In der Politik ist ja derzeit ein regelrechtes Rollback zu erleben: Immer mehr populistische Politiker reden den Wählern ein, Klimaschutz und Energiewende seien doch nur Lieblingsprojekte der Grünen und völliger Unsinn, man solle lieber nichts am fossilen Wirtschaftsmodell ändern. Doch davon lassen sich nicht alle Leipziger einlullen. Im Gegenteil: Eigentlich müssten die berühmten „Warming Stripes“ weithin sichtbar an einer Hausfassade zu sehen sein, am besten direkt am City-Hochhaus.

Das fand zumindest ein Bürger namens Oliver, der sich mit diesem Vorschlag an den Einreichungen für den Bürgerhaushalt 2025 2026 beteiligte.

„Die Bedeutung und die Folgen des Klimawandels sind vielen Menschen meist noch nicht während des tatsächlichen Tuns im Bewusstsein. Ein dauerhafter und stadtweit einsehbarer Ort für die Warming Stripes wäre sinnvoll. Damit würde die Stadt Leipzig auch Vorreiterin in ihrer Rolle werden“, schreibt Oliver in seinem Bürgervorschlag.

„Als Orte werden demgemäß etwa gut einsehbare Orte wie der Uniriese, das Völkerschlachtdenkmal oder etwa das Neue Rathaus vorgesehen. Hier könnten mittels gering emittierender LED-Technik von 18 bis 24 Uhr die Warming Stripes projiziert werden. Einwände, dass das nicht ginge, können mit der gelebten Praxis des Illuminierens wichtiger Marksteine der Stadt gemacht werden. Der Uniriese wird z.B. schon illuminiert, hier wären nur der Austausch von LED-Scheinwerfern zu farbigen notwendig.“

Und er ist sich sicher: „Jemanden, der dann durch Leipzig fährt, und dann noch nichts davon mitbekommen hat, wird es nicht mehr geben.“

Die Verwaltung wird den Vorschlag zwar zur Abstimmung stellen, rät aber lieber davon ab: „Der Bürgervorschlag zum Haushalt 2025/26 bezüglich einer Projektion der ‚Warming Stripes‘ an zentraler Stelle wird abgelehnt. Unabhängig vom Standpunkt der Stadtverwaltung wird der Bürgervorschlag auf Grundlage der Anforderungen des Leipziger Bürgerhaushaltes zur Abstimmung zugelassen.“

Die Frage ist: Wer sollte das bezahlen?

Da schaut man dann doch lieber erst einmal auf den Ersteller des städtischen Standpunkts. Denn mittlerweile wird immer deutlicher, dass es auch in Leipzigs Verwaltung Personen und Abteilungen gibt, die nur zu gern bremsen und blockieren, wenn es um mehr Klimaschutz geht.

Aber in diesem Fall ist es das Referat Nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz, das sogar betont: „Die Stadt Leipzig unterstützt das Ansinnen, den fortschreitenden Klimawandel und seine Folgen öffentlichkeitswirksam zu kommunizieren und für klimabewusste Entscheidungen und Lebensstile zu werben. Die Darstellung der Warming Stripes an prominenten Orten im Stadtbild bietet mit überregionaler Reichweite ein geeignetes Instrument, die öffentliche Debatte für die Dringlichkeit wirksamer Klimaschutzmaßnahmen zu begleiten.“

Straßenbahn und Personen mit Plakat.
Start für die „Warming-Stripes“-Straßenbahn mit Ulf Middelberg, Torsten Bonew, Simone Ariane Pflaum, Dr. Heike Wex und Steffen Peschel. Foto: Ralf Julke

Und dort jedenfalls steht man auch weiter hinter den zwei Projekten, mit denen die Warming Stripes in der Leipziger Öffentlichkeit schon sichtbar gemacht wurden: „Die städtische Motivation wurde mit der Projektförderung für das Aufbringen der Warming Stripes auf der Sachsenbrücke bekräftigt.

