Der Sommer ist vorbei. Es werden wieder Leute eingestellt. Die Arbeitslosenzahlen, die Arbeitsagentur und Jobcenter ausspucken, sinken. Manchem nicht genug. Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Frank-J. Weise, murmelte am Donnerstag, 27. September, etwas von nachlassender Dynamik, die mittlerweile den Arbeitsmarkt beeinflusse.

“Mit Beginn der Herbstbelebung ist die Zahl der arbeitslosen Menschen im September zurückgegangen. Die schwächere wirtschaftliche Entwicklung wirkt sich auf den Arbeitsmarkt aus, allerdings zeigt sich der Arbeitsmarkt insgesamt robust”, sagte er auf der üblichen monatlichen Pressekonferenz.

Andere Orakelleser werden sich dann eher über die lokal so hübsch sinkenden Zahlen freuen. In Leipzig zum Beispiel ging’s offiziell wieder unter die 30.000er-Marke: 29.169 als arbeitslos Registrierte wurden gezählt, 1.794 weniger als im August, 2.787 weniger als im Vorjahr. Was die Arbeitslosenrate auf 10,9 Prozent drückte. Im August standen hier noch 11,6 Prozent, im Vorjahr 12,2 Prozent.

Ob das tatsächlich einen echten Beschäftigungsaufbau darstellt, wird man erst sehen, wenn die Arbeitsagentur auch die Zahlen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten vorlegt. Und die nächste Bürgerumfrage ausgewertet wird, die derzeit in Arbeit ist. Denn da zeigt sich dann das eigentlich wichtige Kriterium: die Einkommensentwicklung.

In den Reden etlicher Schönwetterpolitiker ist ja eine Tätigkeit schon deshalb wertvoll, weil die Leute irgendetwas tun, wofür sie alimentiert werden. Auch wenn die Alimente nicht mal für Butter und Obst reichen. So langsam sickert selbst in die Kreise konservativer sächsischer Politiker die Erkenntnis, dass das Lohnniveau irgendwie etwas mit dem Bruttoinlandsprodukt, der wirtschaftlichen Entwicklung und dem innerdeutschen Aufholprozess zu tun haben könnte. Den es ja seit 12 Jahren nicht mehr gibt. Seit 2008 macht sich sogar der Effekt bemerkbar, dass die ostdeutschen Bundesländer wieder an Boden verlieren, weil, eben Dienstleistungen und verlängerte Werkbänke allein nicht reichen, eine selbsttragende Wirtschaft zu etablieren.

Und selbst “Spiegel Online” lässt mittlerweile die bislang eher unerwünschte Erkenntnis zu, dass die von Helmut Kohl zusammengeschusterte deutsche Einheit ein Fehler war. Ein finanzieller und ein wirtschaftlicher Fehler. Man kann nicht ein Land komplett von seiner (wenn auch so demolierten) Wirtschaft befreien und dann glauben, mit jahrelangen Finanzspritzen würde da wieder etwas Eigenes sprießen. “Blühende Landschaften”, wie es der große Oggersheimer nannte.
Das Problem war damals und ist es auch heute noch: Wirtschaft als komplexen Prozess zu betrachten, komplexer als das, was die neoliberalen Wirtschaftstheoretiker so gern den “Markt” nennen. Eine Gesellschaft ist mehr als ein Markt.

Aber die Regierung Schröder mit ihrem wahnwitzigen “Hartz-Reform-Paket” tutete ja bekanntlich ins selbst Horn, pries die Deregulierung, behauptete, man müsse Sozialtransfer-Empfänger in den “Arbeitsmarkt” integrieren – und erreichte nur eine neue Runde der Verschuldung in den deutschen Kommunen, die für alle handwerklichen Fehler mit echtem Geld einstehen müssen. Geld, das für andere kommunale Aufgaben fehlt.

