Sind Wähler wirklich so irrational, dass sie eindach aus lauter Frustration Parteien wählen wollen, die mit Klimaschutz und Energiewende fast nichts am Hut haben, während alle Parteien, die das in ihrem Programm haben, um die 5-Prozent-Hürde bangen müssen oder gar deutlich drunter liegen in aktuellen Wahlumfragen? Dabei spielen auch Landtagswahlen eine enorme Rolle, wenn es darum geht, mehr Klima- und Umweltschutz zu bekommen, wie jetzt auch der NABU Sachsen in einer Auswertung feststellt.

Einer Auswertung, die der Naturschutzbund auf der Website naturwaehler.de veröffentlich hat und die nicht zufällig der Auswertung ähnelt, die der BUND Sachsen nach Abfrage der Parteipositionen zur Landtagswahl zusammengestellt hat.

Ganz offensichtlich schlägt hier das Phänomen zu, das auch Bernd Thomsen in seinem Buch „Retten wir die Demokratie“ festgestellt hat: Drei Viertel der Wähler interssieren sich überhaupt nicht für Politik. Sie lesen keine Wahlprogramme, interessieren sich nicht die Bohne dafür, welche Politiker für welche Entscheidung verantwortlich sind, wer sich für welches Projekt aufgerieben hat oder im Hinterzimmer mit Lobbyisten verhandelt hat, nicht für die Rolle politischer Entscheidungen fürs eigene Leben und auch nicht dafür, wer wirklich – auch mit der Gefahr eines medialen Shitstorms – tatsächlich versucht, das Land besser und zukunftsfähiger zu machen.

Und das Verblüffende ist: Eine Mehrheit der Wähler – auch in Sachsen – will eigentlich Klimaschutz und Energiewende. Würden sie einfach die Parteien wählen, die das auch vertreten, sähe das Wahlergebnis am 1. September ganz anders aus, als es wahrscheinlich – nach allen Umfragen – aussehen wird.

Die Natur ist unsere Lebensgrundlage

Der NABU Sachsen sieht nun vor der Landtagswahl eine Menge Herausforderungen im Umwelt- und Naturschutz auf die kommende Landesregierung zukommen. Der NABU betont die Notwendigkeit einer Politik, die den Schutz der Natur in den Mittelpunkt stellt, um unsere Lebensgrundlage zu bewahren.

Am 1. September wird in Sachsen ein neuer Landtag gewählt. Vor den Wahlen hat auch der NABU Sachsen die Parteien zu ihren Naturschutzpositionen befragt. Die detaillierten Antworten und Einschätzungen findet man jetzt auf der NABU-Webseite naturwaehler.de.

„Wir beobachten, dass der Naturschutz bei den großen Parteien zunehmend in den Hintergrund rückt“, kritisiert die Landesvorsitzende des NABU Sachsen, Maria Vlaic. „Angesichts der aktuellen Herausforderungen dürfen wir die Klima- und Biodiversitätskrise nicht gegeneinander ausspielen oder wirtschaftlichen Interessen unterordnen. Wir benötigen ein weitsichtiges politisches Krisenmanagement, wobei das Thema Wasser eine zentrale Rolle spielt.

Es geht nicht nur um die Einhaltung der Wasserrahmenrichtlinie, wofür Sachsen noch viel leisten muss. Der überfällige Ausstieg aus dem Braunkohleabbau, die Ansiedlung wasserintensiver Industrien und die Folgen des Klimawandels für den Landschaftswasserhaushalt stellen Politik und Gesellschaft vor große Herausforderungen. Um gesellschaftlich akzeptierte Lösungen zu finden, müssen wir unser Bewusstsein im Umgang mit Wasser schärfen. Momentan hat man eher den Eindruck, dass jeder Tropfen dreifach verplant ist.“

Flächenversiegelung und bedrohte Naturschutzstationen

Und dazu kommt ein weiteres Thema, über das die Staatsregierung immer nur redet, aber keine gesetzlichen Vorgaben schafft, damit sich tatsächlich endlich etwas ändert. Maria Vlaic: „Von großer Bedeutung ist auch, die fortschreitende Versiegelung zu verringern und den Ausbau der erneuerbaren Energien endlich nachhaltig und naturverträglich zu gestalten.“

Maria Vlaic betont außerdem die Bedeutung der Naturschutzstationen und des ehrenamtlichen Engagements, die Verständnis fördern und Wissen vermitteln. Sie tragen entscheidend zum Krisenmanagement bei, doch auch dieses Thema verliere offenbar an Rückhalt.

„Was in tausenden freiwilligen Arbeitsstunden geleistet wird, hat gesellschaftliche Vorbildwirkung und einen echten praktischen Effekt. Hier nicht zu investieren, ist eine verschenkte Chance. Das können wir uns als Gesellschaft eigentlich nicht leisten“, sagt Vlaic.

Der NABU Sachsen will die naturschutzpolitischen Themen in der kommenden Legislaturperiode kritisch begleiten und sich entschieden für den Schutz der Natur sowie die Anliegen der Menschen in Sachsen einsetzen. Sofern überhaupt Parteien in die Regierung kommen, denen Umwelt- und Klimaschutz am Herzen liegen. Und nicht lauter Parteien, denen die Folgen von Klimawandel, Artensterben und Umweltzerstörung einfach egal sind. Parteien, die mit hohen Wahlergebnissen rechnen können, obwohl eine Mehrheit der Sachsen eigentlich deutliche Anstrengungen für Klimaschutz und Energiewende will.

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Völlig richtig, lieber Autor, ehrenamtlicher, institutioneller oder staatlicher Natur- und Umweltschutz verdienen umfassende Befürwortung und eben auch praktische Beteiligung. Ich erinnere nochmals an den verdienstvollen Freiwilligen von NuKLA, der 10 Jahre lang dreimal pro Woche das Hochwasser-beschädigte Einlaßbauwerk des Burgauenbachs von Treibgut befreite, bis endlich eine Generalreparatur Abhilfe schaffte. Es fehlen einem eigentlich die Worte bei soviel Engagement.

Endlos sind die Themen, die Ehrenamtler, Institutionen oder der Staat hinsichtlich Natur und Umwelt angehen könnten oder sollten. Nur eins bleibt klar: alle Effekte bleiben lokal. Das ist nicht nichts. Aber es besteht kein Anlaß für Weltrettungsphantasien, genau nicht für Aktionismus unterstützt mit Moralisierung und Schuldzuweisungen aller Art, oder einem sich an die Brust schlagen mit “Sind wir nicht gut, schon wieder mit Ordnungspolitik konsequent umgesteuert!” Nein, nicht gut, leider nur pedantisch und spaltend.

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