Der extreme Frost in der ersten Februarhälfte hat Elke Griese, die Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Leipzig, dann doch überrascht. Eigentlich hatte sie im Februar schon mit sinkenden Arbeitslosenzahlen gerechnet. "Entgegen meinen Erwartungen stieg auch im Februar die Zahl der Arbeitslosen deutlich an", sagte sie am Mittwoch, 29. Februar.
Da stellten Arbeitsagentur und Jobcenter ihre Zahlen für den Februar vor. Von Entwarnung keine Spur. Ein bisschen Winter zeigt nur, wie labil das ist, was man so Arbeitsmarkt nennt im Land. Wär’s einer, die Preise müssten eigentlich steigen, wo der Nachschub stockt. Aber die Preise steigen noch lange nicht. Der Puffer ist noch zu groß.
Auch bundesweit stieg die Arbeitslosigkeit um 26.000 auf 3.110.000. Das ist die Zahl, die die Politiker so gern streicheln. Die andere ist diese hier: “Im Februar belief sich die Unterbeschäftigung auf 4.151.000, 420.000 weniger als vor einem Jahr. Sie ist damit – wegen der Abnahme der entlastenden Arbeitsmarktpolitik – stärker gesunken als die Zahl der Arbeitslosen.”
“Entlastende Arbeitsmarktpolitik” nennt die Bundesagentur für Arbeit das, was vor ein paar Jahren noch Förderpolitik oder Förderinstrumente hieß. Neue Worte für neue Missverständnisse. Die “Abnahme” führt gerade zu massiven Problemen in der Ausstattung von Vereinen und Verbänden. Diese Förderung hätte eigentlich nie hier hineingehört. Aber sie war hier so lange gut platziert, wie den gesetzumwurstelnden Politikern klar war, warum sie bestimmte Förderungen hier mit hineingepackt haben.
Die neue Arbeitsministerin weiß davon augenscheinlich nichts. Sie will die Welt schön einfach haben. Weg damit. Ist ja nicht ihr Ärger.
Und so liegt es eben doch nicht nur am starken Frost im Februar, dass es zu vielen Arbeitslosmeldungen kam – aus dem Bau und anderen witterungsabhängigen Berufen zum Beispiel.
“Vor einem Jahr lag der Anstieg im Vergleich zum Vormonat nur bei 44. Da hatten wir im Februar aber auch keinen langanhaltenden und starken Frost”, sagt Griese. “Trotz des weiteren Anstiegs der Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Januar gab es im Agenturbezirk Leipzig im Februar 2012 fast 4.000 arbeitslose Menschen weniger als im Februar 2011.”
Schön. Und auch nicht ganz korrekt. Denn vor einem Jahr gab’s statt starkem Frost bekanntermaßen Schnee, der das Bauen genauso gut verhindert. Mit Frost übrigens bis zum 8. März. Man kann sich ja das Wetter schön reden. Irgendwann passt es zu den Zahlen.
Aber auch Dr. Simone Simon, Geschäftsführerin des Jobcenter Leipzig, ist sich sicher: “Die Arbeitsmarktentwicklung im Februar knüpft an die gute Entwicklung des letzten Jahres an. Der aktuelle Anstieg der Arbeitslosigkeit in Leipzig hat rein jahreszeitliche Gründe. Gemessen am Februar des Vorjahres betreut unser Jobcenter 2.181 arbeitslose Arbeitslosengeld-II-Empfänger weniger – das ist ein gutes Ergebnis.”
Kleiner Seitenschwenk zur “entlastenden Arbeitsmarktpolitik”: Mit Hilfe von Arbeitsgelegenheiten (AGH) wurden im Februar 2012 nur noch 1.195 (Januar 2012: 1.443) Personen auf dem zweiten Arbeitsmarkt beschäftigt. Im Rahmen des Bundesprogramms Bürgerarbeit waren 449 (Januar 2012: 400) Personen tätig. – Unübersehbar: Die Zunahme bei der 2010 von Ursula von der Leyen erfundenen “Bürgerarbeit” hat den Rückgang bei den AGH nicht kompensiert.
Was dann zum Ergebnis im Februar wohl doch stärker beitrug als Väterchen Frost. Die Zahl der arbeitslosen Arbeitslosengeld-II-Empfänger ist so im Jobcenter Leipzig um 391 Personen gestiegen – auf nunmehr 26.512.
In der Arbeitsagentur selbst, wo in der Regel die “wegen Winterzuständen” vorübergehend freigesetzten Arbeitskräfte aufschlagen, gab es einen Zuwachs von 184 arbeitslosen Personen. In der Summe dann: 575. Was deutlich mehr ist als im gleichgroßen Dresden. Dort gab’s nur einen Zuwachs von 239 Personen – Zeichen wahrscheinlich für einen wesentlich stabileren Arbeitsmarkt. Dresden bleibt mit 9,8 Prozent (offizieller) Arbeitslosigkeit weiter unter der 10-Prozentmarke. Leipzig liegt jetzt bei 12,9 Prozent.
Eine Zahl, die in Leipzig zusätzlich beschattet ist durch den hohen Anteil von Leistungsempfängern nach SGB II – unter den gezählten Arbeitslosen immerhin 79 Prozent. Die Zahl der Leistungsempfänger nach dem SGB II im Jobcenter Leipzig ist im Februar auf 74.617 Personen gestiegen (Januar 2012: 74.098). Die Männer und Frauen wurden in 44.849 Bedarfsgemeinschaften (Januar 2012: 44.423) betreut. Unterstützendes Sozialgeld ist an 17.950 Personen (Januar 2012: 17.930) zur Auszahlung gekommen.
Mit 12,9 Prozent hat Leipzig übrigens jetzt den Landkreis Nordsachsen unterboten, der im Februar 13,0 Prozent Arbeitslosigkeit verzeichnete. In den letzten Jahren hatten die beiden angrenzenden Landkreise immer eine niedrigere Arbeitslosenrate als Leipzig. Sie profitierten zumindest statistisch davon, dass Leipzig insbesondere besser honorierten Arbeitnehmern aus dem Umland Arbeit verschaffte. Das überdeckte auch die eigenen strukturellen Probleme der Wirtschaft in den Landkreisen und auch das bis heute sichtbare Fehlen einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik.
Der Versuch, eine gemeinsame Wirtschaftsförderung auf die Beine zu stellen, wird von manchem Marktbeobachter durchaus kritisch gesehen, auch wenn sich die Region damit durchaus helfen könnte, wenn es die Akteure nur fertigbringen würden, ihren parteipolitischen Provinzialismus abzulegen. Aber das scheinen sie alle nicht fertigzubringen. Der gute Wille endet an der Kreisgrenze. Man könnte ja gemeinsam selbst im fernen Dresden was bewirken. Aber dazu bräuchte es wahrscheinlich Format und größeren Atem.
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