Eigentlich geht nichts mehr auf dem Markt, um den sich die fünf großen Dicounter-Ketten Aldi, Lidl, Netto, Norma und Penny in Deutschland prügeln. Das Land ist zugepflastert mit den Billigmärkten. Zuletzt versuchten die Fünf 2010, sich mit einer Rabattschlacht gegenseitig aus dem Feld zu schlagen. Im Mai gab es jetzt einen ganz zaghaften Versuch. Das haben auch Sachsens Statistiker registriert.
Obwohl sie sich natürlich hüten, Ursachenforschung zu betreiben. Sie registrieren nur, liefern monatlich die neuen Gesamtdaten zu den Verbraucherpreisen, erläutern nur das sichtbare Auf und Ab. “Erstmals seit Januar letzten Jahres wurde in diesem Monat, der für die Eurozone wichtige Schwellenwert der Jahresteuerungsrate wieder unterschritten”, teilen sie mit.
Dieser Schwellenwert sind statistische 2 Prozent. 1,9 Prozent waren es im Mai. Die Milchprodukte, die wieder einmal Aktionsmasse der Preis-Muskelspiele war, spielt dabei freilich nur eine Nebenrolle. Hauptrolle, wie eigentlich regelmäßig in den letzten Jahren, spielte der Ölpreis. Der war um die Oster-Feiertage kräftig gestiegen. Nicht nur wegen des vermehrten Spriteinkaufs all der Deutschen, die sich ein Osterfest ohne Stau gar nicht mehr vorstellen wollen. Auch wegen heftiger Spekulationen mit den handelbaren Ölvorräten.
Immer wieder neue Handelswaren werden in jüngerer Zeit Objekt solcher kurzzeitigen Spekulationen – mal sind es Nahrungsmittel, mal Edelmetalle, mal Öl. Alles Dinge, die bei laufendem Betrieb in den Industriegesellschaften schnell knapp werden können, wenn irgendwo die Kreisläufe unterbrochen werden, Vorräte gebunkert, Angebote künstlich verknappt werden.
Im Mai hieß es dann bei den Ölspekulationen: Kontingente abstoßen. Der Preis fiel wieder. Was sich als wichtigster Dämpfer für den Verbraucherpreisindex in Sachsen erwies. Deutlicher kann man wohl nicht sichtbar machen, wie eng die Preise hier mit den Spekulationen an den Börsen zusammenhängen. Da scheinen dann selbst die Statistiker in Kamenz zu jubeln: ” Speziell Autobesitzer dürfte es gefreut haben, dass seit Mitte Mai die Preise für den Liter ‘Diesel’ (-3,0 Prozent) und ‘Superbenzin’ (-3,4 Prozent) nachgaben. Ungeachtet dessen zahlte man dennoch im Schnitt reichlich 5 bzw. 2 Prozent mehr für die Tankfüllung als vor einem Jahr.”
Was im Klartext heißt: Die Ware Öl an sich wird von Jahr zu Jahr trotzdem teurer, weil knapper. Womit sie sich freilich für kurzfristige Spekulationen geradezu anbietet.
Andere Preise hängen mit den diversen Feiertagen zusammen. In diesem Fall als Teuerungsfaktor. Das Landesamt für Statistik dazu: “Die vielen freien Tage in diesem Monat könnten mitbestimmend für die Teuerungen bei ‘Beherbergungs-‘ (3,1 Prozent) sowie ‘Sport- und Erholungsdienstleistungen’ (0,1 Prozent) gewesen sein. So kostete die Unterkunft im ‘Hotel’ bzw. in der ‘Ferienwohnung’ fast 4 Prozent, ein Zimmer in der ‘Jugendherberge’ rund 3 Prozent mehr als im April.”
Was viele Sachsen natürlich nicht die Bohne interessiert, weil sie auch Pfingsten lieber daheim verbrachten. Mancher aus rein pekuniären Gründen. Das Geld, das in der Börse ist, geht immer deutlicher schon für den täglichen Einkauf drauf. Nahrungsmittel waren im Mai 2012 um 2,0 Prozent teurer als im Vorjahresmonat. Und das sollte schon verblüffen, wenn die Statistiker – nachdem Anfang des Monats noch von einem neuen Preisauftrieb bei Milchprodukten geredet wurde – zum Monatsende tatsächlich melden: “Speisefette und -öle” (-4,8 Prozent) sowie “Molkereiprodukte und Eier” (-1,1 Prozent) wurden sichtlich billiger. “Insbesondere die deutlichen Preisrückgänge bei ‘Butter’ (-8,5 Prozent), ‘Sahne’ (-6,5 Prozent), ‘H-Milch’ (-4,6 Prozent), ‘Kondensmilch’ (-3,9 Prozent) und ‘Quark’ (-2,7 Prozent) im Mai beeinflussten die Jahresentwicklungen.”
Und sie verwirren den Käufer im Markt, der mit Sonderangeboten nun glaubt, wieder was zu sparen. Denn tatsächlich wird vieles Andere im Markt im Gegenzug teurer. Nicht nur all die Produkte für die Grillsaison, wie die Statistiker vermelden: “Zwar luden die ersten hochsommerlichen Temperaturen zum Grillen ein, jedoch musste für die Beschaffung der Zutaten wie ‘Bratwurst’ (2,3 Prozent), ‘Steak’ (0,7 Prozent), ‘Brötchen’ (1,0 Prozent), ‘Weißbrot’ (0,7 Prozent), ‘Senf’ (0,4 Prozent) oder ‘Grillsoße’ (1,8 Prozent) mehr an finanziellen Mitteln eingeplant werden. Auch ‘Grillkohle’ war im Schnitt 0,4 Prozent teurer. Lediglich das ‘Bierchen’ (-0,6 Prozent) erhellte so die Stimmung.”
Man sieht: Auch Statistiker haben einen Hang zur Sentimentalität.
Die nüchterne Wahrheit: Nahrungsmittelpreise in Deutschland kennen eigentlich nur noch einen Weg wirklich – den nach oben. Beispiel Bratwürste: Fleisch und Fleischwaren wurden seit Mai 2011 um satte 5,3 Prozent teurer, kosten mittlerweile sogar 23 Prozent mehr als 2005.
Gemüse ist zwar billiger als vor einem Jahr (- 3,9 Prozent), ist aber trotzdem 24,8 Prozent teurer als 2005. Fische und Fischwaren haben sich nicht ohne Grund weiter verteuert: um 7,7 Prozent seit Mai 2011, gegenüber 2005 mittlerweile um 29,2 Prozent. Ein direkter Zusammenhang mit der Überfischung der Meere ist wahrscheinlich. Obst ist 21,8 Prozent teurer als 2005. Wer da einen der üblichen Leipziger Normalverdienste um oder gar unter 1.000 Euro im Monat hat, weiß, wie das das Budget auffrisst. Und wie unpassend dann jedes Mal die Nachforderungen der Vermieter für die Nebenkosten kommen. Aber auch Heizen ist ja teurer geworden. Das kann durch den leichten Preisabfall bei Milchprodukten nicht wirklich aufgefangen werden.
Keine Kommentare bisher