Natürlich kann die Sächsische Wirtschaft keine bessere Vorstellung liefern als die bundesdeutsche insgesamt. Ab 2010 hat sich zwar die Wirtschaft im Freistaat wieder erholt und an das vor 2009 erreichte Niveau angeschlossen. Aber seitdem stagniert der Laden wieder. Es gibt mehrere Gründe dafür. Einer ist natürlich auch die regierende Ratlosigkeit in Wirtschaftsfragen in Berlin, wie sie Wolfgang Münchau am 7. August in seiner Kolumne auf "Spiegel Online" ansprach.

Münchau hat die im letzten Jahr eingestellte “Financial Times Deutschland” mitgegründet, die am Ende daran scheiterte, dass sie gerade einigen der finanzkräftigsten Werbekunden immer zu kritisch war. Und wer schaltet schon in Medien, die einem am nächsten Tag auseinander klamüsern, dass genau die Politik, die fürs eigene Unternehmen gut ist, fürs Land oder gar die EU geradezu schädlich ist? Wo kämen wir da hin, wenn alte Industrien, die vom status quo richtig gut leben können, sich ändern müssen?

Das kann natürlich niemand sagen.- Politiker schon gar nicht. Sie haben es ja in der Regel nicht studiert. Wenn man von Ausnahmen wie dem vorletzten Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) mal absieht – der ist tatsächlich studierter Volkswirt, hat aber auch lieber so gehandelt, als werden im Amt nur Betriebswirtschaftslehre verlangt. Der aktuelle Bundeswirtschaftsminister Philip Rösler (FDP) hat ein Medizinstudium hinter sich. Was dem Patienten Deutschland auch nicht wirklich hilft. Die Bundeskanzlerin hat Physik studiert. Aber das hilft wenig, wenn es um die Kreisläufe einer global vernetzten Wirtschaft geht. Erst recht nicht, wenn der so gern beschworenen Lokomotive Deutschland dann auch noch die wichtigste Gestaltungsrolle im Wirtschaftsraum EU zufällt.

Wo augenscheinlich nicht der Wirtschaftsminister das Sagen hat, sondern der Finanzminister. Wolfgang Schäuble (CDU) ist ausgebildeter Jurist und Wirtschaftsprüfer. Und so geht er mit Prüfungskandidaten wie Griechenland, Zypern, Italien und Portugal eben leider auch um.

Wie formuliert es Münchau? – “Doch bei der CDU fällt auf, dass jedes makroökonomische Denken im Keim erstickt wird. Für die CDU reduziert sich Wirtschaftspolitik auf eben diese beiden Themen – die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und die Reduzierung von Schulden. Die Wirtschaft findet dort in der Wirtschaft statt.”

So richtig hat die regierende Truppe in Berlin noch nicht wirklich verstanden, wie eng vernetzt in der EU längst alles ist – Wirtschaft, Handel, Finanzen. Wer die einen auf Schmalspur setzt, sorgt bei den anderen für leere Auftragsbücher. Eine in dieser Truppe hätte zumindest so ein Gefühl dafür haben müssen, worum es geht: Angela Merkel, die Ostdeutsche. Denn 1990 hat sie selbst miterleben können, was passiert, wenn man einer Gemeinschaftswährung beitritt und welche Zwänge sich binnen kurzer Zeit für beide Partner ergeben.

Die einen werden nämlich, wenn ihnen die Kreditwürdigkeit fehlt, zu Bittstellern. Die anderen müssen zahlen. So lange, bis der Patient wieder auf eigenen Beinen steht.

Es ist mit den in die Krise geratenen südeuropäischen Ländern nicht anders.
Und das wirkt sich – seit IWF & Co. ihr Magersüppchen zusammengekocht haben – auch auf die deutsche Wirtschaft aus. Und natürlich auch auf die sächsische, die noch zudem eine eigene Regierung hat, die sozusagen am eigenen Staatskörper ausprobiert, wie weit man einen Staat heruntersparen kann.

Das Statistische Landesamt des Freistaats hat in dieser Woche die Zahlen zur Konjunkturentwicklung im Frühjahr 2013 in Sachsen ausgegeben. Das Ergebnis ist nicht mehr als eine Stagnation.

