Manche Zahlen verblüffen einfach, die das Sächsische Landesamt für Statistik so herausgibt. So vermeldete es am Mittwoch, 22. Mai, dass im Jahr 2011 jeder Einwohner in Sachsen durchschnittlich 16.017 Euro für den privaten Konsum ausgegeben hat, 484 Euro bzw. 3,1 Prozent mehr als 2010. Das wären im Monat 1.334,75 Euro. Das sind 300 Euro mehr, als etwa der durchschnittliche Leipziger 2011 an Einkommen hatte. So manche Statistik macht tatsächlich keinen Sinn - auch wenn die Zahlen stimmen.
Gespart haben die Sachsen auch: pro Kopf im gesamten Jahr vom verfügbaren Einkommen 7,8 Prozent bzw. 1.348 Euro pro Person. Dieser Sparbetrag verringerte sich gegenüber dem Vorjahr um 96 Euro bzw. 6,6 Prozent, stellt das Statistische Amt noch fest. Und: “Dies war nach dem Jahr 2000 der größte Rückgang des Pro-Kopf-Betrages beim Sparen in Sachsen. Nicht ganz so groß war der Rückgang im Krisenjahr 2009, während es im Jahr 2010 einen Zugang um zwei Prozent im Vorjahresvergleich gegeben hatte.”
Statistiker sind zuweilen auch recht seltsam in dem, was sie aus den Zahlen herauslesen. Dabei haben sie in diesem Fall die komplette Grafik der Entwicklung von “Konsumausgaben” und Sparbetrag seit 1991 mitgegeben (siehe unten). Es geht nicht wirklich um die winzigen Schwankungen bei den Sparbeträgen. Die Grafik zeigt noch etwas anderes: Nur bis 1995 ist die Sparquote in Sachsen gestiegen. Seitdem stagniert sie eher bzw. ist in Krisenzeiten sogar rückläufig. Und zwar, obwohl die “privaten Konsumausgaben” weiter anstiegen. Die letzte große Delle ist eindeutig in den Zeiten der Krise von 1999 bis 2001 angesiedelt. Erst ab 2005 erholte sich der Sparbetrag wieder. Oder sollte man besser sagen: Ab da hatten die Sachsen wieder genug Einkommen, um auch wieder für größere Anschaffungen zu sparen?
Pünktlich mit dem Krisenjahr 2008 brach diese Kurve wieder ab. Was darauf hindeutet, dass viele Erwerbstätige ab diesem Zeitpunkt deutlich weniger Spielräume zum Sparen hatten – entweder weil sie auf Kurzarbeit gesetzt wurden oder ganz arbeitslos wurden, oder weil die Preise weit stärker stiegen als die Einkommen. Und dieser Rückgang der Sparanstrengungen hält an. Während einige Großkommentatoren der Republik immer mal wieder schon ein Ende der Krise deklarierten, zeigt die Sparzurückhaltung der Sachsen, dass tatsächlich immer weniger Geld für Rücklagen zur Verfügung steht. Logischerweise steigen dann die Konsumausgaben. Was nicht heißen muss, dass sich die Sachsen mehr leisten können. Auch wenn es so klingt.
Auch die Statistiker wissen, dass der Sparanteil steigt, wenn das Einkommen die gewohnten Ausgaben deutlich übersteigt. Formel: Je höher das Einkommen, umso höher der Sparanteil. – Auch die Kurve des Sparanteils belegt also, dass die realen Einkommen der Sachsen eigentlich seit 1999 sinken.