“Das Sommerloch liegt hinter uns und die Zahl der arbeitslosen Menschen, die vom Jobcenter betreut werden ist im September um 1.400 Personen kräftig zurückgegangen. Im Vergleich zum Vorjahr beträgt der Rückgang über 3.000 Personen und im Vergleich zum September 2005, dem Jahr der Einführung von Hartz IV, beträgt der Rückgang stolze 12.100 Menschen. Erstmals seit Einführung des Sozialgesetzbuch II liegt die Zahl der von uns betreuten Menschen unter 24.000. Das ist ein sehr beachtlicher Erfolg, den wir mit unseren Vermittlungsfachkräften erreicht haben. Gleichwohl ist die Arbeitslosigkeit in Leipzig weiterhin hoch und wir werden daher nicht locker lassen, um die Zahl der Menschen, die auf Unterstützung des Jobcenters angewiesen sind, weiter zu senken”, freut sich Dr. Simone Simon, Geschäftsführerin des Jobcenters Leipzig anlässlich der Veröffentlichung der aktuellen Arbeitsmarktzahlen.

Unter den als arbeitslos Gezählten gibt es ja noch die Untergruppe der arbeitslosen Arbeitslosengeld-II-Empfänger, die jetzt im Vergleich zum Vormonat um 1.403 Personen auf 23.044 gesunken ist.

Insgesamt sank die Zahl der Leistungsempfänger 73.217, 891 weniger als im Vormonat. Es bleibt also dabei: Der Sockel der Bedürftigkeit schmilzt langsamer ab als die Zahl der als arbeitslos Gezählten. Entsprechend war auch der Rückgang der Zahl der Bedarfsgemeinschaften auf 43.907, 586 weniger als im August.

Nicht ersichtlich wird natürlich aus dieser Statistik die Rolle der demographischen Entwicklung. Denn die sächsische Beschäftigungslage muss natürlich auch seit zwei Jahren auf die quasi halbierten Schulabgängerzahlen reagieren. Sie muss die frei werdenden Arbeitsplätze zwangsläufig auch verstärkt mit Personen aus dem Bereich von Arbeitsagentur und Jobcenter besetzen. Auch mit arbeitslosen Ausländern, bei denen sich viele Arbeitgeber bislang noch schwer taten. Und sie tun sich weiter schwer.

Die Zahl der arbeitslosen Ausländer in Betreuung des Jobcenters liegt bei 2.410. Das sind 130 weniger als im Vormonat und 280 weniger als im Vorjahresmonat.

Nur zum Vergleich die Jugendlichen, die in der Regel ja nur kurz über den Sommer im Jobcenter auftauchen, bevor sie eine Anstellung finden: Das Jobcenter Leipzig betreut aktuell 2.275 Jugendliche unter 25 Jahren. Das sind 341 Jugendliche weniger als im Vormonat und 417 Jugendliche weniger als im September 2011. Hier kann man wirklich annehmen, dass sie Tritt gefasst haben im Erwerbsleben.

Was bei den arbeitslosen Personen über 50 Jahre so eindeutig nicht ist. Hier ist die Zahl mit aktuell 6.224 im Vergleich zum Vormonat um 404 gefallen. Im Vergleich zum Vorjahresmonat ist die Zahl freilich nur um 481 Personen gesunken. Das deutet nach wie vor nicht darauf hin, dass diese Altersgruppe wieder verstärkt Zugang zum Arbeitsmarkt bekommt, eher zu diversen Arbeitsgelegenheiten (AGH). Da wurden im September 2.729 Personen (August 2012: 2.479) beschäftigt. Und im Rahmen des Bundesprogramms Bürgerarbeit waren es 500 Personen (August 2012: 502).

www.leipzig.de/jobcenter
www.mehrwert50plus.de

Wolfgang Münchaus Beitrag auf “SPON”: “Warum schon die deutsche Einheit ein Fehler war”:
www.spiegel.de/wirtschaft/wolfgang-muenchau-kohls-wiedervereinigung-ist-ursache-der-euro-krise-a-858064.html

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