Wer den neuen Quartalsbericht 4/2012 der Stadt Leipzig durchblättert, findet diesmal einen vierseitigen Ausschnitt aus der "2. Entschuldungskonzeption" der Stadt Leipzig vom Juni 2012. Die erste stammt von 2009. Für Oberbürgermeister Burkhard Jung und Finanzbürgermeister Torsten Bonew ist es eines der wichtigsten strategischen Ziele, den Schuldenstand der Stadt zu reduzieren. Der große Traum: 2037 ist Leipzig schuldenfrei.

Bis dahin gehen noch mindestens drei OBM-Wahlen ins Land. Burkhard Jung ist dann 79 und wird als Alters-OBM wohlwollend die politischen Großtaten der nächsten oder übernächsten Generation begleiten. Wahrscheinlich zumeist online, den Leipzig besitzt dann, was man heute so schmerzlich vermisst: eine funktionierende Online-Kommunikation mitsamt Diskussionsforum, auf dem die anstehenden politischen Entscheidungen von den Leipzigern qualifiziert diskutiert werden.

Die üblichen Pöbler wird es zwar immer noch geben. Die Hoffnung, dass das sächsische Bildungssystem bis dahin so weit modernisiert wird, dass auch die Mehrheit der Schulabgänger das qualifizierte Denken und Kommunizieren gelernt hat, ist recht gering. Denn Politiker haben immer Angst davor, Pfründe zu verlieren. Und die größte Angst haben sie vor wirklich qualifizierten Diskussionen in der Bevölkerung. Das würde einige Dinge unmöglich machen.

Aber die Entwicklungen der Zukunft werden – wenn – dann wirklich zuerst in den Städten passieren. Ob die finanziellen Spielräume dafür größer werden, weiß ja keiner. Im OBM-Wahlkampf betonte Burkhard Jung mehrfach, dass Leipzig, um auch nach dem Abschmelzen der ganzen solidarischen Beiträge aus den Fördertöpfen seine Haushaltsspielräume bewahren zu können, seine Gewerbesteuereinnahmen verdoppeln muss. Mehr als verdoppeln. Denn die 193 Millionen von 2011 waren ja schon ein Rekordwert. Leipzig braucht aber über 400 Millionen aus eigener Wirtschaftskraft. Was wohl auch einige sehr auffällige Zurückhaltungen des OBM bei aktuellen Diskussionen um die Arbeitsbedingungen bei dem ein oder anderen angesiedelten Unternehmen erklärt. Bis hin zum Flughafen Leipzig/Halle, der auch künftig nichts zu den Leipziger Steuereinnahmen beitragen wird. Aktuell produziert er noch nicht einmal Überschüsse, kostet aber auch den Teilhaber Leipzig Jahr für Jahr Geld.

Was eigentlich nicht mehr sein dürfte. Die Startbahn Süd ist seit fast sechs Jahren in Betrieb. 2012 wurde mit 863.666 Tonnen Luftfracht wieder ein neuer Rekord aufgestellt. Leipzig ist nun schon seit drei Jahren unangefochten die Nummer 2 bei Luftfracht in Deutschland – hinter Frankfurt / M., vor Köln-Bonn. Bei den Passagieren gab es 2012 auch wieder einen leichten Aufwind – die Steigerung von 2.266.743 auf 2.286.152 sieht noch nicht wirklich spektakulär aus, vor allem, wenn man die Zahl an den einst prognostizierten 6 bis 7 Millionen Passagieren misst. Aber darin steckt auch ein Rückgang der Transitpassagiere, also der Soldaten, die in Leipzig nur zwischenlanden und dann weiterfliegen – entweder in die Kriegsgebiete von Irak und Afghanistan – oder nach Hause in die USA.

2011 waren das noch 432.000 Transitpassagiere gewesen, 2012 nur noch 197.000. Man merkt, wie sehr der amerikanische Präsident Barack Obama darauf drängt, diese von seinem Amtsvorgänger angezettelten Kriegsabenteuer zu beenden und seine Truppen nach Hause zu holen. Was ja bekanntlich auch die Zahl von Übernachtungsgästen aus den USA in Leipzig mehr als halbiert hat.

