Es war ein beeindruckender Demonstrationszug der städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dem Aufruf von ver.di und GEW zum Warnstreik und zur Demonstration am Mittwoch, dem 12. Februar, in Leipzig folgten. Die Demonstration der ver.di-Mitglieder begann am Technischen Rathaus und traf auf dem Richard-Wagner-Platz, bei einer Zwischenkundgebung, auf die GEW-Mitglieder. Mit etwa 800 Menschen ging es gemeinsam zur Abschlusskundgebung auf dem Burgplatz.

Auch wenn die Stadt Leipzig mit ihren Informationen zum Streik in den kommunalen Kindertageseinrichtungen und Horten der Stadt Leipzig, wahrscheinlich unbeabsichtigt, den Eindruck erweckte, es ginge um einen Kita-Streik (was auch von einigen Medien aufgegriffen wurde): Es ging um weitaus mehr.

Demonstration der städtischen Angestellten auf dem Burgplatz. Foto: Thomas Köhler
Demonstration der städtischen Angestellten auf dem Burgplatz. Foto: Thomas Köhler

Die Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt Leipzig treffen ja nicht nur in Kitas und Horten auf städtische Angestellte. Diese räumen unseren Müll weg, ob den in Tonnen oder den von Gehwegen, Grünanlagen, Gehwegen und Straßen. Sie kümmern sich um unsere Anliegen in Bürgerämtern und Jobcentern, als Hallenwarte in Sporthallen oder Schulhausmeister um Gebäude, technische Anlagen und den gesamten Betrieb.

Auch die Schulsekretärin, die großen Anteil am administrativen Ablauf der Schule hat, gehört zu ihnen. Die Aufzählung ist nicht vollständig, auf einige wichtige gehen wir später ein.

Für diese Menschen fordern ver.di und GEW in der laufenden Tarifrunde 8 Prozent mehr Gehalt, mindestens 350 Euro mehr für die unteren Gehaltsgruppen, Entlastungen und zusätzliche freie Tage, bei einer Laufzeit des Tarifvertrages von 12 Monaten. Darüber verhandeln die Gewerkschaften mit dem Bund und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), diese haben bisher kein verhandlungsfähiges Angebot vorgelegt.

Die Petition

Im Zuge des Arbeitskampfes wurde den Gewerkschaftsmitgliedern eine Mehrheitspetition zur Mitzeichnung vorgelegt. Diese Petition ist keine der üblichen „Bittschriften“, sondern ein Instrument des Stärketests. Bei ver.di heißt es dazu: „Zur Unterschriftensammlung werden möglichst viele Beschäftigte persönlich angesprochen. Wenn das Ziel erreicht ist und mindestens 50 % der Belegschaft unterschrieben hat, werden die Unterschriften in einer möglichst öffentlichkeitswirksamen Aktion an den Arbeitgeber (und/oder an zuständige Politiker/-innen) übergeben.“

Die aktuelle Mehrheitspetition erreichte das Quorum und wurde auf der Abschlusskundgebung mit 3.016 Unterschriften an den Leipziger Bürgermeister für Allgemeine Verwaltung Ulrich Hörning übergeben. Zum Stand der Übergabe waren es allerdings bereits fast 3.500 Unterschriften.

Die Gewerkschaftsmitglieder erklären sich damit bereit für den Arbeitskampf.

Stimmen und Reden bei der Kundgebung

Eine der Stimmen, die am eindringlichsten die aktuellen Probleme schilderten, war wohl die von Susan, die im Allgemeinen Sozialdienst (ASD) beim Jugendamt arbeitet.

