Aufmerksame Anwohner hatten den NABU Leipzig in der vorigen Woche informiert, dass Bauarbeiten an einem Neubau in der Eilenburger Straße den Brutplätzen von Mauerseglern gefährlich nahegekommen waren. Ehrenamtliche Vogelretter des NABU Leipzig stellten dann vor Ort fest, dass die Vögel wegen der Bauarbeiten Schwierigkeiten hatten, ihre Bruthöhlen anzufliegen, da sie es auch nach mehreren Anläufen nicht schafften zu landen.

Mehrere Mauersegler sind bei ihren Versuchen, die Nistplätze zu erreichen, abgestürzt. Der Fall wurde der Naturschutzbehörde gemeldet, die anordnete, dass der Bereich unterhalb der Mauersegler-Nistplätze in der Eilenburger Straße freigehalten werden muss, um die Nistplätze zu schützen. Trotzdem gingen die gefährlichen Arbeiten weiter, und ehrenamtliche Vogelretter des NABU Leipzig mussten eingreifen, um die Tiere vor den Folgen der Bautätigkeit zu bewahren.

Jahr für Jahr gibt es ähnliche Szenen, immer wieder werden die Artenschutzvorschriften, bei denen es sich um geltende Gesetze handelt, missachtet. Sogar die Anordnungen der Naturschutzbehörde waren nicht ausreichend, es wurde einfach weitergebaut. Bei solcher menschlichen Rücksichtslosigkeit wird das Artensterben immer weiter voranschreiten.

Die Baufirma ignoriert die Verfügung

Nach dem Eingreifen der Naturschutzbehörde, die verfügte, dass der Bereich unterhalb der Nester bis zum Ende der Brutzeit frei bleiben muss, bog die Baufirma einige frisch einbetonierte Stahlstangen nach unten, um den Einflug wieder zu ermöglichen. Doch bei einer Kontrolle am Abend stellte der NABU fest, dass im Bereich der meisten Brutplätze die Stahlstangen nicht zur Seite gebogen worden waren. Mauersegler stürzten beim Ein- und Ausflug immer noch ab. Der NABU griff ein und bog die restlichen Stangen zur Seite, um den ungestörten Einflug zu gewährleisten.

Derartige Kollisionen mit dem rauen Beton und den Stahlstangen können bei Mauerseglern zu Gefiederschäden führen. Die schnellen Vögel sind auf ihr absolut intaktes Gefieder für ihr dauerhaftes Leben in der Luft angewiesen.

Am 21. Juli fand der NABU Leipzig dann vor Ort die traurigen Überreste des rücksichtslosen Baustellenbetriebs: Federreste von mindestens zwei verunfallten und gerupften Mauerseglern sowie einen völlig geschwächten jungen Mauersegler, der dann verstarb.

Ein junger Mauersegler ist auf der Baustelle verhungert. Kurz nach dem Auffinden ist er verstorben. Foto: NABU Leipzig
Ein junger Mauersegler ist auf der Baustelle verhungert. Kurz nach dem Auffinden ist er gestorben. Foto: NABU Leipzig

Zudem stellte sich heraus, dass die Baufirma unterdessen ein Gerüst aufgestellt hatte, entgegen der Anordnung der Naturschutzbehörde aber nicht im Abstand von fünf Metern zu den Nestern, sondern nur mit drei Metern Abstand. Der Ein- und Ausflug der schnellen Segler wurde so zusätzlich erschwert und in Teilbereichen sogar verhindert. Auch hier griff der NABU erneut ein und schob das Gerüst auf Rollen aus dem Anflugbereich.

Ein Artenschutzgutachter wird eingeschaltet

Trotz der umgebogenen Stahlstangen und des Einschreitens der Naturschutzbehörde sind die Segler noch immer in Gefahr: Der Neubau, der nunmehr bereits bis eine Etage unter die Einfluglöcher reicht, hindert die jungen Mauersegler beim Ausflug aus den Nestern und gefährdet so das Gelingen ihres ersten Abfluges. Junge Mauersegler können nicht vom Boden starten und von daher ist es essenziell, dass der erste Versuch gelingt.

Auch ein Artenschutzgutachter wurde eingeschaltet. Er hat sich ebenfalls für den freien Anflug rund um die Brutplätze ausgesprochen. Trotzdem wurde am Montag das Gerüst um eine weitere Etage erhöht, was erneut den Anflug zu den Brutplätzen verhinderte. Trotz der vergeblichen Anflugversuche der Mauersegler bauten die Handwerker einfach weiter. Der NABU suchte ein weiteres Mal das Gespräch mit der Bauleitung und informierte den Artenschutzgutachter sowie die Naturschutzbehörde. Kurz danach wurde das Gerüst zurückgebaut.

