Die Jubel-Meldungen zum tollen sächsischen Arbeitsmarkt reißen nicht ab. Man klopft sich fröhlich auf die Schultern. Die offiziell registrierten Arbeitslosenzahlen sinken. Doch hinter den Kulissen steigen Jahr für Jahr die Zahlen der ALG-II-Empfänger, die eigentlich Arbeit haben - davon aber nicht leben können. 108.918 waren es 2010. Ein Jahr später waren es schon 113.955, wie der Leipziger Landtagsabgeordnete Dr. Dietmar Pellmann (Die Linke) erfragte.

Die Sozialministerin Christine Clauß antwortete ihm am 3. Juli auf seine Kleine Anfrage “Hartz-IV-Aufstocker Ende 2011 in Sachsen”, verwies ihn auch darauf, dass die Bundesagentur für Arbeit die Zahlen ebenfalls veröffentlicht.

Aber eine Kleine Anfrage macht die Sachlage offiziell. Und sie zeigt auch, dass nach einem kurzen Rückgang 2010 die Zahl derjenigen ALG-II-Bezieher, die eigentlich nicht arbeitslos sind, wieder steigt. 2009 hatte die Zahl der Erwerbstätigen, die trotz Arbeit ALG II bezogen, schon einmal bei 114.921 gelegen, war 2010 dann gesunken, zog 2011 aber wieder an. Und das, obwohl die Zahl der erwerbsfähigen ALG-II-Bezieher über den ganzen Zeitraum sank – von 377.954 auf 351.184 im Jahr 2010 und auf 321.993 im Jahr 2011. Das heißt: Der Anteil derjenigen, die auf ALG II angewiesen sind, obwohl sie Arbeit haben, stieg von 30,4 % auf 31,0 % und dann 2011 auf 35,4 Prozent.

“Die monatlichen Jubelmeldungen über den Rückgang der offiziell registrierten Arbeitslosen in Sachsen sind nach wie vor mit allergrößter Vorsicht zu genießen”, stellt denn auch der sozialpolitische Sprecher der Fraktion Die Linke fest. “Immerhin waren Ende 2011 fast 114.000 Erwerbstätige auf ergänzendes Arbeitslosengeld II angewiesen, weil ihr erzieltes Einkommen unterhalb der Hartz-IV-Bedarfsgrenze lag. Das waren immerhin 35,4 Prozent der Bezieher von Arbeitslosengeld II. Dieser Anteil war im Vergleich zu Ende 2009 sogar um 5 Prozent gestiegen. Ende 2011 übten mehr als 13.000 auf Hartz-IV-Leistungen Angewiesene eine selbstständige Tätigkeit aus. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der Aufstocker nahm gegenüber Ende 2009 um 4 Prozent zu.”Und eindeutig als Hochburg der schlecht bezahlten Jobs erweist sich auch in dieser Statistik Leipzig. Hier stieg die Zahl der abhängig Beschäftigten, die auf ALG II angewiesen waren, von 18.039 im Jahr 2009 auf 20.750 im Jahr darauf und fiel dann 2011 leicht auf 19.553. Erst ein ganzes Stück dahinter kommt Dresden mit 14.472

“Diese Angaben belegen, dass Sachsen trotz zwischenzeitlicher Konjunktur bei der Überwindung der Arbeitslosigkeit noch lange nicht über dem Berg ist und Land der Minijobs und Niedriglöhne bleibt”, stellt Pellmann fest. “Deshalb setzt sich die Linksfraktion nicht nur generell für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn ein, der über der Armutsgrenze liegen muss. Sie stellt die Minijobs grundsätzlich in Frage, weil sie Existenz sichernde Arbeitsplätze vernichten.”

Das Thema dürfte gerade in Dresden jetzt interessant werden, denn dort stieg die Zahl dieser Minijobber binnen Jahresfrist von 12.623 auf besagte 14.472. Was eben darauf hindeutet, dass Leipzig zwar besonders leidet unter dem Phänomen, dahinter aber ein gesamtsächsisches Strukturproblem steckt. Es betrifft eben nicht nur das “arme” Leipzig, wenn Niedriglöhne als Teil sächsischer Standortpolitik verstanden werden.

Die Zahlen von 2011 in der Kleinen Anfrage: http://edas.landtag.sachsen.de

Die Zahlen für die beiden Vorjahre: http://edas.landtag.sachsen.de

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