Am 9. April brachte das Wirtschaftsdezernat nicht nur die neue Zielvereinbarung mit dem Jobcenter in die Runde des Oberbürgermeisters ein. Gleichzeitig legte das Jobcenter auch die Erfüllungszahlen für die letzte Zielvereinbarung - also das Jahr 2012 - vor. Die Stadtverwaltung erwartet am 15. Mai in der Ratsversammlung eigentlich nur noch ein Zurkenntnisnehmen.
“Die Ratsversammlung nimmt den Bericht der Geschäftsführung Jobcenter zur Kenntnis”, heißt es zur Vorlage. Immerhin ein Bericht, der zum ersten Mal ein bisschen Realität durchschimmern ließ, auch wenn man für die Zielerreichung in einigen Feldern stolz den Daumen hebt – als wäre das Jobcenter eine Drückerkolonne, die nach Quantität honoriert wird. Aber im Fazit steht auch eine durchaus realistische Begründung dafür, warum man ausgerechnet bei den “Integrationen”, dem, wofür das Jobcenter eigentlich da ist, die vorgegebenen Ziele nicht erreicht hat.
“Die überwiegende Anzahl der mit der Agentur für Arbeit und der Stadt Leipzig vereinbarten Ziele wurden vom Jobcenter erreicht. Verfehlt wurden die Integrationsziele. Der Rückgang an erfolgreichen Integrationen 2012 gegenüber dem Vorjahr war bundesweit zu verzeichnen. Innerhalb von Sachsen konnte das Jobcenter Leipzig trotz Zielverfehlung das zweitbeste Ergebnis halten. Der Rückgang an gemeldeten Stellen 2012, vor allem im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung, hatte negative Auswirkungen auf die Erreichung der Integrationsziele. Die Krise innerhalb der Solarbranche führte dazu, dass zusätzliche Fachkräfte auf den Leipziger Arbeitsmarkt drängten, was zu einer Verschlechterung der Vermittlungschancen der SGB II-Leistungsempfänger führte.”
Das sind Sätze, die gleich Mehreres verraten: Der Markt für Leiharbeiter ist praktisch gesättigt. Hier so hübsch “Arbeitnehmerüberlassung” genannt. Und das heißt im Rückschluss natürlich auch: Wesentliche “Integrationserfolge” konnte man in der Vergangenheit damit erzielen, dass man die Leute zu den Zeitarbeitsfirmen schickte.
Ganz stolz ist man auf die Zielerreichung im Bereich “Leistungen für den Lebensunterhalt”. “Der Prognosewert von 177,759 Mio. Euro wurde mit einer tatsächlichen Ausgabenhöhe von 176,348 Mio. Euro unterschritten.” Ist das wirklich ein ehrlicher Indikator für die ” Verringerung der Hilfebedürftigkeit”? – Man darf zweifeln. Es beschreibt nur indirekt, wie der Bestand an “Kunden” abgebaut werden konnte. Zum Beispiel durch Vermittlung in den 1. Arbeitsmarkt oder durch den Saldo aus Zugängen junger Leute und Abgängen älterer Erwerbsloser in den Ruhestand.2012 sank die Zahl der Bedarfsgemeinschaften von 45.050 auf 43.161. Immerhin 4,2 Prozent. Was kein überraschender Wert ist, wenn man weiß, dass seit 2010 praktisch halbierte Jahrgänge junger Leute in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt eintreten. Aber ganz vorsichtig hatte man sich nur zu 45.000 Bedarfsgemeinschaften verpflichtet. Da konnte nicht viel schief gehen. Natürlich ist so ein Abbau der latenten Arbeitslosigkeit auch dann Geld wert, wenn die Leute einfach in den Ruhestand gehen.
Der Betrag für Leistungen zum Lebensunterhalt sank entsprechend von 181 Millionen Euro im Jahr 2011 auf 176,4 Millionen. Verpflichtet hatte man sich zu 177,8 Millionen. Daumen hoch. Das wirkt sich logischerweise auch für den Faktor aus, der die Stadt Leipzig besonders interessiert: Leistungen für Unterkunft und Heizung (LUH). 2011 war er zuletzt gestiegen von 155 auf 156 Millionen Euro. Was für einen klammen Stadthaushalt eine Menge Geld ist. Aber natürlich haben Leute, die in einigermaßen gut bezahlte Jobs wechseln, auch keinen oder einen geringeren Anspruch auf LUH. Das machte sich 2012 erstmals deutlich bemerkbar. Obwohl eigentlich die Nebenkostenabrechnungen in den meisten Haushalten noch ausstehen. Man hatte die steigenden Energiekosten durchaus eingepreist bei der Planung mit 159 Millionen Euro im Jahr 2012. Jetzt stehen dort 149 Millionen Euro.
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Aber wie gesagt: Diese Zahl nehmen wir hier mit ganz großer Skepsis hin. Die Ziele, für die sich Bund und Stadt interessieren, wurden also schon durch die normale demografische Entwicklung erreicht. Dazu gehört auch die nächste Kategorie, für die sich das Jobcenter ein Bienchen abholen möchte: der Abbau der Langzeitleistungsbezieher. Deren Zahl sank von 41.318 auf 38.148. Aus der Erläuterung dazu: “Langzeitleistungsbezieher sind erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die in den letzten 24 Monaten mindestens 21 Monate im Leistungsbezug standen. Das bedeutet, dass die Teilnahme an Maßnahmen (AGH, Weiterbildung etc.) oder die Erwerbstätigkeit (Aufstocker) mitzählt, solange Leistungsanspruch besteht.”
Die Zahl geht also auch zurück, wenn weniger Leute aufstocken müssen.
Ein Projekt aber scheint zumindest kleine Erfolge zu zeitigen: das Bundesprogramm “50plus”. Zwar erreichte das Jobcenter Leipzig hier nicht ganz das gesteckte Ziel von 2.320 “Aktivierungen”. Es kamen nur 2.298 zusammen. Aber welcher Mensch über 50 möchte sich in solchen Beschäftigungsritualen eigentlich noch gängeln lassen? Wenn, dann ist man in dem Alter viel mehr dazu animiert, wirklich richtig zu arbeiten. In einer richtigen Anstellung. Und die Leipziger Unternehmen scheinen durchaus ein Interesse an den älteren Arbeitnehmern zu haben. 859 konnten, wie es das Jobcenter ausdrückt, 2012 integriert werden. Hier hatte man nur mit 720 geplant.
Der Zielerreichungsbericht des Jobcenters Leipzig für das Jahr 2012:
http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/3F26626D90C683ACC1257B44003A0408/$FILE/V-ds-2937-text.pdf
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