"Eine Erfolgsmeldung über den Rückgang der offiziellen Zahl der Arbeitslosen jagt die andere und wird von der Staatsregierung mit großem Pathos als Erfolg eigenen Wirkens kommentiert", spottet Dr. Dietmar Pellmann, sozialpolitischer Sprecher der Linken im Sächsischen Landtag. "Ganz abgesehen davon, dass solche Statistiken nur einen Teil der wirklich Arbeit Suchenden erfassen, sagen sie zudem wenig darüber aus, ob die Erwerbstätigen auch einer Tätigkeit nachgehen, von der sie existieren können."

Er hat deshalb wieder eine seiner Anfragen gestellt, die die Sozialministerin dazu veranlassen sollten, das, was die Jobcenter nicht als Zahlen ausgeben, einmal aufzudröseln. Denn eines ist ja mittlerweile Fakt: Die Zahlen, die da jeden Monat als Zustandsbeschreibung des Arbeitsmarktes verkauft werden, sind nur ein geschönter Teil der Wirklichkeit. Und sie zeigen nicht, was tatsächlich auf diesem sogenannten Arbeitsmarkt passiert. Zum Beispiel, wie viele Leute noch Zweit- und Drittjobs haben oder wer alles trotzdem um Unterstützung Schlange stehen muss, obwohl er sowieso schon arbeitet bis zum Umfallen.

Am 2. April bekam Pellmann die umfangreiche Antwort der Sozialministerin Christine Clauß (CDU).

Die Entwicklung wird belegt, so Pellmann, durch die wachsende Zahl der Hartz-IV-Aufstocker, also jener Personengruppe, deren Einkünfte unterhalb des Sozialhilfebedarfs liegen und die auf ergänzende staatliche Leistungen angewiesen sind. Im Oktober 2012 waren in Sachsen fast 109.000 Aufstocker registriert. Das waren zwar 16.000 weniger als 2007, aber ihr Anteil an der Gesamtzahl der erwerbstätigen Leistungsberechtigten stieg von 29,9 auf 35,1 Prozent.

“Sachsen lag dabei erheblich über dem Bundesdurchschnitt von 30,4 Prozent; in Sachsen lebten damit 8,4 Prozent aller Hartz-IV-Aufstocker in Deutschland, obwohl der Freistaat inzwischen nur noch auf knapp 5 Prozent der Bevölkerung der Bundesrepublik kommt”, so der Abgeordnete. “Die amtierende Staatsregierung muss sich daher ins Stammbuch schreiben lassen, dass die von ihr nach wie vor propagierte Niedriglohnpolitik als angeblicher Standortvorteil im Wettbewerb mit an anderen Bundesländern gerade für den Personenkreis der Aufstocker und ihrer Familien verheerende Folgen hat. Die Staatsregierung muss endlich zur Einsicht kommen und begreifen: Aufstocken ist nichts anderes als Lohndumping auf Staatskosten und kann nur durch die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes überwunden werden.”

Die meisten “Aufstocker” waren – fast hätte man es erwartet – in Leipzig registriert. Im Oktober 2012 waren es offiziell 18.197. Jeder Dritte der 54.131 als erwerbsfähig eingeteilten Leistungsberechtigten war also Aufstocker. 2.733 davon waren als Selbstständige registriert. Aber 15.661 “Aufstocker” waren in einer abhängigen Beschäftigung.

Im Jahr 2011 lag die Zahl der “Aufstocker” in Leipzig noch bei 17.333, davon 2.940 Selbständige. Die Zahl der Selbständigen ging also – nachdem das entsprechende “Instrument” zur Gründung aus der Arbeitslosigkeit 2011 aufgehoben worden war, erwartbar zurück. Dafür stieg freilich die Zahl derer, die in abhängiger Beschäftigung waren und “aufstocken” mussten. Die Zahlen für 2011 sind bis jetzt wesentlich detaillierter. Sie zeigten auch, dass 5.102 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte sogar Vollzeit arbeiteten und trotzdem aufstocken mussten.

Und die Antwort von Christine Clauß machte noch etwas deutlich: Immer mehr Leipziger, die arbeitslos werden und eigentlich Anspruch auf Arbeitslosengeld I haben, haben mittlerweile so geringe Ansprüche, dass sie zusätzlich ALG II beantragen müssen. Im Oktober 2012 waren es 1.373 Personen. Das sieht – verglichen mit den 54.131 ALG-II-Empfängern recht wenig aus. Gerechnet auf die knapp 6.000 Empfänger von ALG I aber zeigt es, wie niedrig das Lohnniveau in etlichen Branchen schon ist.

Die Antwort von Sozialministerin Christine Clauß:
http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=11482&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=2

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