Es sieht zwar nicht aus wie ein Buch für 25 Euro, ist den Preis aber wert. Wer sich jedes Jahr das neueste "Statistische Jahrbuch" der Stadt Leipzig besorgt, hat 250 Seiten voller Zahlen, Tabellen, Diagramme stehen, die nicht wirklich veralten. Auch wenn es - seit 22 Jahren nun konstant - jedes Jahr einen neuen dicken Band gibt.
Am Donnerstag, 11. Oktober, stellte Peter Dütthorn den neuesten Jahresband vor mit den gültigen Zahlen für den 31. Dezember 2011. Da und dort freilich fehlen noch ein paar Zahlen auch für 2010. Das liegt an den Zahlenlieferanten. Gerade was die Rechnungen zu Wirtschaft und Beschäftigten betrifft, hängt man da mittlerweile kräftig hinterher.
Ansonsten beschreibt der Band wieder einmal eine wachsende Stadt. Seit zehn Jahren steigen die Einwohnerzahlen, die Geburtenzahlen tun es schon länger. Auch wenn die 531.809 Einwohner wohl im Mai 2013 kräftig korrigiert werden. Dann wird es wohl endlich die Auswertung des “Zensus 2011” geben. Da wird dann wohl auch Leipzig eine Korrektur nach unten erfahren. Denn die Zahlen, mit denen die Statistiker derzeit agieren, werden nun seit 22 Jahren fortgeschrieben. Da stecken etliche kleine Fehler drin, die sich im Lauf der Zeit summiert haben.
Was natürlich am Trend, der die demografische Entwicklung in Sachsen in den letzten zehn Jahren beschreibt, nichts ändern wird. Die beiden Großstädte Dresden und Leipzig wachsen, Chemnitz ist relativ stabil – der Rest des Landes verliert in unterschiedlich starkem Maße an Bevölkerung.
Und gerade die letzten fünf Jahre haben gezeigt, dass sich diese Verschiebung noch verstärkt. Mit jeder neuen Kürzungs- und Zusammenlegungsrunde des Freistaates im ländlichen Bereich verstärkt sich der Trend der Abwanderung. Es sind vor allem die Jahrgänge zwischen 18 und 30 Jahren, die ihre Sachen packen und in die Großstädte ziehen. Der Ausbildung hinterher, der Arbeit hinterher. Oft genug aber auch in der Hoffnung, hier noch funktionierende Infrastrukturen vorzufinden.
Deshalb dominieren diese Jahrgänge mittlerweile auffällig den Lebensbaum der Stadt Leipzig. Die vier Leipziger Alterspyramiden für Leipzig für die Jahre 1981, 1991, 2001 und 2011 kann man auf Seite 23 sehen. Es sind im Grunde völlig unterschiedliche Zeitalter, komplette Zeitenumbrüche. “Und mittlerweile ist es so”, sagt Dütthorn, “dass sich der Bruch von 1990/91 viel stärker in der Alterspyramide abzeichnet als der vergangene Weltkrieg.”
Der war noch bis 1991 deutlich sichtbar anders mit einem mehr als markanten Überhang von Frauen in den Altersgruppen von 60 Jahren aufwärts. Mittlerweile hat sich diese Unausgewogenheit deutlich reduziert. Der Frauenüberschuss in den Altersklassen über 70 Jahre hat mittlerweile fast nur noch mit der natürlichen Lebenserwartung von Männern und Frauen zu tun. Und da werden sich Männer so bald wohl nicht ändern: Sie werden auch weiter viel ungesünder leben als die Frauen und fünf bis zehn Jahre früher sterben.
Auffällig ist seit 2001 freilich auch der deutliche Männerüberschuss, der damals in der Altersgruppe 30 bis 40 Jahre sichtbar war, heute die Gruppe der 30- bis 50-Jährigen umfasst. Er resultiert im Wesentlichen durch den immensen Verlust junger Frauen in den 1990er Jahren, die auch Leipzig damals scharenweise gen Westen verließen. Wer Familien gründen will, braucht Sicherheiten. Was dann eben auch dazu führte, dass die Geburtenzahl in Leipzig erst 1999/2000 aus dem Keller kam. Kleiner Rekord für 2011: Mit 5.490 Geburten wurde natürlich wieder eine neue Höchstmarke erreicht. Die Differenz zu den Sterbefällen betrug nur noch 177. “Das ist so wenig wie seit 1965 nicht mehr”, sagt Dütthorn. “1965 hatte Leipzig zum letzten Mal einen kleinen Geburtenüberschuss.”
