Die Sonne schien. