Etliche Zahlen in Leipzigs Statistik müssen nun gründlich revidiert werden. Statt bei 540.000 Einwohnern und damit auf dem Weg zur 600.000, die OBM Burkhard Jung schon so euphorisch beschwor, liegt Leipzig im Frühjahr 2013 wohl eher bei 520.000 Einwohnern.

Was den Statistikern der Stadt natürlich auch eine Ahnung davon gibt, wie viele “Karteileichen” noch in der Einwohnerregistratur stecken – nämlich 8.000 bis 9.000. Alles Leute, die irgendwann mal da waren – dann aber einfach nicht abgemeldet wurden. Es fühlt sich wirklich an wie ein Verwaltungssystem irgendwo aus dem 17. Jahrhundert, alles von Hand gemacht, von elektronischem Datenabgleich und einfachen digitalen Ummeldungen keine Spur. Da wundert sich lieber ein ganzes Land darüber, dass “1,5 Millionen Einwohner fehlen” (Stern), als wirklich einmal ein bundesweit einheitliches Meldesystem mit einer eindeutigen Kennkarte für jeden Einwohner zu entwickeln. Vielleicht ein wenig so wie in der Schweiz. Was Millionen sinnloser Behördengänge ersparen würde.

Aber statt dessen läuft man nun seit fast 12 Jahren dieselben Schleifen in der Terrorismusbekämpfung, tanzt den Eiertanz um einen Datenschutz, den es auf internationaler und privatwirtschaftlicher Ebene schon lange nicht mehr gibt, und verkauft die Daten der Bürger, wenn diese nicht ausdrücklich vorher Einspruch erhoben haben. Das ist selbstgefällig und altmodisch.

Ergebnis sind die Zensus-Zahlen, die besonders in der Leipziger Statistik für erhebliches Stirnrunzeln sorgen werden. Vielleicht nicht einmal da, sondern im Ordnungsamt. Denn arbeiten kann man nur mit den Einwohnerzahlen, die von dort gemeldet werden. Und das Auffällige an den Zensus-Zahlen ist: Leipzig ist bundesweit die Großstadt mit der höchsten Korrektur nach unten. Wenn man die Zensus-Zahlen vom Mai 2011 mit den Einwohnerzahlen vom Dezember 2010 vergleicht, weist Leipzig ein Minus von 20.000 aus. Nur die beiden Millionenstädte Berlin und Hamburg weisen noch größere Korrekturen nach unten auf – 168.000 im Fall Berlin, 80.000 im Fall von Hamburg. Aber natürlich bei ganz anderer Bezugsgröße.
In Nürnberg müssen die Zahlen um 19.000 nach unten korrigiert werden. Hannover mit 16.000 und Stuttgart mit 15.000 Korrekturbedarf nach unten folgen dann.

An der Reihenfolge der größten Städte ändert es nicht viel. Die vier Millionenstädte Berlin (3,46 Mill.), Hamburg (1,71 Mill.), München (1,35 Mill.) und Köln (1,00 Mill) bleiben Millionenstäde. Köln hat nur eine minimale Korrektur von 2.000. Dresden bleibt mit seinen 512.000 Eoneohner zumindest im Mai 2011 die elftgrößte Stadt Deutschlands, Hannover überholt Leipzig mit 506.000 Einwohnern wieder, so dass Leipzig vorerst wieder auf Rang 13 landet – vor Nürnberg, das mit seiner Korrektur von 19.000 wieder unter die 500.000er-Marke rutschte (486.314).

Wo die ganzen Leute blieben, warum sie noch gezählt wurden, obwohl sie gar nicht (mehr) da waren, werden vielleicht die Datenforscher versuchen herauszubekommen. Zumindest deutet das Ganze auf erhebliche Defizite im Meldewesen hin. So modern, wie sich Deutschlands Verwaltung gern gibt, ist sie nicht.

Vielleicht sind die deftig nach unten korrigierten Zahlen auch der Grund für die lange Verzögerung. “Besonders auffällig ist, dass bei den Ausländerinnen und Ausländern die Differenz mit – 14,9 % deutlich größer als bei den Deutschen (- 0,6 %) ist”, schreiben die Bundesstatistiker dazu. Aber der Blick auf die Leipziger Statistik zeigt, dass die Differenz bei Deutschen und Ausländern zu den Zahlen des Einwohnermelderegisters ähnlich groß ist.

Die Bundesstatistiker haben sich auch schon die Mühe gemacht, die Zensus-Ergebnise vom Mai bis zum Dezember 2011 fortzuschreiben. Danach hätte Sachsen Ende 2011 noch 4,054 Millionen Einwohner, knapp 2.000 weniger als im Mai. Aber eben auch 83.000 weniger als nach der bisherigen Fortschreibung.

Und Leipzig kommt statt auf die bisher fortgeschriebenen 531.809 auf 510.043, was dann – auf die 502.000 Einwohner aus dem Zensus bezogen – ein Wachstum von 8.000 Einwohnern bedeutet. Das Wachstum hört ja nicht auf, nur weil die alten Zahlenfortschreibungen deutlich nach unten korrigiert werden.

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Dresden wird übrigens für Dezember 2011 nun mit 517.765 Einwohnern gezählt – gegenüber dem Mai-Wert ein Plus von 5.000. Das Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden sächsischen Großstädte geht also weiter. Auch die Binnenwanderung geht weiter. In der Fortschreibung 2011 verliert der Landkreis Nordsachsen genauso weitere über 1.000 Einwohner wie der Landkreis Leipzig. Der erste steht zum Jahresende mit 260.925 Einwohnern da, der andere mit 200.062. Was dann für den Direktionsbezirk Leipzig zum Jahresende 2011 noch 971.030 Einwohner macht. Oder: schon wieder. Denn im Mai waren es ja nur 966.000.

Da Leipzig im Jahr 2012 um weitere 10.000 Einwohner wuchs, könnte für Dezember 2012 eine Einwohnerzahl von über 520.000 auftauchen. Im Umkehrschluss kann das auch bedeuten, dass Leipzig in den 1990er Jahren deutlich mehr Einwohner verlor, als bislang amtlich angegeben. Nur lässt sich das rückwirkend nicht berechnen. Aber die jetzt für Mai 2011 ausgewiesene 502.000 stand bislang immer im Jahr 2005 in der Statistik. Seinerzeit begrüßte Verwaltungsbürgermeister Andreas Müller mit Medienbegleitung den jüngsten, 500.000. Leipziger. Aber es war wohl eher der 480.000.

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