“Deutschlandweit erreichten die privaten Konsumausgaben 18.191 Euro je Einwohner, 3,8 Prozent mehr als 2010”, so das Sächsische Landesamt für Statistik. “Das aktuelle sächsische Ergebnis entsprach 88 Prozent des gesamtdeutschen Niveaus. Für die alten Länder ohne Berlin lag der Pro-Kopf-Wert bei 18.806 Euro und damit reichlich 3.000 Euro über dem Ergebnis für die fünf neuen Länder. – Insgesamt betrugen die Konsumausgaben im Jahr 2011 in Sachsen 66,3 Milliarden Euro in jeweiligen Preisen, 2,7 Prozent mehr als 2010.” Nur zum Vergleich: Die Inflationsrate lag zum Jahresende 2011 bei 2,2 Prozent. Ein gehöriger Teil der gestiegen “Konsumausgaben” geht also schlicht auf Inflationseffekte zurück.Aber was steckt eigentlich in den “privaten Konsumausgaben”? – Es sind eben nicht nur alle Ausgaben der Privathaushalte, sondern auch alle Konsumausgaben der privaten Organisationen ohne Erwerbszweck – das sind beispielsweise Gewerkschaften, Fachverbände, politische Parteien, Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie soziale und kulturelle Vereinigungen wie etwa Sport- und Freizeitvereine – enthalten.
Und nicht nur hier verschwimmt die Zahl. Denn zugrunde gelegt ist dem Ganzen ja der Wert der verfügbaren Einkommen. Und da kamen 2011 in Sachsen immerhin stolze 71,33 Milliarden Euro zusammen – 17.227 Euro pro Einwohner. Aber dazu zählt dann eben mehr als nur das, was der Einzelne als Einkommen überwiesen bekommt.
Hier kommen auch noch alle Geldleistungen der gesetzlichen Sozialversicherungen (Rente, Arbeitslosengeld sowie der Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung) hinzu, öffentliche Pensionen und betriebliche Altersversorgung, Leistungen im Rahmen der Grundsicherung (Sozialhilfe, Hartz IV) sowie eine Vielzahl weiterer staatlicher Geldleistungen wie beispielsweise Kinder- und Erziehungsgeld oder Wohngeld.
Wenn aber von 71 Milliarden Euro gleich wieder 66 Milliarden konsumiert werden (müssen) kommt die entsprechend geringe Sparquote heraus. Wobei eine Menge Sachsen nicht mal vom Sparen träumen können. Die Auswertung der Einkommen für 2011 zeigt nämlich noch einen Effekt: In Sachsen ist das statistisch “verfügbare Einkommen” mit 71,33 Milliarden Euro höher gewesen als das “Primäreinkommen” (70,81 Milliarden). Das kann man tatsächlich nur als direkten Effekt der sächsischen Niedriglohnpolitik bezeichnen. Selbst die fünf neuen Bundesländer zusammen haben hier eigentlich einen positiven Saldo (218 zu 221 Milliarden Euro), im Bundesvergleich wird der Wert noch deutlicher: 1,63 zu 1,9 Billionen Euro.
Das ist der Punkt, an dem die eigentlichen Transfers ansetzen. Und die Niedriglohnpolitik in Sachsen führt eindeutig dazu, dass der Freistaat auf Jahre hinaus noch Nehmerland in Sachen Einkommen bleibt. Er kann die notwendigen Einkommen für seine Bevölkerung auf diese Weise auf keinen Fall aus eigener Kraft erwirtschaften. Man wirbt zwar großmäulig mit den unvergleichlich billigen Arbeitskräften – aber das stärkt weder Einkommen noch Konsumkraft. Und die Konsumkraft, das wissen auch die Statistiker, ist ein wesentlicher Teil für das Bruttoinlandsprodukt.
Da sprechen wir noch gar nicht von der hinterwäldlerischen Sparpolitik der Landesregierung, die das Land sogar systematisch aushungert. Und die Milliarden lieber in diversen Fonds auf Halde legt. Wo es nicht “arbeiteten” kann.
Die Pressemeldung zu den Konsumausgaben 2011: www.statistik.sachsen.de/download/200_Mi-2013/mi10313.pdf
Der Blick auf die Einkommensbilanz 2011 in Sachsen: www.statistik.sachsen.de/download/200_Mi-2013/mi08213.pdf
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