Der Flughafengesellschaft erlässt das nicht die Aufgabe, den Flughafen endlich auch in die Gewinnzone zu führen. Denn wirtschaftliche Engagements einer Kommune wie Leipzig dürfen nicht dazu führen, dass Jahrzehnte lang nur draufgezahlt wird.Im Haushalt wird jede Million gebraucht. Geschafft ist dort erst nur Stufe eins des 2006 beschlossenen Haushaltssicherungskonzeptes – die Konsolidierung des Haushaltes verbunden mit der ersten deutlichen Absenkung des Schuldenstandes. 2004 hatte Leipzig mit 911 Millionen Euro den höchsten Verschuldungsstand erreicht. Darin enthalten sind viele dringend notwendige Investitionen, die aus der vom Verfall bedrohten Stadt von 1989 wieder eine funktionierende europäische Metropole gemacht haben. Ziemlich sicher ist auch, dass diese Rahmensetzungen die Stadt auch für Investoren interessant gemacht haben und ab 2000 auch für all die jungen Leute, die seitdem zum Bevölkerungswachstum beitragen.

Was erst einmal die Steuerkraft der Stadt nicht wirklich verstärkt hat. 2004 war Leipzig wirklich kurzzeitig in Gefahr, keine ausgeglichenen Haushalte mehr auflegen zu können. Der Kraftakt von 2006 war dringend notwendig. Um fast 200 Millionen Euro konnte der Schuldenberg abgebaut werden. 2012 beendete die Stadt das Haushaltsjahr mit einem Kreditvolumen von 737,1 Millionen Euro. Das Finanzdezernat hat in seinem Beitrag recht akribisch aufgelistet, wie sich das Wechselspiel aus Kreditneuaufnahmen, Kredittilgung und wirklicher Entschuldung für die Jahre 2007 bis 2012 darstellt.

2013 will die Stadt weitere rund 28 Millionen Euro abbauen, 2014 dann 29 Millionen Euro.

Es gibt auch eine Vergleichstabelle aller deutschen Großstädte (außer den Stadtstaaten Hamburg, Berlin und Bremen), wo Leipzig mit einem Schuldenstand von 1.399 Euro pro Einwohner (Stand 2009) zu den vier Großstädten gehört, die unter dem Durchschnitt lagen. Nur Düsseldorf, Stuttgart und Dresden standen noch besser da. Dresden ja bekanntlich durch den Verkauf seiner Wohnungsgesellschaft komplett entschuldet – nur leiden darunter mittlerweile die Mieter, denn der Privatinvestor spart, wo er nur kann – bei Service und bei den Reparaturen. Irgendwie will man ja das investierte Geld wieder herausholen.

In die Planungen fürs Haushaltsjahr war das Finanzdezernat mit einer Gewerbesteuereinnahme von 200 Millionen Euro gegangen. Noch liegen die Zahlen für den 31. Dezember 2012 nicht vor – es könnte aber geklappt haben. Auch beim Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer gibt es wohl einen leichten Zugewinn. Der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer war schon 2011 von 80 auf 90 Millionen Euro gesprungen. Da machten sich besonders die Tarifsteigerungen bemerkbar.

Zwar hat Leipzig 2012 einen deutlichen Zuwachs an Beschäftigten gehabt – im Vergleich des 2. Quartals sprang die Zahl von 177.000 auf 186.000. Aber das spiegelt sich bislang noch nicht in höheren Einnahmen aus der Einkommensteuer wieder. Was zumindest vermuten lässt, dass die meisten dieser Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich entstanden sind. Auch der Sektor der marginal Beschäftigten wuchs weiter. Aufs 2. Quartal betrachtet von 43.000 auf 45.000.

Aber dahinter steckt nach wie vor Leipzigs schwacher Besatz an produzierendem Gewerbe. Die beiden großen Autobauer sind nach wie vor der Motor des Geschehens – aber wenn sie weniger Autos auf den internationalen Märkten absetzen (insbesondere in den gemaßregelten Nationen Südeuropas), dann drückt das logischerweise die Exportquote und die Umsätze. Letztere sanken 2012 von 6,6 Milliarden Euro im Vorjahr auf 6,2 Milliarden Euro. Trotzdem haben die Unternehmen ihre Belegschaft erweitert, rund 700 neue Arbeitsplätze geschaffen.

Für eine Stadt, die in diesem Jahr allein einen Bevölkerungszuwachs von 10.000 Personen hatte, natürlich recht wenig. Zu wenig, um die über Jahre aufgebauten Konflikte zu lösen, die mit Einkommensarmut und niedrigen Gesamteinkommen zu tun haben.

Das hat auch Folgen für die Polizeibilanz. Wie prophezeit, kam es auch.

Mehr dazu morgen an dieser Stelle.

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