In der vergangenen Woche erschien er wieder, der neue Quartalsbericht der Stadt Leipzig, der die verfügbaren Daten mit Stand 30. Juni 2013 darstellt. Mit den bekannten Lücken. Einige Zahlen gibt es einfach nicht zeitnah. Nicht mal die zur Bevölkerung. Aufregung gab es ja Ende Mai genug: Da wurden endlich die ersten Ergebnisse aus dem "Zensus 2011" vorgelegt. Und Leipzig "verlor" 21.454 Einwohner.

Die Genauigkeit der Zahl trügt. Auch die Zensus-Zahlen sind nur eine Hochrechnung. Vielleicht eine sehr genaue. Das wird man in zehn Jahren wohl erfahren, wenn der nächste Zensus ausgewertet wird. Deutlich wurde aber ebenfalls, das auch Leipzigs Statistiker erst einmal tief Luft holen mussten, als am 31. Mai um 11 Uhr die Zahl 502.979 für Leipzig erschien. Das war dann – wie Amtsleiterin Ruth Schmidt erklärte – zwar im Rahmen der Erwartungen, “aber am unteren Ende”.

Peter Dütthorn, der im Leipziger Amt für Statistik und Wahlen für die Durchführung des Zensus in Leipzig verantwortlich war, nimmt im jetzt vorliegenden Quartalsbericht 2/2013 ausführlich Stellung zu den Zensus-Ergebnissen.

Aber da nun alle schon ein bisschen verwirrt sind von den diversen Bevölkerungszahlen – den alten, seit 1990 fortgeschriebenen, den Zensus-Zahlen und denen aus dem Einwohnermelderegister, sorgt das Amt für Statistik und Wahlen im neuen Quartalsbericht für neue Verwirrung. Oder ist es jetzt ein Test auf die Lernfähigkeit der Leser?

Wurden in den vergangenen Quartalsberichten die Bevölkerungszahlen noch nach der Fortschreibung von 1990 veröffentlicht, ist der Modus jetzt auf das Einwohnermelderegister umgestellt worden. Es steht zwar auch die Amtliche Einwohnerzahl da, die sich aus dem Zensus 2011 ergibt – zumindest die für Dezember 2012. Da war Leipzig wieder auf 520.838 Einwohner gewachsen. Aber beim Bevölkerungsbestand, wo es um Männlein, Weiblein, In- und Ausländer geht, wird jetzt das amtliche Einwohnermelderegister herbeigezogen, das nun deutlich nach oben abweicht von der (neuen) Amtlichen Einwohnerzahl. Für Dezember 2012 zum Beispiel standen hier 528.540 Einwohner mit Hauptwohnung verzeichnet. Möglicherweise also fast 8.000 zu viel.

Da aber die Zensus-Ergebnisse nicht mit dem Einwohnermelderegister abgeglichen werden durften, wird uns diese Differenz jetzt wohl auf etliche Jahre begleiten.

Für Leipzig gibt es ja – ausgerechnet vom Landesamt für Statistik – auch die gültige Einwohnerzahl für April 2013: 522.433.

Das Städtchen wächst weiter. Aber dafür können weder Landesregierung noch Oberbürgermeister etwas. Dahinter stecken auch weiterhin jene Prozesse, die in der gesamten Bundesrepublik die ländlichen Räume entleeren und in den attraktiven Großstädten für einen zunehmend angespannten Wohnungsmarkt sorgen. Rezepte sind nicht in Sicht. Könnten sie zwar sein. Aber selbst in den Urlaubs-Bungalows der verlassenen Provinz stehen ja mittlerweile die berühmten Drei Affen kommentarlos auf dem Fernseher: Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen.

Politik als Übung in Ignoranz und Verweigerung. Und das nennt man dann “Gemeinsam erfolgreich.” Oder so ähnlich.

Es ist wirklich kein Grund, sich selbst auf die Schulter zu klopfen. Denn all die schönen Wachstumszahlen für Leipzig beschreiben tatsächlich eine komplexe Wanderungsbewegung. Es sind ja vor allem die jungen Leute, die es in die Großstadt zieht. Hier gründen sie Familien und steigern die Geburtenrate. Die gewachsene Leipziger Geburtenrate ist direktes Ergebnis dieses Zuzugs – aber kein Ergebnis einer besonders familienfreundlichen Politik.

Wem schreiben wir das hier ins Stammbuch? Dem ersten, dem zweiten oder dem dritten Affen?Im ersten Halbjahr 2013 wurde ein neues Geburtenhoch gemessen – zumindest gültig für die Zeit nach dem großen Ausbluten Leipzigs ab 1992. So hohe Geburtenziffern wurden zuletzt 1991 gemeldet: 2.778 Geburten in den ersten sechs Monaten 2013 – das waren deutlich mehr als die 2.371 in den ersten sechs Monaten 2012. Da kann sich der Sozialbürgermeister schon einmal warm anziehen. Denn das sind noch ein paar Kinderkrippen mehr, die 2014 gebraucht werden. Die es aber wohl nicht geben wird. Denn aus dem groß angekündigten Plan, 2013 über 2.500 neue Betreuungsplätze zu schaffen, wird wieder nichts. Die Hälfte wird es bestenfalls.