Susan vom Allgemeinen Sozialdienst (ASD) beim Jugendamt der Stadt. Foto: Thomas Köhler
Susan vom Allgemeinen Sozialdienst (ASD) beim Jugendamt der Stadt. Foto: Thomas Köhler

„Im ASD gibt’s ganz, ganz viele Tage, die ich so nicht erleben möchte. Insbesondere die Tage, an denen wir zu zweit, zu dritt in der Dienststelle sind und das sind nicht wenige Tage, wo wir viele Meldungen ‚Kindeswohl‘ bekommen. An manchen Tagen fünf Meldungen, die wir zu dritt prüfen müssen. Wir sind gesetzlich verpflichtet, im staatlichen Wächteramt diese Meldungen zu prüfen. Das müssen wir mit zwei Sozialarbeitern im Vier-Augen-Prinzip machen.

Wie sollen wir fünf Meldungen prüfen, wenn wir zu dritt im Dienst sind? Kurz zur Personalsituation in meiner Dienststelle: Als ich 2020 dort angefangen habe, waren wir zehn Sozialarbeiter. 2023 waren wir nur noch sieben Sozialarbeiter. Es wurden uns drei Stellen abgezogen, obwohl unsere Stadt immer weiter wächst und auch insbesondere nach Corona die Problemlagen in unserer Stadt, in Familien, zugenommen haben. Multiple Problemlagen.

Wir haben eine enorme Zunahme an Meldungen Kindeswohl gehabt. Und diese waren auch oft so, dass Kindeswohlgefährdungen stattgefunden haben und wir daraus dann Schutzmaßnahmen ableiten mussten. Wie soll das gehen, wenn wir zu dritt im Dienst sind?“

Es geht nicht „nur“ um mehr Geld, es geht auch um die Forderung einiger Stadtratsfraktionen, den städtischen Stellenplan weiter abzubauen, Stellen nicht neu zu besetzen und Stellen zu streichen. Das wurde auch in den Reden klar kommuniziert.

Auch Basti vom Jobcenter äußerte sich im Interview entsprechend.

Basti vom Jobcenter Leipzig. Foto: Thomas Köhler
Basti vom Jobcenter Leipzig. Foto: Thomas Köhler

„Wir leisten tagtäglich im Jobcenter wahnsinnig viel. Wir sichern ab, dass Menschen nicht auf der Straße sitzen. Wir bezahlen Mieten, wir bezahlen Essen tagtäglich. Wir sorgen dafür, dass Menschen nicht hungern müssen, dass Menschen nicht frieren müssen. Und immer wieder bekommen wir per Mail ein Dankeschön, dass ihr da seid, danke, dass ihr das macht.

Aber davon werden wir selbst auch nicht satt. Und deshalb brauchen wir diese 350 Euro oder 8 Prozent. Und vor allem, weil wir alle überlastet sind. Weil Kolleginnen sogar sagen, sie weinen früh vor Verzweiflung. Deshalb brauchen wir drei Tage mehr freie Zeit, ganz klar.“

Die LVB nahmen am Streik nicht teil, für deren Beschäftigten gilt noch die Friedenspflicht. Trotzdem zeigten sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter solidarisch mit den Forderungen. Michael Ahrens, selbst Busfahrer, brachte ein anderes wichtiges Thema zu städtischen Angestellten zur Sprache.

LVB-Busfahrer Michael Ahrens. Foto: Thomas Köhler
LVB-Busfahrer Michael Ahrens. Foto: Thomas Köhler

„Nach außen hin sind die LVB für den Bürger, für den Fahrgast ein Unternehmen. Ob da jetzt vorne ein Fahrer drin sitzt, oder der Fahrkartenkontrolleur hinten einsteigt, oder sie gehen ins Servicecenter und wollen sich dort Tickets kaufen. Die Mitarbeiter, die die Fahrkarten kontrollieren, die diese Fahrzeuge sauber machen, die für die Versorgung des Fahrpersonals zuständig sind, sprich die Casino-Mitarbeiter, die Reinigungskräfte, die die Bahnsteige sauber machen, das sind alles Mitarbeiter, die im Tochterunternehmen LSB beschäftigt sind. Die LSB ist eine hundertprozentige Tochter der LVB, und dort ist in der Bezahlung ein Haustarif in Anwendung. Das heißt, der Mitarbeiter, je nach Gehaltsstufe oder Gehaltsgruppe, ich gehe jetzt mal von der ersten aus, die unterste Entgeltgruppe geht im Schnitt zwischen 1.200 und 1.500 Euro brutto.“