“20,8 Milliarden Euro Gesamtumsatz hat die Industrie in den ersten fünf Monaten 2013 erbracht. Das Vorjahresergebnis wurde damit um 4,9 Prozent verfehlt. Sowohl das Inlands- als auch das Auslandsgeschäft verbuchten ein Minus (-3,4 bzw. -7,2 Prozent). Innerhalb der bedeutendsten Branchen war der Rückgang bei den Herstellern von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen mit 15,1 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro besonders deutlich. Die insgesamt tendenziell rückläufige Nachfrage lässt derzeit keine Besserung der Lage erwarten.”

“Rückläufige Nachfrage”. Das klingt, als hätten die üblichen Kunden einfach gerade keine Lust mehr, sächsische Produkte zu kaufen. Dumm nur, das viele dieser Kunden in Südeuropa sitzen und gerade nicht mehr kaufen können. Autos zum Beispiel. Der Auslandsumsatz bei Automobilen ging um 11 Prozent zurück. Im Inland waren es nur 1,9 Prozent. Aber mit dem Inland haben die Autobauer ja schon länger ein Problem, hier ist der Absatz nach Auslaufen des Konjunkturpakets I drastisch in den Keller gegangen. Wer ein neues Auto brauchte, hat sich da eins gekauft.

Aktuell ist eher die Frage: Wohin geht die Auto-Reise? Noch mehr Mittelklasse wagen für eine zahlungskräftige Käuferschaft? Oder doch mehr Elektroautos?

“Auch im Bauhauptgewerbe lag der Gesamtumsatz im Zeitraum Januar bis Mai 2013 unter seinem Vorjahresstand. Es wurde eine Verringerung um 7,7 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro ausgewiesen. Während im Hochbau das Vorjahresergebnis erneut nur leicht unterschritten wurde, betrug der Rückgang im Tiefbau 14,1 Prozent”, so das Statistische Landesamt. Aber das ist eher kein Thema, das hier wirklich eine Rolle spielt. Der ewige Winter hat bis in den Mai hinein dafür gesorgt, dass im Tiefbau nichts ging. Dafür liegen die Auftragseingänge im Tiefbau bei 14 Prozent über dem Vorjahreswert. Der Leipziger darf das Ergebnis derzeit im Leipziger Straßenbild bewundern. Baustelle reiht sich an Baustelle.

Wichtiger ist die Entwicklung des Faktors Kaufkraft. Aber: “Im Einzelhandel ergab der Vergleich der ersten fünf Monate 2013 und 2012 nominal einen Umsatzzuwachs von 1,9 Prozent. Real, d. h. unter Ausschaltung von Preisveränderungen, bedeutet dies ein Plus von lediglich 0,3 Prozent.”

Man kann es auch so formulieren: Das Lohnplus, das es 2012 erstmals wieder in einigen Branchen gab, wurde Anfang 2013 fast vollständig von der Inflation aufgefressen. “Mit einer Jahresteuerungsrate von 2,0 Prozent blieb diese im Juli 2013 gegenüber dem Vormonat unverändert”, schreiben zwar Sachsens Statistiker. Doch wenn die Teuerung vor allem Nahrungsmittel (Obst, Gemüse, Milch, Fett) und Energie (vor allem Strom) betrifft, steigen zwar die Umsätze, die Sachsen haben aber für mehr Geld nicht mehr gekauft.

“Im Juli 2013 waren 188.579 Arbeitslose registriert, 5,1 Prozent weniger als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote (Basis: alle zivilen Erwerbspersonen) sank auf 8,9 Prozent”, schreiben die Statistiker zwar auch noch. Aber darin steckt nach wie vor ein demografischer Faktor: Seit 2010 treten weniger junge Leute in den Ausbildungsmarkt ein, als ältere Personen in Ruhestand gehen.

S.P.O.N. – Die Spur des Geldes: Merkel ohne Wirtschaftsplan

www.spiegel.de/wirtschaft/bundestags-wahlkampf-die-binsenweisheiten-der-cdu-a-915241.html

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