Auch die Darstellung der Warming Stripes auf einer Straßenbahn der LVB mit informativer Begleitung durch das Netzwerk ‚Leipzig fürs Klima‘ sowie die Einbindung während der UEFA Euro 2024 untermauern die anhaltenden Bestrebungen zur öffentlichkeitswirksamen Kommunikation im kommunalen Klimaschutzprozess.“

So eindrucksvoll die Warming Stripes etwa am City-Hochhaus auch aussehen könnten, das Projekt wäre wohl doch nicht ganz billig, heißt es in der Stellungnahme der Stadt: „Die Projektion der Warming Stripes an öffentliche Gebäude ist nach erster Prüfung mit hohen wirtschaftlichen als auch technischen Herausforderungen verbunden, da die Stadt Leipzig über keinen geeigneten Hochleistungs-Beamer verfügt.

Zudem müssten die Fassaden vorab als 3D-Modelle erfasst und Fenster sowie Vorsprünge usw. in der Projektion verrechnet werden, um eine einheitliche Darstellung der Warming Stripes realisieren zu können. Dies ist mit unverhältnismäßig hohen technischen und finanziellen Aufwendungen verbunden, sodass der Bürgervorschlag zum Haushalt 2025/26 abgelehnt wird.“

Was ja eigentlich auch die Deutung zulässt: Wenn sich ein privater Sponsor findet, der das alles bezahlt, wäre die Idee gar nicht so dumm. Es muss ja nicht immer die öffentliche Hand bezahlen, was sich Bürger so ausdenken. Auch wenn es eine wichtige Mahnung an alle Passanten sein soll, die nicht verstehen wollen, wie heftig der Klimawandel längst am Werk ist.

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Es gibt 2 Kommentare

Und das “urs” phantasiert sich immer noch Dinge herbei, um sich dann selbst darüber aufzuregen oder damit zu stänkern.
Und religiös verblendet scheint es gar auch noch zu sein, sonst würde es die eigenen ausgedachten Maschen und “Sünden” nicht auf uns projizieren.
Und daß es darum geht, das Ruder im Rahmen der eigenen Wirtschaft und des Konsums herumzureißen, daß checkt das “urs” natürlich auch nicht. Nein, es muß weiterhin in altbekannter rechtsregressiver Manier abwerten, beleidigen, ausgrenzen und stänkern.
Hört nicht auf rechte und menschenverachtende Subjekte wie “urs”!

Sebastian Thurm

Das ist doch sonnenklar, lieber Autor, daß der von Ihnen ersehnte private Sponsor nur Ed Hawkins sein kann.

Und überdies: statt sich mit Handarbeiten wie dieser https://blogs.egu.eu/divisions/as/2017/06/15/the-art-of-turning-climate-change-science-to-a-crochet-blanket abmühen zu müssen, wäre es endlich an der Zeit, daß die einschlägige Industrie die Zeichen der Zeit erkennt und Konfektion nach Ed Hawkins’ Gusto auf dem Markt wirft. Denn die Guten wollen einander schon von Weitem erkennen.

Sie schreiben was von “Roll Back”, lieber Autor, und Sie scheinen auch fest an sowas zu glauben. Und an die Wirkmächtigkeit von Betroffenheitssymbolik. Derlei hilft aber leider kein Schniezchen weiter. Jeder geförderte Tropfen Erdöl wird verbrannt oder zu Kunststoff umgewandelt werden. Monumentalmenetekel schlagen in ihr Gegenteil um. Ganze Großstädte in Zentren schuldbewußter Sünder zu verwandeln, ist kein gangbarer Weg von Gesellschaftspolitik. Ich etwa weise jegliche persönliche Schuld für das, was man unter Klimawandel verstanden wissen will, von mir – aus guten Gründen. Und die Metapher vom Ruderherumreißen ist per se albern. Wir haben es bei der Atmosphäre mit einem superträgen System zu tun. Alles Reißen richtete weit überwiegend Schaden an. Außer für den Distinktionsgewinn der Reißer.

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