Dass Leipzig wächst, hat nicht nur mit dem Zuzug junger Leute wegen Ausbildung und Studium zu tun. Deutschlands Großstädte sind auch für Migranten attraktiv. Sie bevorzugen - wie die jungen Leute - die dichten und intakten Strukturen der großen Städte, wo sie Anschluss finden können und auch Möglichkeiten, sich eigene Existenzen aufzubauen.

Und seit Jahren bekannt ist auch der Fakt, dass Leipzig in Ostdeutschland die beliebteste Stadt für Menschen mit Migrationshintergrund ist. Laut Einwohnerregister lebten 2012 immerhin 49.323 Menschen mit Migrationshintergrund in Leipzig, stellt Andreas Martin fest, der sich im neuen Quartalsbericht mit den “Leipzigern mit Migrationshintergrund” beschäftigt. Der Unterschied zwischen Ausländern und Menschen mit Migrationshintergrund ist eigentlich eher eine bürokratische Frage: die einen haben (inzwischen) einen deutschen Pass, die anderen nicht.

Und sowohl 2011 als auch 2012 sind diese Zahlen kräftig gestiegen. Zählten Leipzigs Statistiker 2010 noch 40.775 Leipziger mit Migrationshintergrund, waren es 2011 schon 44.409 und 2012 dann die erwähnten 49.323. Der Anteil an der Gesamtbevölkerung stieg von 8,0 auf 9,3 Prozent. Die Zuwachsraten lagen 2012 bei über 10 Prozent. Nicht nur bei Ausländern, deren Zahl 2012 von 26.672 auf 29.659 stieg, sondern auch bei den Deutschen mit Migrationshintergrund, deren Zahl von 17.737 auf 19.664 stieg. Wesentlichen Anteil am Zuwachs bei den Leipzigern mit Migrationshintergrund hatten die Spätaussiedler aus den Staaten der GUS. Deren Zahl stieg von 6.354 auf 9.021. Ein Vorgang, wie er nach einer Änderung des Einwanderungsgesetzes auch in anderen deutschen Großstädten verzeichnet wurde. Manch ein Politiker zeigte sich darüber schon sehr besorgt.

Dabei hat gerade das Zensus-Ergebnis von 2011 gezeigt, wie sehr die Bundesrepublik Deutschland mittlerweile auf Zuwanderung angewiesen ist. Nur so kann die Bevölkerungszahl überhaupt gehalten werden. Und Fachkräfte kommen so auch ins Land. Denn die meisten Zuwanderer sind jung – die Bevölkerung mit Migrationshintergrund ist deutlich jünger als die Durchschnittsbevölkerung: 31,9 Jahre alt sind diese Menschen, die in Leipzig entweder schon eine eigene Existenz aufgebaut haben oder die Chance dafür suchen. Die Gesamtbevölkerung hat ein Durchschnittsalter von 43,6 Jahren.

Und weil diese Leipziger mit Migrationshintergrund im Schnitt so jung sind, sind viele von ihnen eben auch noch in der Phase der Familiengründung. Deutlich sichtbares Ergebnis: Der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund in Leipzigs Kindertagesstätten und Schule steigt seit Jahren deutlich an. Bei den Kindern im Krippen- und Kindergartenalter haben 16,8 Prozent einen Migrationshintergrund, bei denen im Grundschulalter sind es sogar 18,1 Prozent.

Das sind Zahlen, die zumindest ahnen lassen, dass man in Kitas und Schulen doch ein paar funktionsfähige Integrationsprogramme braucht. Wenn auch nicht für alle diese Kinder. Denn viele von ihnen sind durch ihre Eltern längst integriert. Ihre Familien leben in zweiter, teilweise sogar dritter Generation in Leipzig. Probleme haben eher jene Familien, die noch nicht lange hier leben.

Die “Hitliste” der Leipziger Migrantengruppen hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Durch die diversen Regelungen für Spätaussiedler dominieren mittlerweile die Ankömmlinge aus der Russischen Föderation (6.642) das Bild, was man um die Migranten aus der Ukraine (3.089), Kasachstan (1.906), aber auch Weißrussland, Usbekistan usw. ergänzen kann.

Drittgrößte Migrantengruppe sind die Polen (2.869), gefolgt von Vietnamesen (2.820). Die in Leipzig registrierten Migranten kommen aus mindestens 167 Staaten. Nicht alle, so Andreas Martin, konnten eindeutig einem Herkunftsland zugeordnet werden. Denn etliche haben durch ihre Eltern gleich mehrere Migrationshintergründe.

