Diesmal geht es nicht um Wahlkampfstände und Plakate, es geht um viel Schlimmeres. Vor jeder Wahl, also auch vor der anstehenden Bundestagswahl, ziehen Menschen von Kleinparteien, gezwungen von der Gesetzgebung, unter anderem durch Einkaufsstraßen, sprechen Passantinnen und Passanten an.
Besonders für die Mitglieder einer dieser Kleinparteien, die sich dem Schutz der personenbezogenen Daten verschrieben hat (ich nenne die Piratenpartei nicht), ist das eine Herausforderung.

Man stelle sich vor, ein älterer Mann spricht eine junge Frau an: „Guten Tag, leben Sie in Sachsen und sind wahlberechtigt?“ Das klingt ein bisschen wie: „Bist Du schon volljährig?“

„Wenn ja, können Sie bitte dieses Formblatt mit Vor- und Nachnamen, Ihrem Geburtsdatum und der kompletten Wohnanschrift ausfüllen?“ Nur gut, dass er nicht nach der Handynummer und dem Instagram-Profil fragt.

Wenn er dann zum Abschluss noch sagt: „Übrigens, hüten Sie sich davor, Ihre persönlichen Daten an Unbekannte weiterzugeben. Bei Fragen lesen Sie unser Wahlprogramm.“

Dann klingt das doch völlig absurd, oder?

Selbstverständlich ist die Piratenpartei hier nur als das absurdeste Beispiel benannt, selbiges gilt auch für DIE PARTEI, Volt, Humanisten und alle anderen Kleinparteien. Menschen sollen Unbekannten ihre kompletten personenbezogenen Daten geben, damit diese Parteien bei einer Wahl auf dem Wahlzettel stehen dürfen.
Die Absurdität geht aber noch weiter: Selbst bei absolut datenschutzkonformem Umgang mit den Vordrucken, sprich die Daten werden weder von Einzelpersonen noch von den Parteien irgendwo gespeichert, geht der Irrsinn weiter.

Gerade bei der verkürzten Vorbereitungszeit für die Bundestagswahl und der damit verbundenen Arbeitsbelastung der Verwaltungen müssen diese dann die Unterstützungsunterschriften prüfen. Stimmen die Angaben auf dem Formular? Hat dieser Mensch eventuell mehrere solche Formulare unterschrieben? Allein die Handschriften machen das zu einer Herausforderung.

Das Formular für die Unterstützerunterschrift. Foto: LZ
Das Formular für die Unterstützerunterschrift. Foto: LZ

Auf dem Formular steht: „Jeder Wahlberechtigte darf mit seiner Unterschrift nur eine Landesliste unterstützen. Wer mehrere Landeslisten unterzeichnet, macht sich nach § 108d in Verbindung mit § 107a des Strafgesetzbuches strafbar.“ Das heißt, dass die Behörde dann auch noch Strafanträge stellen könnte oder müsste. Davon war zwar noch nichts zu hören, aber vielleicht muss das tatsächlich geprüft werden, wer weiß?
Wie ist das bei dieser Bundestagswahl?

In Sachsen muss jede dieser Kleinparteien 2.000 bestätigte Unterstützungsunterschriften einreichen, um auf dem Wahlzettel für die Bundestagswahl zu stehen. Bei der Bundestagswahl 2021 waren das 19 Kleinparteien, das bedeute: Insgesamt 38.000 bestätigte Unterstützungsunterschriften wurden benötigt. Geht man von etwa 20 % fehlerhaften Formularen aus, weil beispielsweise die Unterschrift für den Zweitwohnsitz geleistet wurde, dann müssen etwa 45.000 Unterschriften in Sachsen gesammelt und geprüft werden.

Wer dann noch einen Direktkandidaten aufstellen will, braucht noch einmal 200 Unterstützungsunterschriften aus dessen Wahlkreis, zumindest in Leipzig. Es ist eine Verschwendung von personellen und finanziellen Ressourcen der Verwaltungen und stellt Kleinparteien vor personelle Herausforderungen, die kaum zu stemmen sind.

Warum geht das nicht digital? Man kann zwar inzwischen ein Auto digital an- und ummelden, eine Unterstützungsunterschrift, die nicht einmal zur Wahl der unterstützten Partei verpflichtet, muss aber per Formular eingereicht werden. Wahrscheinlich liegt es am fehlenden politischen Willen der etablierten Parteien.

Fazit: Kleinparteien wird systematisch die Teilnahme an Wahlen erschwert, dafür nimmt man bezüglich Datenschutz kritische Sammlungsmethoden und die Belästigung von Menschen billigend in Kauf. Für die Bundestagswahl im Februar 2025 ist es zu spät, es muss sich aber dringend etwas an dieser Verfahrensweise ändern.

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