In einer Bundespressekonferenz hat ein Klagebündnis, bestehend aus Fridays for Future und den fünf Klima- und Umweltverbänden Deutsche Umwelthilfe (DUH), Greenpeace, Germanwatch, dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und dem Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) am 27. Juni angekündigt, drei weitere Verfassungsbeschwerden gegen die unzureichende Klimapolitik der Bundesregierung einzureichen. Dies geschehe, sollte Bundespräsident Steinmeier die Entkernung des Klimaschutzgesetzes unterschreiben.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV), die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sowie Greenpeace und Germanwatch führen jeweils eine Beschwerde mit Klägerinnen und Klägern, die in unterschiedlichen Lebensbereichen von der Klimakrise betroffen sind.

Bereits 2021 hatten einige der Klagenden in einem wegweisenden Urteil erreicht, dass das Bundesverfassungsgericht dem Recht auf Klimaschutz Verfassungsrang einräumt. Die Prozessbevollmächtigten sind wieder Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt und Dr. Franziska Heß, Vorsitzender und stellvertretende Vorsitzende des BUND Sachsen.

Der SFV und der BUND verklagen nach 2018 erneut gemeinsam die Bundesregierung. Gemeinsam mit vier Einzelkläger/-innen bilden sie den Kreis der Beschwerdeführer/-innen.

Gefährlich ambitionslos

Mit dem neuen Klimaschutzgesetz verstößt die Bundesregierung nach Auffassung der Beschwerdeführer/-innen gegen das Grundgesetz. Das enthaltene Ziel- und Ambitionsniveau ist zu niedrig. Maßstab des Handelns muss die klimawissenschaftlich fundierte, rechtlich verankerte Grenze von global 1,5 Grad maximaler Erderhitzung sein, um die Folgen der Klimakrise noch beherrschbar zu halten.

„Klimaschutz ist Menschenrecht“, stellen BUND und SFV übereinstimmend fest. „Das novellierte Klimaschutzgesetz ist gefährlich ambitionslos. Damit setzt die Bundesregierung die Freiheiten heutiger und künftiger Generationen aufs Spiel. Die Lösungen im Kampf gegen die Klimakrise sind da, aber die Umsetzung braucht endlich Priorität in der Regierung. Bislang bleibt sie die erforderlichen Maßnahmen schuldig. Und weil die Bundesregierung nicht ausreichend handelt, handeln wir.“

Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND, sagt deshalb: „Die Klimapolitik dieser Regierung ist eine Enttäuschung. Statt Zögern und Aussitzen braucht es mehr Handeln und Tempo. Aber Mahnen reicht nicht mehr, wenn Häuser von Hochwasser geflutet werden, Äcker austrocknen, Wälder brennen und Arten massenhaft aussterben. Das sind Folgen einer Politik, die nachfolgenden Generationen die Chance auf ein gutes Leben nimmt. Ohne eine wirksame Klimapolitik können wir unseren Wohlstand und unsere Sicherheit nicht erhalten.

Noch ist es nicht zu spät, aber dafür ist jetzt ehrgeiziges Handeln nötig. Die verpassten Chancen von heute sind die Krisen von morgen. Deshalb klagen wir: Klimaschutz ist Menschenrecht. Die Regierung hat einen Eid zum Wohle Deutschlands und zur Wahrung des Grundgesetzes geleistet. Wir fordern die Regierung auf, sich daran zu halten.“

Schon die Klimaziele sind grundrechtlich schwach

„Bereits seit 2010 setzt sich der SFV unermüdlich dafür ein, den Klimaschutz als Grundrecht zu verankern. 2021 konnten wir einen bedeutenden Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht erzielen. Doch statt die gewichtigen Argumente des obersten Gerichts ernst zu nehmen, reduziert die Bundesregierung ihre bereits gefährlich unzureichenden Klimaschutz-Ambitionen weiter“, kritisiert Susanne Jung, Geschäftsführerin SFV.

„Im Namen der Überlebenschancen heutiger und zukünftiger Generationen dürfen wir diesen eklatanten Rechtsbruch keinesfalls hinnehmen.“

Die beiden Prozessbevollmächtigten Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt und Dr. Franziska Heß erklären dazu: „Die deutschen Klimaziele sind schon an sich grundrechtswidrig schwach, weil praktisch kein Klimabudget mehr vorhanden ist – für die 1,75-Grad-Grenze nicht, und für die 1,5-Grad-Grenze, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte jüngst als die menschenrechtlich maßgebliche Grenze bezeichnete, erst recht nicht.