Und nicht alle fliehen – wie etwa die Iraker (1.461) oder die Syrer (687) – vor den unaushaltbaren Zuständen in ihren Heimatländern. Viele kommen auch durch ihre Arbeit, ihre Geschäftsbeziehung oder fürs Studium nach Leipzig. Manche auch der Kultur wegen, wenn man nur an die Spezialisten und Spezialistinnen in Oper und Gewandhaus denkt.Und da sind wir bei der Kultur, die eine Stadt wie Leipzig international attraktiv macht. Dass Leipzig jedes Jahr über 100 Millionen Euro für seine Kultur ausgibt, ist ein ganz wesentlicher Teil seiner Attraktivität für alle Besucher, Geschäftsleute und Zuzügler. Die Frage ist nur: Kann sich Leipzig diese Hochkultur tatsächlich leisten?

Oder: Welche Rolle spielt Kultur eigentlich für die Attraktivität des Standorts Deutschland im Allgemeinen und Sachsen im Besonderen? – Kerstin Lehmann hat im neuen Quartalsbericht den “Kulturfinanzbericht” des Statistischen Bundesamtes ausgewertet, der für das Jahr 2009 (immerhin das zweite Krisenjahr) eine neue Rekordsumme für die Kulturausgaben in Deutschland bezifferte: 9,1 Milliarden Euro. 2008 waren es noch 8,9 Milliarden gewesen. Da muss das Kulturangebot nicht einmal wachsen. Für solche Steigerungen sorgen schon die allmählichen Tariferhöhungen für die Kulturbeschäftigten.

In Leipzig wird das zum Problem. Die Diskussion des actori-Berichts und aller seiner Folgerungen ist überfällig. Muss Leipzig ganze Sparten schließen oder Häuser zusammenführen, weil schon die steigenden Gehaltskosten zusätzliche Millionen verschlingen?

Der Beitrag von Kerstin Lehmann zeigt, dass Bund und Länder vor dem selben Dilemma stehen. Auch den Flächenländern im Westen laufen die Kulturausgaben davon – binnen eines Jahres steigerten sie sich von 5,1 auf fast 5,3 Milliarden Euro. Den Flächenländern Ost erging es nicht anders – von 2007 bis 2009 stiegen hier die Kosten von 1,57 auf 1,63 Milliarden Euro. Und das, obwohl das kulturell am dichtesten besetzte Bundesland seine Kulturausgaben in diesem Zeitraum deutlich zurückgefahren hat. Dieses Land ist natürlich Sachsen, das mit 706 Millionen Euro nach Bayern und Baden-Württemberg (jeweils über 1 Milliarde) das Land mit den höchsten Kulturausgaben ist.

Die Aussage muss man jedoch in Klammern setzen, denn in den Ländersummen sind auch die Kulturausgaben der Kommunen enthalten. Und da kann jeder selbst nachrechnen: Die Stadt Leipzig allein gibt mehr Geld für Kultur aus als die Bundesländer Bremen (90 Millionen) oder Saarland (66 Millionen).

Der Rückgang der sächsischen Kulturausgaben geht hauptsächlich auf die Kürzungen im Landeshaushalt zurück. 2007 gab Sachsen noch 726 Millionen Euro für Kultur aus.

Der größte Batzen entfiel 2009 auf Theater und Musik: 249 Millionen Euro. Museen und Sammlungen (an denen Sachsen sehr reich ist) schluckten 109 Millionen, Bibliotheken 86 Millionen usw. Aber auch der Denkmalschutz wird unter Kultur verbucht. Hier gab Sachsen 70 Millionen Euro aus, die höchste Summe aller Bundesländer.

Es gibt auch erste Schätzungen zur Entwicklung der Kulturausgaben von 2010 bis 2012. Aber während der Bund und die westlichen Flächenländer ihre Aufwendungen weiter gesteigert haben, stellt Kerstin Lehmann für den Osten fest: Im Osten gab es weitere Kürzungen von fast 70 Millionen Euro.

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So gesehen fährt Leipzig derzeit im ostdeutschen Kontext einen Kurs gegen den Strom. Auch wenn Sachsen mit 3,86 Prozent (2009) Anteil der Kulturausgaben am Gesamthaushalt das Land war mit der höchsten Kulturrate – weit dahinter folgte dann erst Berlin mit 2,88 Prozent, der Abbau von Kulturfinanzierung im Osten geht weiter. Die Reaktion auf die rückläufigen Zuweisungen vom Bund und aus dem Solidarpakt hat auch hier Folgen. Und das erzeugt Handlungszwänge, die durch Steuerzuwächse so nicht aufgefangen werden können.

Auch nicht in Leipzig. Die Diskussion um die Finanzierung der Eigenbetriebe Kultur wird wieder aufflammen.

Eins bleibt natürlich zum neuen Quartalsbericht noch zu erzählen: ein Jubiläum.

Dazu morgen mehr an dieser Stelle.

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