Dass so viele Sachsen und Thüringer am 1. September es für ganz normal hielten, ihr Kreuz bei der AfD zu machen, hat auch damit zu tun, dass die Frames der AfD mittlerweile weit in den gesellschaftlichen Diskurs vorgedrungen sind und auch Politiker konservativer Parteien nicht mehr zögern, immer mehr Abschiebungen und eine Verschärfung des Asylrechts zu fordern. Damit stärken sie aber nicht die Demokratie, sondern die ausländerfeindliche AfD. 27 Menschenrechtsorganisationen fordern jetzt ein Ende dieses Überbietens.

Denn fast alles, was da gefordert wird, sind sich überbietende und rechtswidrige Vorschläge und populistische Ultimaten, die alle der Menschenfeindlichkeit der AfD in die Hände spielen, aber kein einziges Problem lösen. Schon gar nicht im Sinne der Hilfe suchenden Menschen.

27 Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände und juristische Organisationen mahnen jetzt mit einem Appell alle demokratischen Parteien, für die Werte unserer Gesellschaft einzustehen: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte.

In dem gemeinsamen Appell „Flüchtlingsschutz ist Teil unserer demokratischen Werte – Forderungen nach Zurückweisungen ablehnen, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte in Europa verteidigen“ kritisieren sie, dass die aktuellen Debatten um asylrechtliche Verschärfungen diesen Werten eindeutig widersprechen.

Europarechts- und menschenrechtswidrig

Denn Zurückweisungen an den Binnengrenzen, die der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz weiterhin vehement fordert, sind eindeutig europarechts- und menschenrechtswidrig. Die Organisationen fordern von der Bundesregierung, solche Überlegungen deutlich abzulehnen. Am heutigen Dienstag, dem 10. September, treffen sich laut Medienberichten erneut Vertreter/-innen der Bundesregierung, von Landesregierungen und von der CDU, um über die Asylpolitik zu beraten.

Die unterzeichnenden Organisationen warnen: Das Asylrecht werde, wie schon in anderen EU-Ländern wie Ungarn oder Polen zu beobachten, nur das erste Ziel von Populist/-innen sein. Die Angriffe gegen die Grundfesten unserer Gesellschaft würden dann trotz Verschärfung weitergehen.

Die unterzeichnenden Organisationen machen deutlich: Die Zivilgesellschaft stellt sich gegen politische Kräfte, die ein Interesse an Spaltung und Verunsicherung haben. Von der Bundesregierung erwarten die Organisationen: „Anstatt sich zu stets neuen Verschärfungen treiben zu lassen, muss die Bundesregierung für ein Europa der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte einstehen. Für alle Menschen.“

Das befeuert nur die Spalter der Gesellschaft

„Neue Asylrechtsverschärfungen werden diejenigen, die die Gesellschaft weiter spalten wollen, nie zufrieden stellen – sie werden ihre menschenverachtende Hetze gegen schutzsuchende Menschen weiter verbreiten“, kommentiert Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL, die Entwicklung, bei der die Ausländerfeinde nie genug bekommen können, egal, mit welchen Verschärfungen man ihnen entgegenkommt.

„Die Bundesregierung muss Rückgrat für den deutschen Rechtsstaat und die Menschenwürde beweisen. Das heißt auch, dass sie von dem im Sicherheitspaket beschlossenen Sozialleistungsausschluss für Menschen in Dublin-Verfahren Abstand nehmen muss. Denn dieser ist eindeutig verfassungswidrig.“

Auf seiner Website hat PRO ASYL die Konkretisierung des Sicherheitspakets am Wochenende kommentiert.

Unterzeichnende Organisationen (Stand 09.09.2024, alphabetisch):

Amnesty International Deutschland e.V.
Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein
AWO Bundesverband e.V.
BAfF – Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und
Folteropfer
Bundesarbeitsgemeinschaft PRO ASYL e.V.
Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V.
Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel – KOK e.V.
Der Paritätische Gesamtverband
Deutsches Kinderhilfswerk e.V. (DKHW)
Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V.
European Center for Constitutional and Human Rights e.V. (ECCHR)
Handicap International e.V.
HÁWAR.help
Internationaler Bund (IB) – Freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit e.V.
IPPNW – Ärzt*innen in sozialer Verantwortung e.V.
Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland
JUMEN e.V. – Juristische Menschenrechtsarbeit in Deutschland
Kindernothilfe e.V.
Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
Landesflüchtlingsräte der Bundesländer
LeaveNoOneBehind
LSVD⁺ – Verband Queere Vielfalt e. V.
Moving Cities
Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche e.V.
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) e.V.
Save the Children Deutschland e.V.
Terre des Hommes Deutschland e.V.

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