziehung und Unterricht um 2,6 Prozent rückläufig.”

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Auch so eine Aussage mit Sprengkraft. Hier ist man mitten in der Öffentlichen Dienstleistung, zu der alles gehört, was staatlich an Service geboten oder bestellt wird. Im Gesundheits- und Sozialwesen wurden seit 2009 über 15.000 neue Arbeitsplätze geschaffen – aber eben nicht in Krankenhäusern und Arztpraxen, sondern vor allem im Pflegebereich.

Im Bereich Erziehung und Unterricht hingegen gingen seit 2009 über 10.000 Arbeitsplätze verloren. Hier macht sich die Kürzungspolitik des Freistaats ganz unmittelbar bemerkbar. Genauso drastisch wird die Personalkürzung im Bereich “Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherung” sichtbar. Hier gingen seit 2009 über 11.000 Arbeitsplätze verloren. Hier stecken die ganzen Sachbearbeiter und Polizisten mit drin, die der Bürger vermisst. Das ist Dienstleistung, die der Bürger normalerweise mit seinen Steuern bezahlt. Und die er nicht mehr bekommt, wenn er am falschen Ort wohnt und zur falschen Zeit ein Unglück hat.

Und das Thema Leiharbeit steckt natürlich auch in der Statistik. Die Leiharbeit versteckt sich in der Kategorie “Sonstige Unternehmensdienstleister”. Hier gab es seit 2009 einen Zuwachs von 20.000 neuen Beschäftigten (auf über 160.000). Was so ein wenig zeigt, wie die Beschäftigungspolitik im Freistaat Sachsen tatsächlich aussieht.

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