Mit dem neuen Klimaschutzgesetz wird die Einhaltung selbst der unzureichenden deutschen Ziele weiter erschwert. Und die konkreten deutschen Klimaschutzmaßnahmen reichen weder für die eigenen schwachen noch für ambitionierte Klimaziele aus. In dieser Situation ist es Aufgabe des Verfassungsgerichts, die Politik an die Grenzen ihrer Gestaltungsspielräume zu erinnern und die Freiheit und ihre Voraussetzungen wirksam zu schützen.“

In einem Beitrag für die „Zeit“ schrieb Felix Ekardt dieser Tage, warum das Herumgeeier beim Klimaschutz überhaupt nichts hilft gegen das Aufkommen rechtsextremer Parteien. Im Gegenteil: Um das Aufkommen der Populisten einzudämmen, brauche es mehr Klimaschutz, der für die Wählerinnen und Wähler auch spürbar wird.

Die Beschwerdeführer

Beschwerdeführende sind der BUND und der SFV sowie vier Einzelkläger/-innen, die ihre Klage persönlich wie folgt begründen.

Kerstin Lopau, 33 Jahre, Ingenieurin für Erneuerbare Energien und Gründerin eines Solarkollektives, erklärt: „Ich baue konkrete Alternativen auf, aber das ist wie ein Tropfen auf den heißen Stein – wortwörtlich. Solange die Bundesregierung konsequenten Klimaschutz sabotiert, reicht es nicht. Daher müssen jetzt Maßnahmen auf höchster Ebene her. Die Bundesregierung soll im Sinne von uns Bürger*innen handeln, und dazu fordere ich sie mit der Klage auf.“

Karola Knuth, 23 Jahre, Studentin in Heidelberg, engagiert sich im ehrenamtlichen Bundesvorstand der BUNDjugend und findet: „Die Regierung muss die Freiheiten heutiger und künftiger Generationen schützen, indem sie konsequenten Klimaschutz macht. Deutschland hat seinen fairen Anteil am globalen CO₂-Budget zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze bereits aufgebraucht.

Jede zusätzliche Tonne CO₂, die wir ausstoßen, ist demnach zu viel. Wir erleben, dass die Regierungskoalition einknickt, wenn es Gegenwind gibt. Dieser Zickzack-Kurs riskiert unsere Zukunft und unser Recht auf Freiheit. Ich erhoffe mir, dass das höchste deutsche Gericht die Leitplanken für Klimaschutz nochmal klarer definiert.“

André Wendel, 54 Jahre, Busfahrer in Leipzig und Gewerkschaftsmitglied, betont: „Aus meiner Sicht hat die Bundesregierung ihre Hausaufgaben nicht erledigt. Wenn wir unsere Mobilität und damit auch den Wohlstand trotz Klimakrise erhalten wollen, müssen wir den Verkehrssektor radikal umbauen und ausreichend finanzieren. Damit können wir aber nicht irgendwann beginnen, das muss jetzt passieren. Ich will, dass wir konsequent das Klima schützen und dabei auf soziale Gerechtigkeit achten.“

Und Dr. Mareike Bernhard, 35 Jahre, Assistenzärztin in Koblenz, engagiert sich bei „Health for Future“, ist Mutter von drei kleinen Kindern und sagt: „Als Ärztin bin ich täglich mit den gesundheitlichen Folgen der Klimakrise konfrontiert. Erst vor wenigen Tagen ging die Schlagzeile um die Welt, dass bei der Hadsch in Mekka Hunderte von Pilgern der enormen Hitze erlegen sind.

Auch bei uns in Mitteleuropa steigt die Zahl der Hitzetoten, zehntausende waren es in den letzten beiden Sommern europaweit. Angesichts des damit verbundenen menschlichen Leids macht mich die Untätigkeit der Bundesregierung fassungslos.“

Das Faktenblatt „Klimaklage: Klimaschutz ist Menschenrecht“ findet man hier.

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