Bei meinem Aufenthalt im Europaparlament musste ich selbstverständlich auch mit Abgeordneten von Kleinparteien aus Deutschland sprechen, die als Einzelkämpfer ihre Partei dort vertreten. Aus Zeitgründen habe ich mich für ein Gespräch mit Manuela Ripa von der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) entschieden. Was können diese Abgeordneten eigentlich im Parlament erreichen? Ich traf Frau Ripa am 12. März in ihrem Abgeordnetenbüro.

Frau Ripa, Sie sind Europaabgeordnete für die ÖDP und in der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten). Sie kamen als Nachrücker im Juli 2020 ins Europaparlament, wurden 2024 erneut gewählt. Für Ihre Fraktion sind Sie im Ausschuss für Kultur und Bildung, der Delegation für die Beziehungen zu den Ländern des Mercosur und als Stellvertreterin in den Ausschüssen für Umwelt, Klima und Lebensmittelsicherheit und dem für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter. Wie ist es denn als Einzelabgeordnete einer Kleinpartei, die ist ja die ÖDP nun mal, im Europaparlament?

Ich hätte natürlich gerne mehr Leute von der ÖDP hier vertreten, das ist keine Frage, aber man kann auch als einzelne Abgeordnete viel erreichen, muss ich sagen. Das Europäische Parlament ist ja nicht wie der Bundestag, wo wir Regierung und Opposition haben, sondern hier gehört man einer Fraktion an, Sie haben es eben schon angesprochen, ich gehöre der EVP-Fraktion an, da haben wir allein 54 unterschiedliche Parteien. Da sehen Sie schon, dass das nicht so ein Konstrukt ist wie im Bundestag.

Hier im Europäischen Parlament geht es auch viel mehr um das Thema, also es werden Mehrheiten um ein bestimmtes Thema gebildet. Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel, ich war in der vergangenen Legislaturperiode Berichterstatterin für das gesamte Parlament für Wasch- und Reinigungsmittel. Da habe ich den Ton angegeben, was dieses Gesetz angeht, habe natürlich meine ökologischen Inhalte da reingebracht und letztendlich wurde das dann mit großer Mehrheit im Europäischen Parlament verabschiedet.

Da sehen Sie, dass man auch als einzelne Abgeordnete durchaus viel erreichen kann. Jetzt im Augenblick arbeite ich daran, am Wohlergehen von Hunden und Katzen, da bin ich im Umweltausschuss Berichterstatterin. Und dann kann man als Berichterstatter natürlich sich dort einbringen und seine Akzente setzen.

Klingt schon mal positiv. Wir haben die veränderten Beziehungen zu unseren US-amerikanischen Freunden, wenn sie noch welche sind. Das wirkt sich dann auf die Beziehungen zu den Mercosur-Ländern aus, die ja auch wieder abhängig von den USA sind: Im Bereich Umwelt, Klima, Lebensmittelsicherheit, ich erinnere an die Verhandlungen zu TTIP, da sollten Lebensmittel aus den USA zu uns importiert werden, die nicht unseren Standards entsprechen. Da wird die Trump-Regierung jetzt wieder versuchen, das durchzusetzen. Wie wirken sich diese veränderten Beziehungen auf Ihre Arbeit in den Ausschüssen aus?

Also grundsätzlich, es stimmt, mit der Wiederwahl Trump gibt es das transatlantische Verhältnis, so wie es vorher Bestand hatte, nicht mehr. Das ist uns allen schlagartig klar geworden, gerade jetzt als letztes mit dem Eklat, der im Weißen Haus vor zwei Wochen passiert ist, wo Selenskyj vorgeführt wurde. Da muss man ja schon sagen, das hat uns allen die Augen geöffnet.

