Ist es schlicht dumm - oder ist es perfide, was die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) auch in ihrer neuesten Umfrage zu Steuererhöhungen die Leute gefragt hat? - "Wären Sie persönlich bereit mehr Steuern zu zahlen, um mehr Gerechtigkeit herzustellen?" ließ die Lobbygruppe der Reichen und Schönen 1.000 Bundesbürger fragen - aber nicht nur die Reichen und Schönen.
Das Ergebnis: “Trotz reichlich sprudelnder Steuerquellen fordern SPD, Grüne und Linke höhere Staatseinnahmen und wollen u.a. die Einkommensteuersätze erhöhen. Da nur Einkommen ab ca. 60.000 Euro/Jahr stärker belastet werden sollen, sei das gerecht. Dass dabei genau die Gruppe der Steuerzahler zusätzlich zur Kasse gebeten würde, die schon jetzt die Hälfte des Einkommensteueraufkommens zahlt, wird dabei offenbar ebenso bewusst verschwiegen, wie die negativen Auswirkungen auf Beschäftigung und Wachstum – schließlich sind 90 Prozent der Unternehmen in Deutschland einkommensteuerpflichtig”, behauptet das Lobby-Bollwerk der Reichen einfach mal.
Aber darum geht es doch die ganze Zeit – darum, dass Einkommen ab 60.000 Euro im Jahr stärker besteuert werden, nachdem sich nun 20 Jahre lang sämtliche Bundesregierungen darin übertrumpft haben, diese Einkommen zu entlasten. Wohl wissend, dass in einer Gesellschaft die Kosten nicht verschwinden, sondern an anderer Stelle wieder auftauchen – als Schuldenlast oder als freche Mehrwertsteuererhöhung für alle. Die Einkommensteuer ist nur eine Steuerart, zu der man herangezogen wird, wenn man überhaupt einen Steuerfreibetrag erst überschreitet. Mehrwehrtsteuer, Strom-, Tabak-, Grundsteuer usw. zahlen aber alle – und diese Steuerarten machen rund 60 Prozent aller Steuereinnahmen aus.
Die Mehrwertsteuer zahlen eben auch alle deutschen Unternehmen – zumindest die, die ihre Steuern nicht mit Sparmodellen in Belgien oder in der Karibik aufhübschen können. Und da landet sie dann auf jedem Einkaufszettel, jeder Handwerkerrechnung, aber auch jedem kommunalen Bauauftrag.
So sonnig einfach, wie die INSM ihre Welt malt, ist sie nicht. Und dass 67 Prozent der Befragten sagen, dass sie nicht noch mehr Steuern zahlen wollen, ist vor diesem Hintergrund logisch. Aber nicht verständlich. Denn es sind noch viel mehr, die deutlich unter solchen Einkommen rangieren. Der durchschnittliche Leipziger hat ein Jahreseinkommen von etwa 15.500 Euro. Ein Nettoeinkommen über 2.600 Euro (was aufs Jahr gerechnet gerade einmal 31.200 Euro sind) haben gerade einmal knapp 8 Prozent. Jeder, der drüber liegt, gehört zu den Reichen in dieser Stadt. Und das gilt eigentlich für den gesamten Osten.Erstaunlich, dass die INSM nach all den offenen und versteckten Steuererhöhungen für die Kleinverdiener im Land noch meint: “Ob die Steuererhöhungspläne auch bei den Wählerinnen und Wählern auf Zuspruch stoßen werden, ist somit keine Frage der Gerechtigkeit, sondern hängt schlicht davon ab, wer letztendlich wie viel zahlen soll. Um etwas genauer zu ergründen, wie es um die Vorfreude auf Steuererhöhungen bestellt ist, hat die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) die Meinungsforscher von TNS Emnid um eine repräsentative Umfrage gebeten. Dabei zeigt sich, dass nur eine Minderheit persönlich bereit ist höhere Steuern zu zahlen. Mehr als 500 Euro im Jahr wollen nicht einmal 4 Prozent der Befragten zusätzlich abgeben. Dazu passt, dass nur eine Minderheit davon überzeugt ist, der Staat können besser als sie selbst ihr Geld für mehr Gerechtigkeit einsetzen.”
Nein, so komplex hat man nicht gefragt. Man hat nur die 31 Prozent, die gesagt haben, sie könnten sich vorstellen, der Gerechtigkeit halber mehr Steuern zu zahlen, gefragt, wieviel das dann wäre. Dass sich das dann staffelt nach dem, was die Befragten denken, was sie noch erübrigen können, ist logisch. Es steht nur halt nicht daneben, was die Befragten an Einkommen haben. So hängt die ganze von TNS Emnid für die INSM abgewickelte Umfrage mal wieder in der Luft: Irgendwelche Leute sagen …
Sagen können sie viel. Gerechtigkeit aber fängt an, wenn Leistungskraft und Leistungsbereitschaft verglichen werden. Dem Leiharbeiter mit 1.100 Euro netto noch mehr abzuverlangen, das wäre durchaus schofel. Aber im Hause INSM tut man gern so, als wären Jahreseinkommen von 12.000 Euro ungefähr dasselbe wie Jahreseinkommen von 12 Millionen. Gerechtigkeit hat etwas mit Genauigkeit zu tun.
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Für Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer der INSM, ist das alles ganz einfach: “Die Bürgerinnen und Bürger haben offenbar ein besseres Gefühl für Gerechtigkeit und Notwendigkeit von Steuererhöhungen, als viele Politiker. Wer glaubt, Steuererhöhungen seien deshalb gerecht, weil nur eine Minderheit zur Kasse gebeten wird, irrt nicht nur aus moralischer Sicht. Wir brauchen weder eine Vermögenssteuer noch Spitzensteuersätze von 75 Prozent, sondern ein gerechtes Steuersystem, das die Leistungsfähigkeit Deutschlands erhält.”
Ja aber genau nach dieser Minderheit hat Emnid nicht gefragt. Sie hat alle 1.000 Angerufenen gefragt, was sie persönlich bereit wären mehr zu versteuern – Oma Klärchen genauso wie Matz Meier mit ALG II, den Studenten Atze und den Malocher Jörg.
Dass deutsche Umfrageinstitute solche Spiele überhaupt noch mitspielen, ist schon erstaunlich.
Dass das Vertrauen in die Steuergerechtigkeit der Bundesrepublik nach all den Steuererlassen für die Wohlbetuchten im Land zutiefst erschüttert ist, müsste eigentlich auch im Hause INSM klar sein. Doch dort verdreht man die Erkenntnis dann lieber ein bisschen, fragt die Leute doch mit erstaunlicher Forschheit: “Wer kann 100 Euro sinnvoller für mehr Gerechtigkeit einsetzen?” Und freut sich dann, dass der Staat dabei so schlecht wegkommt. Womit aber die Zielrichtung vorgegeben ist: zu verhindern, dass es nach der Bundestagswahl Steuererhöhungen für die Leute gibt, die glauben, hohe Steuern auf hohe Einkommen zu zahlen sei unsozial.
Wer sich direkt bei der INSM tummeln will: www.insm.de
Die Drei-Fragen-Umfrage zum Nachlesen als PDF zum download.
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