„Warum werden die gesetzlichen Regelungen für die geschützten Arten immer wieder und derart häufig ignoriert?“, fragt der NABU Leipzig. „Warum wird einfach weiter gebaut, sogar, wenn es Auflagen der Naturschutzbehörde gibt? Mauersegler-Nistplätze sind gesetzlich geschützt, dieser Schutz gilt ganzjährig! Die Tiere kehren immer wieder zu den Nestern zurück. Die Verbote des § 44 Bundesnaturschutzgesetz gelten, auch wenn es unabhängig davon Baugenehmigungen gibt.

Trotz dieses gesetzlichen Schutzes gehen jedoch Nistplätze verloren, durch Gebäudesanierungen und durch Neubauten, bei denen es keine geeigneten Nischen für Nester mehr gibt. Daher ist die Beachtung der Naturschutzvorschriften (Es handelt sich um geltende Gesetze!) essenziell für das Überleben gebäudebewohnender Tierarten in unserer Nachbarschaft.“

Angesichts des gravierenden Verlustes der Biodiversität sollten Bauherren außerdem proaktiv Maßnahmen ergreifen, fordert der NABU, beispielsweise bei Neubau oder Sanierung grundsätzlich Nisthilfen mit einplanen. Zudem sei es unerlässlich, vor Beginn von Bauarbeiten – insbesondere während der Vogelbrutzeit – Nistplätze zu suchen und gesetzeskonform zu schützten. Das wird nach Beobachtungen des NABU Leipzig fast niemals praktiziert oder nicht fachgerecht.

Wie man dem NABU helfen kann

Um solche Vorfälle zu vermeiden, hat der NABU Leipzig eine hilfreiche Checkliste zusammengestellt: www.NABU-Leipzig.de/fassaden-modernisierung. Sie gibt konkrete Hinweise zum gesetzlichen Artenschutz bei Bauvorhaben und nennt Maßnahmen, die frühzeitig berücksichtigt werden sollten. Dazu gehört speziell ein Fachgutachten, bei dem vor den Bauarbeiten mögliche Nischen und Spalten auf Brutplätze untersucht werden. Nur so können Bauabläufe angepasst und notwendige Ersatzmaßnahmen geplant werden, um das Leben unserer tierischen Nachbarn zu schützen.

Obwohl es gesetzlich verboten ist, Lebensstätten geschützter Arten zu schädigen, sind Untersuchungen, ob es solche Lebensstätten gibt, in Sachsen leider nicht gesetzlich vorgeschrieben. Das führt dazu, dass stets und ständig, absichtlich oder ungewollt, Nistplätze gesetzeswidrig beseitigt werden.

Der NABU Leipzig bittet alle, in ihrer Nachbarschaft ein Auge auf Baustellen zu haben und Verstöße gegen den Artenschutz umgehend der Naturschutzbehörde und dem NABU zu melden. Um mögliche Konflikte bereits im Vorfeld zu vermeiden, ist außerdem die Kenntnis vorhandener Nistplätze wichtig.

Der NABU Leipzig bittet deshalb auch, Nistplätze von Gebäudebrütern zu melden – per E-Mail an Vogelschutz@NABU-Leipzig.de

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Es gibt 12 Kommentare

@Mimi: die Konklusion des gesteigerten Gefahreneintritts ergibt sich bereits aus der durch Hindernis unterbleibenden Fütterung der noch nicht selbständigen Jungvögel. Bei Ausbleiben droht der Tod – und die Auflage der Naturschutzbehörde bei gleichzeitigem Nicht-Entsprechen durch den Verantwortlichen intensiviert ja die Notstandssituation bzw. legitimiert das Vorliegen einer Gefahr für ein Schutzgut durch bestätigenden, behördlichen Akt. Aber auch wie vorangegangen ist es schwierig, das hier zu beurteilen, anhand nur diesen Berichts. Gesprächsführung in sich mit dem Bauherrn und weiter anhaltender Weigerung zur Einhaltung der aufgebotenen Handlung seitens der Behörde würde letztlich im etwaig strafrechtlichen Prüfverfahren eine Vorsatzhandlung durch den Bauherrn intendieren, spielt aber mMn für die Beurteilung eines rechtfertigenden Notstands keine gesteigerte Rolle – nur in dem Sinne, dass der eigentliche Verantwortliche wohl zu erkennen gegeben hat, dass er die Gefahr nicht eigenständig beseitigen wird.

Danke für diesen inhaltlich fundierten Kommentar. Erlauben Sie mir bitte aus Interesse eine Nachfrage dazu. Sehen Sie auch das Problem darin, den Nachweis der Unabwendbarkeit der Gefahr zu führen, oder reicht aus Ihrer Sicht das Faktum, dass bereits Gespräche mit der Bauleitung geführt wurden?

Lassen wir die Prüfung auf Rechtmäßigkeit der ganzen Thematik doch einfach im Bedarfsfall dem juristischen Fachpersonal überlassen. Mit Rufen nach Rechtswidrigkeit ist es nicht immer einfach, denn ob eine Tat vorwerfbar oder gar entschuldbar ist, ist auch ein Konstrukt unseres Rechtssystems. Das StGB kennt in § 34 ebenda den rechtfertigenden Notstand.

“Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. 2Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.”

Ein anderes Rechtsgut ist bspw. die Beschützergarantenstellung des BNatschG, exemplarisch hier anwendbar §§ 39, 44 ebenda. Dort gelten entsprechende Zugriffsverbote, die nicht nur das jeweilige Individium umfasst, sondern eben auch Fortfplanzungsstätten, die hier ja wohl in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich beeinträchtigt waren. Würde man nun das Einschreiten hinwegdenken, müsste man einen Eintritt des Exitus einer besonders geschützten Art bejahen und damit eine Verschärfung des bereits eingetretenen Zugriffsverbots (= Störung der Lebens-&Fortpflanzungsstätte/Nest). Die Gefahr für ein anderes Rechtsgut = die Unverletzbarkeit der staatlichen Ordnung iSe Gesetzes war damit gegenwärtig. Bei ungehindertem Geschehensablauf wäre der GAU eingetreten und ein komplettes Versterben der Nachwuchspopulation. Die dort ausgeübte Tat war also erforderlich, auch annehmbar geeignet.

Aber da wir hier auch in der Kommentarspalte der “vierten Gewalt” keine Rechtsetzungs- und sprechungskompetenz haben, ist mein Kommentar vielleicht geeignet, ein paar juristische Dinge anzuführen, ob nun aber hier tatsächlich rechtfertigender Notstand vorlag oder tatsächlich der Anfangsverdacht einer Straftat, das ist zum Glück ja immer noch der Strafverfolgung und Justiz überlassen.

@ David: Können wir.

Und können wir uns auch darauf einigen, dass die egoistischsten Absichten privatrechtlicher Firmen (Kapitalmaximierung der BesitzerÏnnen) nicht dazu berechtigen, Leben zu gefährden und auszulöschen sowie Gesetze und Vorschriften zu missachten? Oder sind wir jetzt bei Selbstjustiz für Kapitalismus angekommen?

Können wir uns bitte darauf einigen, dass auch die beste Absicht den NABU nicht dazu berechtigt fremdes Eigentum zu betreten sowie Gesetze und Vorschriften zu missachten? Oder sind wir jetzt bei Selbstjustiz für den Vogelschutz angekommen?

@Philipp Torsten:
So löblich die Absichten vom NABU auch sind und auch wie man sieht notwendig. Ist die Eigensicherung ungemein wichtig. Wie oft mussten wir Personen mit guten Absichten retten und wie oft nicht mehr rechtzeitig. Dann ist den Tieren auch nicht geholfen. Also nochmal die Vorschriften auf Baustellen sind wichtig und richtig. Notfalls muss der NABU sich PSA anschaffen und seine Leute darin schulen.

Der Grat zwischen Mut und Leichtsinn ist vermutlich genauso schmal wie der Abstand der Leiter zur Absturzkante im fünften Stock der Baustelle, auf deren vor-vorletzter Sprosse ein Mann freihändig hantiert, während sein Kollege unten filmt, statt die zu flach angelegte Leiter zu sichern. Man könnte meinen, er selbst könne jeden Moment wie ein Mauersegler zum Flug ansetzen. Das Video dieser beispiellos heldenhaften Aktion können Sie auf der Seite des NABU bestaunen. Feiern Sie Ihre Helden, aber bitte seien Sie angemessen vorsichtig.

“Kann es sein das der NABU hier einfach Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung begeht?” , “PSA…”

Manche KommentatorÏnnen erwecken den Eindruck, Recht und Gesetz seien nur dann wichtig, wenn sie den Interessen der Mächtigen (hier z.B. BauherrÏnnen) nutzen, nicht dem Leben der Machtlosen (hier Mauerseglern oder für die eigene Gesundheit verantwortlichen Menschen). Diese Äußerungen tun mir sehr leid. Ich kann mir kaum vorstellen, wie oft diese KommentatorÏnnen sich zu Unrecht in schwachen Positionen übergangen gefühlt haben …

Danke NABU, für’s Mutig sein!

Ob der NABU berechtigt oder nicht berechtigt dort waren, ist das fehlen einer PSA ein massiver Verstoß gegen die Baustellenordnung. Die betreffenden Personen haben sich damit einer großen Gefahr ausgesetzt.

Also “einfach” begeht der NABU hier nichts.
Es wurden seitens des Bauherren Gesetze und Anordnungen der Naturschutzbehörde ignoriert. Fast könnte man schon von Vorsatz sprechen, so, wie sich der Artikel liest.

Mein Dank geht an den NABU, dass er hier genau hingeschaut hat und diese große Sauerei versucht hat, zu verhindern. Hier müsste es für die Beteiligten einen Denkzettel geben, die trotz der Anordnung einfach weiter machen.

Sandalen und Stirnlampe als PSA. Da hätte die Berufsgenossenschaft bestimmt auch gern eine Erklärung für.

Kann es sein das der NABU hier einfach Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung begeht?

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