Und dabei ist der Saldo aus Geburten und Sterbefällen in Leipzig weiterhin negativ: Es sterben noch immer mehr alte Menschen als kleine Babys geboren werden. Gäb’s keine Zuzüge nach Leipzig, hätte die Stadt im ersten Halbjahr 520 Einwohner verloren.

Aber auch von Januar bis Juni 2013 gilt: Es ziehen deutlich mehr Leute nach Leipzig, als wegziehen. Der Wanderungssaldo liegt mit 2.788 Personen im Plus. Da Studium und Ausbildung aber fast immer im Herbst beginnen, sind die eigentlichen Zuwanderungsgewinne schon traditionell im zweiten Halbjahr. Das heißt für Leipzig wohl aufs Jahr gerechnet wieder ein Wanderungsgewinn von rund 10.000 Menschen. Jungen Menschen, die andernorts fehlen.

Man kann es nicht oft genug erzählen: Wie lange dauert es, bis der Raum rund um Leipzig so sehr ausgeblutet ist, dass auch die Zuwanderungszahlen einbrechen?

Und was bedeutet es für die Wirtschaft? – Betriebe ziehen zwar in der Regel nicht um, wenn ihre Kundschaft verschwindet. Aber in der Wirtschaft ist es ja wie im richtigen Leben: Es gibt Zu- und Abgänge. Und wo junge Leute sind – erst recht mit guter Ausbildung – ist das Gründungsgeschehen natürlich ausgeprägter. Das heißt: Wenn in den ländlichen Räumen die Lichter ausgehen und selbst gestandene Geschäftsleute “ihren Laden” aufgeben, wird in Leipzig fleißig gegründet. Oder sollte man hier ein Fragezeichen setzen?

Gegenüber dem 1. Quartal 2012 sind die Gewerbeanmeldungen in Leipzig deutlich zurückgegangen – von 1.628 auf 1.428. Auch im ersten Quartal 2011 waren es noch 1.651 Anmeldungen gewesen. Die Gewerbeabmeldungen lagen dafür immer um die 1.400. Im ersten Quartal genau bei 1.483. Damit schreibt sich ein Trend fort. Denn auch im 4. Quartal 2012 war die Zahl der Gewerbeanmeldungen gegenüber dem Vorjahresquartal schon eingebrochen: von 1.690 auf 1.383.

Der Quartalsbericht erklärt natürlich nicht, woran es lag. Ob irgendeine gesetzliche Änderung dazu führte, dass ein paar hundert Gründungswillige dann lieber doch kein eigenes Unternehmen gründeten, dafür lieber Paketsortierer bei DHL wurden. Kann sein. Deutlich ist nur: Das Gründungsgeschehen in Leipzig ist seit Herbst 2012 deutlich zurückgegangen.

Die offiziell gezählte Arbeitslosigkeit ist im Gegenzug nicht gestiegen, lag zum Jahresende 2012 bei 28.663 (Vorjahr: 30.141). Dass das eigentlich nichts über den tatsächlichen Abbau der Arbeitslosigkeit aussagt, wurde in den diversen Auswertungen der monatlichen Arbeitsmarktberichte von Arbeitsagentur und Jobcenter durch die L-IZ ja schon ausgiebig erläutert.

Wesentlich ist eine andere Zahl: Der tatsächliche Aufbau von Erwerbstätigkeit. Und zumindest eines schafft der umfassende Ausbau der Leipziger Dienstleistungsbranche: Arbeitsplätze, wenn auch oft genug schlecht bezahlte und triste. Die Zahl der sozialversichungspflichtig Beschäftigten in Leipzig stieg binnen Jahresfrist von 222.801 auf 228.527. Beides Zahlen für Dezember. Neuere haben die verantwortlichen Behörden noch nicht ausgerechnet.

Auch das hat wieder Folgen. Denn die tollsten Arbeitsplätze entstehen nicht nur in Leipzig. Viele sind in der Region entstanden. Was auf anderem Feld neue Rekorde mit sich gebracht hat. Dazu morgen mehr an dieser Stelle.

Der Statistische Quartalsbericht II/2013 ist im Internet unter http://statistik.leipzig.de unter “Veröffentlichungen” einzusehen. Er kann zudem für 7 Euro (bei Versand zuzüglich Versandkosten) im Amt für Statistik und Wahlen erworben werden. Postbezug: Stadt Leipzig, Amt für Statistik und Wahlen, 04092 Leipzig. Direktbezug: Stadt Leipzig, Amt für Statistik und Wahlen, Burgplatz 1, Stadthaus, Zimmer 228

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