Die Angestellten der Stadt Leipzig werden nicht alle nach dem TVÖD bezahlt, wie schon im Zusammenhang mit dem Klinikum St. Georg ausführlich behandelt, gibt es Tochterfirmen von städtischen Betrieben, die eigene, für die Beschäftigten ungünstigere, Haustarifverträge haben. Unterstützt wurden die Streikenden von Elterninitiativen, der freien Kulturszene und anderen Initiativen.

Was sagt die Politik und der Bürgermeister?

Die Gewerkschaften hatten Politiker eingeladen. Gekommen waren die Direktkandidierenden zur Bundestagswahl von SPD und Die Linke. Grüne und FDP hatten zugesagt, waren aber nicht anwesend. Alle vier äußerten ihre Zustimmung zu den Forderungen der Gewerkschaften und sicherten ihre Unterstützung zu.
Bürgermeister Ulrich Hörning sagte ebenfalls seine Unterstützung zu.

„Wir haben hier aus der Politik gehört, leider sind viele Parteien nicht da, für das, was wir als Stadt Leipzig durch unseren Oberbürgermeister mit Ihnen gemeinsam vertreten haben, nämlich eine Petition für auskömmliche Kommunalfinanzen. Da stehen wir an einer Seite, Sie als Gewerkschaft, wir als Kommunen, wir als Städtetag.

Verwaltungsbürgermeister Ulrich Hörning und Jugendbürgermeisterin Vicki Felthaus. Foto: Thomas Köhler
Verwaltungsbürgermeister Ulrich Hörning und Jugendbürgermeisterin Vicki Felthaus. Foto: Thomas Köhler

Wir sind uns da mit der Personalvertretung sehr klar einig, auch in der Linie, die auch so mit den Stadträten besprochen ist. Wir werden niemand kündigen, wir werden natürlich diesen Auftrag, den der Stadtrat uns eventuell politisch gibt, auch im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung umsetzen müssen. Das heißt kommunale Selbstverwaltung. Und da müssen wir auch mit diesen Themen umgehen, die uns der Stadtrat politisch mitgibt. Wenn ich Ihnen hier was anderes verspreche, würde ich Sie anlügen und das möchte ich nicht.

Wir sperren keine willkürlichen Stellen, im Gegenteil, wir besetzen jetzt schon im Haushaltsvollzug 300 Stellen in Frontline-Bereichen, dort, wo wir im Bürgerservice, in der Schulsachbearbeitung etc., wo die Arbeit, die wir hier gerade von den Kolleginnen und Kollegen gehört haben, gestärkt werden muss, das ist gegenwärtig schon Teil unseres Haushaltsplans.

Vielen Dank für Ihr Engagement. Ich nehme dieses Engagement auch mit diesen Unterschriften mit nach Potsdam in die Verhandlungen, die ab Montag weitergehen. Und dort werden wir fair und sozialpartnerschaftlich zwischen Arbeitgebern und den Gewerkschaften handeln.“

Fazit: Die Gewerkschaften, besser gesagt: die Gewerkschaftsmitglieder, sind entschlossen, den Arbeitskampf zu führen. Wie die Haushaltsdiskussionen und der Beschluss des Doppelhaushaltes beim Thema Personal im Stadtrat ausgeht, das liegt letztendlich bei den Fraktionen. Die Gewerkschaftsmitglieder werden das wohl genau beobachten. Über den Verlauf der Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern werden wir wohl frühestens Ende nächster Woche etwas erfahren.

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