"Mehr Selbstständige als marginal Beschäftigte in Sachsens Landkreisen 2011", meldete das Sächsische Landesamt für Statistik am 11. Juli. So lange dauert es, bis die Statistiker die Zahlen zusammenhaben. 2011 ist lange her. Aber die Zahlen zeigen auch, dass Leipzig in Sachsen einen Sonderweg geht. Der Grund ist unübersehbar: Es fehlt am produzierenden Gewerbe. Nirgendwo mehr als hier.

In Sachsen waren 11,6 Prozent der Erwerbstätigen im Jahr 2011 selbstständig. Einer marginalen Beschäftigung gingen 10,9 Prozent nach, bilanzieren die Statistiker. Damit gab es erstmals seit dem Jahr 2003 eine höhere Zahl an Selbstständigen im Vergleich zu den marginal Beschäftigten. Mit knapp 78 Prozent gehörte der überwiegende Teil der Erwerbstätigen zu den Arbeitnehmern ohne marginal Beschäftigte. In allen Landkreisen gab es 2011 mehr Selbstständige als marginal Beschäftigte. Im Gegensatz dazu übertraf in den drei Kreisfreien Städten die marginale Beschäftigung die Selbstständigkeit, am deutlichsten in der Stadt Leipzig mit 13,2 Prozent der Erwerbstätigen.

Diese 13,2 Prozent bedeuten 39.800 marginal Beschäftigte. Dresden hat – zum Vergleich – nur 29.600 marginal Beschäftigte. Wobei auch festzustellen ist: Selbstständig heißt zwar eigenverantwortlich unternehmerisch – aber es bedeutet nicht immer, dass dabei mehr herauskommt als bei einer marginalen Beschäftigung. Was immer am Umfeld liegt. Wenn eine Landschaft extrem durch niedrigpreisige Dienstleistungen dominiert wird, ist auch für viele Selbstständige oft nicht mehr drin als ein niedriges Salär.

Und kein Standort in Sachsen wird so sehr von Dienstleistung dominiert wie Leipzig.

Die Erwerbstätigenzahl in Sachsen erhöhte sich 2011 gegenüber dem Vorjahr um 0,4 Prozent. Der Anstieg erreichte jedoch nur fünf Kreise, stellen die Statistiker fest. In sechs Landkreisen und der Stadt Chemnitz verringerte sich die Erwerbstätigkeit, im Landkreis Meißen blieb das Niveau unverändert. Ein Vergleich zum Jahr 2000 zeigt, dass lediglich die Städte Dresden und Leipzig ein Plus von rund 10 Prozent an Erwerbstätigen verbuchen konnten.

Ein geringer Zuwachs zeigte sich auch in Mittelsachsen. Die Verluste an Erwerbstätigen waren im Vogtlandkreis und im Landkreis Görlitz mit ebenfalls rund zehn Prozent am höchsten. Selbst die Beschäftigungsentwicklung zeigt also, wie sich die Bevölkerungsströme im Freistaat verlagern – aus den peripheren Landkreisen in die beiden zentralen Großstädte Dresden und Leipzig. Da es aber keine aktive Wirtschaftsansiedlungspolitik auf höchster Ebene mehr gibt, entstehen zwangsläufig vor allem Dienstleistungs- und Subunternehmer-Strukturen.

Das klingt dann bei den Statistikern etwa so: “Betrachtet man die Wirtschaftszweige, so wies der Bereich Grundstücks- und Wohnungswesen, Finanz- und Unternehmensdienstleister in diesem Zeitraum nennenswerte Zuwächse auf, allerdings nicht in allen Kreisen im gleichen Umfang.” Natürlich nicht. Denn die am stärksten gewachsene Branche in diesem Bereich ist die Zeitarbeitsbranche. Was dann den zusätzlichen Effekt hat, dass Arbeitskräfte, die eigentlich im produzierenden Gewerbe beschäftigt werden, als Dienstleister gezählt werden.

Auch eine Art Augenwischerei.”Das Baugewerbe verzeichnete seit dem Jahr 2000 erhebliche Einbußen an Erwerbstätigen”, so die Statistiker.

Und so kann man nicht einmal guten Gewissens sagen: In Leipzig ist der Anteil der Erwerbstätigen im Produzierenden Gewerbe am geringsten. Weil es schlicht nicht stimmen muss. Sowohl, weil hier die Arbeitnehmer aus der Zeitarbeitsbranche fehlen. Als auch, weil nur die Erwerbstätigen am Arbeitsort gezählt werden. Denn Leipzig ist natürlich auch zum zentralen Sitz hunderter oft überregional agierender Dienstleister geworden. Morgen für Morgen strömen viele von ihnen als Pendler in die Stadt. Viel spannender ist die Tatsache, dass in Leipzig seit 2000 rund 25.000 neue Arbeitsplätze entstanden. Erfolgreicher war wirklich nur Dresden mit 30.000 neuen Erwerbsmöglichkeiten.

Rein statistisch wuchsen dadurch die Erwerbsmöglichkeiten im ganzen Direktionsbezirk Leipzig um 20.000. Und an dieser Stelle würden ein paar kluge Lokalpolitiker ansetzen und genauer nachfragen: Welche Art Arbeitsplätze entstanden in welchem Bereich mit welcher Unterstützung? – Haben staatliche Förderprogramme geholfen? Oder steckt eher ein Berg von Eigeninitiative dahinter? Stichwort:Kreativwirtschaft.

Man könnte auf die Art vielleicht herausbekommen, welche Programme am besten helfen, den Unternehmergeist der jungen Sachsen zu befeuern.

Aber da Politiker lieber sagen “Ich war’s!” als mal wirklich ans Eingemachte zu gehen, werden wir das wohl nie erfahren.

Die Statistik mit Grafiken: www.statistik.sachsen.de/download/200_Mi-2013/mi13713.pdf

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