Nächster Jahresrekord: Erstmals überschritt Leipzig mit 30.961 Zuzügen 2011 die 30.000er-Marke. “Zuzüge in dieser Größenordnung hat es seit dem Nachkrieg in Leipzig nicht mehr gegeben”, sagt Dütthorn. In den vergangenen Jahren lagen die Zuzugszahlen in der Regel um die 22.000, 23.000. Seit 2007 schnellten sie in die Höhe, überschritten 24.000, 25.000, 26.000 … Das kann durchaus auch mit der erhöhten Studienbereitschaft in ganz Deutschland zu tun haben und den permanent hohen Studienzahlen an den Leipziger Hochschulen. Aber auch von den Studierenden bleiben viele in Leipzig, gründen hier Familie und Existenz.
2011 ergab das erstmals einen positiven Wanderungssaldo für Leipzig von 9.064. In den Vorjahren waren es jeweils “nur” um die 4.000, 5.000 gewesen. Aber auch das trug ja, wie man an der Statistik ablesen kann, zum Wachstum der Leipziger Bevölkerungszahl bei.
Und da die Landesregierung immer mitrechnet, wusste sie seit Jahren genauso gut wie die Leipziger Stadtverwaltung, was da an Konsequenzen auf die Stadt zuwuchs. Denn wenn die Familien gegründet und die Kinder geboren sind, ist alles nur noch eine Frage der Zeit. Dann müssen Kindertagesstätten gebaut werden und Betreuerinnen eingestellt werden. Doch das ist ein hartes und teures Brot – die Stadt kommt nicht hinterher, auch wenn die Zahl der Betreuungseinrichtungen seit 2007 von 197 auf 213 wuchs, die Betreuungskapazität von 17.920 auf 20.041.
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Die Welle ist längst in den Schulen angekommen. Und nicht nur in den Grundschulen, wo die Schülerzahl seit 2007 von 13.408 auf 15.069 wuchs. Die Welle ist jetzt auch in Mittelschulen und Gymnasien angekommen. Allein von 2010 auf 2011 wuchs die Zahl der Mittelschüler von 7.902 auf 8.528, die der Gymnasiasten von 11.196 auf 11.579. Dahinter stecken dann immer Dutzende Klassen und etliche neue Schulgebäude, die gebraucht werden. Und mit jedem Rekordjahr bei den Geburten verstärkt sich der Druck.
Auch aufs Lehrpersonal. Aber selbst in den Zeiten schon steigender Schülerzahlen setzte der Freistaat Sachsen seine grimmige Kürzungspolitik beim Lehrpersonal fort. Die Zahl der Lehrer sank von 3.507 im Jahr 2007 auf 3.399 im Jahr 2011.
Wer will, findet im “Jahrbuch” die Zahlen, die von wachsender Erwerbstätigkeit (und auch prekären Beschäftigungen) erzählen, von einem leider seit Jahren stagnierenden Einkommensniveau, und auch vom permanenten Zuwachs an Kraftfahrzeugen. Was dann einen erstaunlichen Effekt bei den geahndeten Ordnungswidrigkeiten hat: 2011 stiegen die registrierten Ordnungswidrigkeiten im “ruhenden Verkehr” deutlich an. Im Ordnungsamt hat man also sehr wohl registriert, dass in einigen Ortsteilen mittlerweile das Parkchaos herrscht.
Was – auch davon erzählt das “Jahrbuch” – keinesfalls nötig wäre. Denn bei der Verkehrsmittelwahl hat sich nichts wirklich gravierend verschoben, außer dass der ÖPNV Verluste hinnehmen musste – vor allem an Rad- und Fußweg-Anteile. Immerhin hat man im Hause LVB 2012 endlich begriffen, dass man um die Autofahrer werben muss. Wie man das freilich tut, mutet zumindest seltsam an. Man bringt Menschen nicht mit Rabatten und Shopping-Angeboten zum Umsteigen. Eher mit mehr Komfort, zuverlässigerem Einsatz, dichten Taktzeiten und solchen Dingen. Aber gerade in Stresszeiten – man denke nur an die Veranstaltungen im Sportforum, zeigt sich in der Regel, wie knapp auf Kante die LVB mittlerweile fahren.
Etliche der vielen tausend Zahlen im “Jahrbuch” werden natürlich dann, wenn mal wieder Zeit zum Nachprüfen ist, in der L-IZ auftauchen.
Wer selber schmökern will, findet das “Statistische Jahrbuch” ist im Internet unter http://statistik.leipzig.de unter “Veröffentlichungen”. Dort ist auch eine laufend aktualisierte Version des Statistischen Jahrbuchs verfügbar.
Das Jahrbuch ist zudem für 25 Euro (bei Versand zuzüglich Versandkosten) beim Amt für Statistik und Wahlen erhältlich. Postbezug: Stadt Leipzig, Amt für Statistik und Wahlen, 04092 Leipzig. Direktbezug: Stadt Leipzig, Amt für Statistik und Wahlen, Burgplatz 1, Stadthaus, Zimmer 228.
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