Am 3. April berichtete u.a. der "Spiegel", dass die Schulden säumiger gesetzlich Versicherter bei ihren Krankenkassen drastisch gestiegen sind. "Die Rückstände wuchsen bis Anfang 2013 um 620 Millionen auf 2,15 Milliarden Euro an, wie eine Übersicht des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung belegt ..."

“Demnach belaufen sich die aktuellen Forderungen der Kassen auf gut 870 Millionen Euro. Mit weiteren 1,27 Milliarden Euro stehen Selbstzahler in der Kreide, also im Wesentlichen freiwillig Versicherte, deren Beiträge nicht automatisch über die Arbeitgeber gezahlt werden. Auch diese Forderungen schlagen sich bei den Kassen zumindest befristet nieder”, so der “Spiegel”.

Doch es liegt nicht an den “Säumigen”, dass Hunderttausende ihre Krankenkassenbeiträge nicht zahlen können. Das wusste zwar auch die Bundesregierung, als sie sich des Themas annahm. Doch statt das Problem zu lösen, stellte sie sich als bissiger Hauswirt hin und machte aus der Sache eine neue gesetzliche Pflicht, machte aus Menschen, die sich die Krankenkassenbeiträge nicht aus eigener Kraft erarbeiten können, durch zwei Gesetze Schuldner.

“Die Zahl der Nichtzahler war gestiegen, nachdem die Versicherungspflicht eingeführt wurde – 2007 für die gesetzliche, 2009 für die private Krankenversicherung”, erläutert der “Spiegel”. “Die Regierung hatte sich für diesen Schritt entschieden, weil eine steigende Zahl von Menschen keine Krankenversicherung hatte. Doch vor allem kleine Selbstständige können die Beiträge hunderttausendfach nicht zahlen.”Und können es bis heute nicht. Das Ergebnis: Aus der gesetzlichen Versicherungspflicht wird auf einmal ein Mechanismus, der Hunderttausende in die Schuldenfalle treibt. Und weil das Thema mieser Einkommen auch und zuallererst ein sächsisches ist, fragt Dr. Dietmar Pellmann dazu auch regelmäßig die sächsische Regierung an. Er fragte diesmal direkt nach den Beitragsschuldnern der AOK PLUS. Sozialministerin Christine Clauß antworte ihm kurz vor Ostern.

Und das Ergebnis sieht genauso aus, wie es der Landtagsabgeordnete der Linkspartei befürchtet hatte. Vom aufwachsenden “Schuldenberg” ist auch die AOK PLUS als die mitgliederstärkste Krankenkasse in Sachsen und Thüringen betroffen.

“Ende 2012 hatte sie Beitragsschulden von 142,3 Millionen Euro zu verkraften. Seit 2010 stieg hier die Zahl der Beitragsschuldner um fast ein Viertel auf 42.125”, so Pellmann. “Davon hatten 29.523 Krankenversicherte ihren Wohnsitz im Freistaat Sachsen, etwa zwei Prozent der hiesigen insgesamt 1,562 Millionen Kassenmitglieder.”

Die bürokratische Handlungslogik der Gesetze löst das Problem nicht, sondern sorgt erst dafür, dass es ausufert. Dietmar Pellmann: “Beitragsschulden sind mit einem hohen bürokratischen Aufwand seitens der Krankenkassen verbunden. Sie sind aber letztlich vor allem Ausdruck wirtschaftlicher Notlagen der betreffenden Versicherten selbst. Meist handelt es sich um Selbstständige und Freiberufler, die durch ihre Arbeit viel zu niedrige Einkünfte erzielen und nicht selten einen niedrigeren Lebensstandard als manch sozialversicherungspflichtig Beschäftigte haben. Oft konnten sie sich ihren Erwerbsstatus auch nicht aussuchen, um der Arbeitslosigkeit zu entgehen, oder wurden von bisherigen Arbeitgebern in die Scheinselbstständigkeit gedrängt.”

Dazu kommt, dass manche Kassen exorbitante Säumniszuschläge verlangen.

Gleichzeitig ist die Notlage vieler Betroffener durch die deutsche Arbeitsmarktpolitik der letzten 15 Jahre erst verschärft worden. Man spielt Katz und Maus mit denen, die dummerweise Opfer dieser Politik geworden sind.

“Die Bundesregierung hat mittlerweile neue gesetzliche Regelungen angekündigt und will etwa die monatlichen Säumniszuschläge von bisher fünf auf ein Prozent senken”, stellt Pellmann fest. “Damit dürfte das Problem der Beitragsschulden aber kaum gelöst werden. Viel wirksamer wäre es, die Verdienstmöglichkeiten für Freiberufler zu verbessern und dem faktischen Zwang zur Scheinselbstständigkeit einen Riegel vorzuschieben. Gerade hier hätte die sächsische Staatsregierung dringenden Handlungsbedarf.”

Die Antwort auf die Nachfrage von Dietmar Pellmann: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=11391&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=2

Der Beitrag von “Spiegel Online” zum Thema: www.spiegel.de/wirtschaft/service/saeumige-zahler-schulden-krankenkassen-mehr-als-zwei-milliarden-euro-a-892192.html

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