Also ich habe, bevor Trump gewählt wurde, mit meinen Kollegen gesprochen und sie meinten alle, diesmal sind wir vorbereitet, was kommt. Aber ich muss sagen, man kann sich auf Trump nicht vorbereiten. Es gibt sehr, sehr viele Risiken. Es ist erschreckend zu sehen, wie im Augenblick die Weltordnung ins Wanken geraten ist. Aber ich sehe das einfach auch als ganz große Chance für Europa. Wir müssen jetzt die Chance am Schopf ergreifen. Ich stelle da auch schon eine Veränderung im Europäischen Parlament fest.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel. In der vergangenen Legislaturperiode habe ich mich ganz stark für „Made in Europe“ eingesetzt, dass wir die Wertschöpfung in Europa erhalten müssen, dass wir viel mehr Produkte in Europa herstellen müssen und diese auch anwenden müssen. Zum Beispiel grüner Stahl. Wir möchten dekarbonisierten Stahl haben. Dann müssen wir natürlich in der öffentlichen Auftragsvergabe auch reinschreiben, dass wir diesen Stahl kaufen. Da bin ich auf taube Ohren gestoßen bei meinen deutschen Kollegen, egal in welcher Fraktion sie waren.

Jetzt, wo klar ist, was Trump für einen Kurs fährt, ist dieser „Made in Europe“-Gedanke ganz präsent. Und das ist eben eine Riesenchance, dass wir uns als Europa lossagen, dass wir auftreten als eine Einheit, soweit das möglich ist bei 27 Mitgliedstaaten und dass wir uns dem entgegenstellen können. Seit Trump jetzt an der Macht ist, werden die Rufe auch im Europäischen Parlament lauter, dass man jetzt dieses Mercosur-Abkommen unbedingt abschließen muss. Denn wir brauchen Mercosur, als Handelspartner für die Staaten, wird gesagt. Wir als ÖDP sind gegen dieses Handelsabkommen. Wir sind da sehr kritisch. Wir sagen, wir möchten ein Fair-Handelsabkommen und keine Freihandelsabkommen.

Und ich sehe es nicht als Lösung, schnell ein Mercosur-Abkommen zu schließen, nur weil man denkt, dass der Partner Amerika wegfällt. Denn es ist ganz klar, dass Mercosur einfach zu mehr Umweltzerstörung beitragen würde und auch eine große Schlechterstellung für unsere europäischen Bauern bedeuten würde. Das Parlament, muss ich sagen, ist da noch gespalten. Wir müssen sehen wie sich das entwickelt. Aber man darf jetzt nicht aufgrund von Trump irgendwelche Schnellschüsse in eine andere Richtung machen.

Sie sind, wenn auch nur Stellvertreterin, im Ausschuss für die Rechte der Frauen und Gleichstellung der Geschlechter. Gestern wurde über die „Roadmap for Women’s Rights“ gesprochen. Ich nehme an, Sie haben die Diskussion verfolgt. Es war eine sehr emotionale Diskussion und teilweise auch sehr rechtslastig, gerade in Bezug auf Migration. Wie schätzen Sie das ein? Die Mehrheiten sind ja nicht mehr so wie im letzten Parlament.

Das stimmt. Es hat sich sehr viel verändert seit der letzten Wahl. Wir haben jetzt drei rechtspopulistische Fraktionen. Diese Fraktionen sind Dritt- und Viertstärkste Fraktion plus Siebtstärkste Fraktion, da merken wir, dass sich das Gleichgewicht hier verschoben hat. Wir haben es auch gemerkt in den Plenardebatten, die sich durchaus sehr stark verändert haben, weil die Rechtspopulisten immer mehr einfach ihre Behauptungen reinschreien ins Plenum und es eine viel schärfere Diskussion gibt.

Aber dem müssen wir uns entgegenstellen. Wir müssen die Mitte stärken und wir müssen immer ganz klarmachen, wofür die Rechtspopulisten stehen. Die Rechtspopulisten stehen für eine Schwächung Europas. Sie möchten kein starkes Europa. Aber wenn wir eine Antwort, weil Sie eben Trump angesprochen haben, auf Amerika haben wollen, dann muss es ein starkes Europa sein und kein schwaches Europa. Die rechtspopulistischen Fraktionen müssten immer weiter zurück in ihre Mitgliedstaaten denken. Das kann nicht die Antwort auf Trump sein.

Und weil Sie eben die Migration angesprochen haben, da benutzen die sehr oft Vorurteile als Mittel, als Waffe schon, kann man sagen. Sprache ist ja auch oftmals eine Waffe. Und damit führen Sie einseitig Ihre Ansichten ins Europäische Parlament. Und dem muss man nicht durch irgendwie eine „Wir reden nicht mit denen“-Mentalität herangehen, sondern man muss sie stellen und man muss dann jedes Mal klarmachen, dass sie genau falsch liegen mit ihren Behauptungen.

