Es ist ein Meilenstein zur Rettung des Feldhamsters in Sachsen: Die ersten Vertreter der vom Aussterben bedrohten Tierart sind in Nordsachsen ausgewildert worden. Um ein Aussterben dieses charismatischen Feldbewohners zu verhindern, engagiert sich der Zoo Leipzig zusammen mit seinen Partnern des Arbeitskreises „Kooperativer Feldhamsterschutz im Freistaat Sachsen“ und in Kooperation mit dem Sächsischen Umweltministerium für den Erhalt und Schutz des Feldhamsters, der einst weit verbreitet war und gejagt wurde.
„Feldhamster stehen für eine vielfältige Kulturlandschaft, für einen naturverträglichen Ackerbau und somit für ein ganzes Ökosystem. Insofern bedeutet Feldhamsterschutz auch Wiederherstellung von Lebensräumen und Erhalt vieler Tier- und Pflanzenarten unserer Äcker. Durch die Kooperation vieler Beteiligter einschließlich der Landwirtschaft kann es gelingen, die Art zu erhalten. Mit der ersten Auswilderung ist nun ein weiterer wichtiger Schritt getan“, kommentiert Umweltminister Wolfram Günther das Kooperationsprojekt.
Nach einem sehr erfolgreichen Zuchtjahr 2023 im Zoo Leipzig und der Vorstellung der gemeinsam erarbeiteten „Strategie zum kooperativen Schutz des Feldhamsters im Freistaat Sachsen für den Zeitraum 2024 bis 2035“ im April dieses Jahres ist mit der Auswilderung der ersten Tiere ein erster wichtiger Schritt zur Bestandsstützung der Feldhamsterpopulation in Nordwestsachsen getan, stellt der Zoo Leipzig fest. Insgesamt sollen 71 Feldhamster ausgewildert werden.
„Lebensraum- und Klimaveränderungen haben dazu geführt, dass wir diese Säugetierart in Deutschland verlieren, wenn wir nicht gemeinsam dagegen steuern. Die Zucht in menschlicher Obhut und Auswilderung sind unabdingbar, um den Bestand zu mehren und eine selbsterhaltende Population zu erreichen. Das Projekt zur Rettung des Feldhamsters vereint unsere Kernkompetenzen wie Haltung und Zucht für den Arterhalt mit der Expertise unserer Partner für Landwirtschaft und Ökologie“, sagt Prof. Jörg Junhold, Direktor des Zoos Leipzig.
30 Hektar für den Feldhamster
Zur Vorbereitung der Auswilderung wurde in den vergangenen Monaten ein rund 30 Hektar großes Feld feldhamsterfreundlich mit drei verschiedenen Kulturen (Wintergetreide, Luzerne und Blühmischungen) in Streifen bestellt.
„Es ist mir ein großes Anliegen, das Projekt und damit den Erhalt der Artenvielfalt in unserer Region zu unterstützen. Wir müssen Wege gehen, um die Interessen der Natur sowie von uns Menschen miteinander zu vereinbaren“, sagt der bewirtschaftende Landwirt André Kleiber.
Darüber hinaus beteiligen sich auch weitere engagierte Landwirte an der feldhamsterfreundlichen Bewirtschaftung, um den Erfolg der Auswilderung zu unterstützen.
Von dem neuen Lebensraum für die Feldhamster wurden fünf Hektar mit einem Elektrozaun zum Schutz vor Fressfeinden wie Fuchs und Marder gesichert. Des Weiteren wurden Erdröhren vorgegraben, mit einer kleinen Futterration für den Start ausgestattet und mit Schutzgittern gegen Greifvögel versehen, in die sich die Tiere zurückziehen können. Damit wird das Ankommen im natürlichen Lebensraum erleichtert.
Um das Verhalten der Feldhamster auf dem Feld, die Entwicklung der Feldhamsterpopulation sowie das Verhalten der anderen Feldtiere beobachten und analysieren zu können, wurden Wildkameras installiert. In den kommenden Tagen und Wochen müssen sich die Feldhamster orientieren und mit der Futter- sowie Partnersuche auf dem Feld beginnen, um die Feldhamsterpopulation im Freistaat Sachsen zu stärken.
Der NABU Sachsen zu Feldhamster-Projekt
Dieser Schritt ist vermutlich die letzte Chance zur Rettung der bedrohten Feldhamsterpopulation in Sachsen und zeigt, dass die bisherigen Maßnahmen zu seinem Schutz nicht die nötige Sicherung der Hamsterbestände gebracht haben, kommentiert der NABU Sachsen die Auswilderung.
„Mit Intensivierung der Landwirtschaft, verstärkter Inanspruchnahme anderer Landnutzungsformen sowie steigender Flächenversiegelung und -zerschneidung der Landschaft ist der Hamster, einst ein häufiger Schädling, in Sachsen seit einigen Jahren kaum noch nachzuweisen. Aus diesem Grund hat der Arbeitskreis sich zum Schritt der Nachzucht und anschließender Auswilderung entschlossen.
Die heutige Aktion ist nun der Start eines mehrjährigen Wiederansiedlungsversuches. Auch der NABU unterstützt die Auswilderung, weist aber mit Nachdruck darauf hin, dass es mit der Freisetzung gezüchteter Tiere nicht getan ist – im Gegenteil. Daraus ergibt sich die Pflicht, alle Maßnahmen zu ergreifen, die dem Hamster ein Überleben, die Vermehrung und die Verbreitung erlauben.“
Hierfür können jedoch nicht nur die Akteure im Arbeitskreis Feldhamsterschutz in die Verantwortung genommen werden. Vielmehr bedürfe es auch der Anstrengung und Unterstützung von Politik, Kommunen und Landnutzern sowie eines umsichtigen Umgangs mit dem Flächenverbrauch u.a. hinsichtlich großer Versiegelungsprojekte, die gerade auch im Raum Delitzsch, dem letzten potenziellen Feldhamsterlebensraum, geplant sind.
„Mit der Nachzucht und Auswilderung ist uns eine zweite Chance gegeben, die genutzt werden muss“, sagt Maria Vlaic, Landesvorsitzende des NABU Sachsen.
Insofern sei der Schutz des Feldhamsters nicht nur eine Aufgabe des Arbeitskreises, der Naturschutzbehörden und des Umweltministeriums, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe aller Behörden und Ministerien im Freistaat. Ob die erste Auswilderung als Erfolg zu werten ist, werde die nahe Zukunft zeigen, wenn weitere Entscheidungen zur Flächeninanspruchnahme und Zerschneidung der Lebensräume durch Infrastrukturvorhaben getroffen werden.
Der NABU Sachsen stehe hinter der aktuellen Strategie des Arbeitskreises Feldhamsterschutz, die auch die Zucht und Auswilderung beinhaltet, fordert jedoch auch die Unterstützung der sächsischen Landesregierung.
Der kooperative Feldhamsterschutz in Sachsen
Das gemeinsame Kooperationsprojekt verfolgt das Ziel, im letzten sächsischen Vorkommensgebiet geeignete Lebensbedingungen für den Feldhamster zu schaffen und so eine überlebensfähige Population dauerhaft zu erhalten. Dafür war und ist das 2008 beschlossene kooperative Handeln von Naturschutz und Landwirtschaft auf der Basis vertraglicher Vereinbarungen, freiwilliger Maßnahmen und unter Mitwirkung der zuständigen Behörden und des Zoos Leipzig ein erfolgversprechender Weg.
Zugleich dient das Projekt dem Schutz der Vielfalt an Arten in unserer Kulturlandschaft. Denn wo der Hamster leben kann und neben Rebhuhn und Feldhase Indikator für eine intakte Agrarlandschaft ist, können noch zahlreiche andere Arten profitieren, nicht zuletzt der Mensch.
Keine Kommentare bisher