Sie sagten vorhin, Sie sind Berichterstatterin für Hunde und Katzen. Was bedeutet das konkret?

Ich bin ja auch Vizepräsidentin der Tierschutzgruppe des Europäischen Parlaments. Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode sehr dafür gekämpft, dass es dieses Gesetz gibt, also einheitliche Standards für das Halten von Hunden und Katzen, für das Züchten von Hunden und Katzen. Denn wir haben es sehr, viel mit illegalem Welpenhandel zu tun. Und gerade in der Corona-Pandemie, wo dann plötzlich jeder sagte, er brauche jetzt ein Haustier, weil er plötzlich Zeit dafür hatte, hat sich der illegale Welpenhandel sehr verstärkt.

Die meisten Menschen bestellen über das Internet Tiere und die kommen meist aus ganz schrecklichen Verhältnissen, sind psychisch gestört oder haben Krankheiten. Und das wollen wir mit dem Gesetz angehen. Wir möchten den illegalen Welpenhandel verhindern. Wir möchten aber auch, dass die Zuchtbedingungen in Europa vereinheitlicht werden, also wie Hunde und Katzen gehalten werden sollen, gezüchtet werden, aber auch wie sie in Tierheimen gehalten werden.

Und das soll eben zum Wohlergehen dieser Tiere sein. Viele sehen ja auch oftmals ihr Tier als Familienmitglied an und deswegen denke ich, ist es überaus notwendig, dass wir dieses Gesetz bekommen.

Kurze Nachfrage zur Hundehaltung: Geht es da rein um Zucht, Handel und Tierheime oder auch darum, dass die Tiere auch im privaten Bereich artgerecht gehalten werden?

Es geht vor allem darum, Qualzucht zu verbieten. Das ist ein ganz entscheidender Punkt dieses Gesetzes. Also dass nicht mehr so kurze Schnauzen oder sonst was gezüchtet werden, mit denen die Tiere nicht mehr atmen können. Das geht das Gesetz an. Aber es soll natürlich auch den Besitzern gegenüber immer wieder klargemacht werden, was es bedeutet, ein Tier zu halten. Und dass die Tiere auch entsprechend gehalten werden müssen, dass sie nicht eben unverhältnismäßig gehalten werden sollen. Aber Hauptziel dieses Gesetzes ist wirklich die Zucht und der Handel von den Tieren.

Also bedeutet es keinen Eingriff in die private Haltung von Tieren?

Da ist auch immer wieder die Frage mit diesem Eingriff in die Privatsphäre. Ich meine, ein Tier zu haben, das ist ja auch mit bestimmten Verpflichtungen verbunden. Und weil Sie das gerade ansprechen, das Gesetz sieht vor, dass Tiere, die in den Verkehr gebracht, also gehandelt werden, mit einem Chip versehen werden. Ich würde das Gesetz aber sehr gerne erweitern auf alle Hunde und Katzen. Warum? Erstens, weil man so Streuner oder Tiere, die entlaufen, viel schneller findet. Zweitens, weil Tierheime entlastet werden. In Tierheimen finden sich ganz viele Fundtiere. Das belastet die Tierheime. Das sind natürlich auch Kosten für die Kommunen. Das würde dadurch verhindert werden.

Und dann kommen eben einige und sagen: Ja, aber das ist ein Eingriff in den Privathaushalt. Das sehe ich aber nicht so, denn es ist genau das Gegenteil. Wir wälzen die Kosten nicht auf die Allgemeinheit ab, sondern der Besitzer muss sich verantwortungsvoll um das Tier kümmern. Und darum geht es! Das würde dann vielleicht auch verhindern, dass jemand sich kurzfristig ein Tier kauft und dann feststellt: In zwei Wochen fahre ich ja in den Urlaub, was mache ich damit?

Gut, setze ich das Tier wieder aus. Das wäre dann in dem Fall nicht möglich. Deswegen, also ich denke, das trägt zur „Responsible Ownership“, wie es so schön auf Englisch heißt, also zur verantwortungsvollen Haltung dieser Tiere bei.

Frau Ripa, ich bedanke mich für das Gespräch.

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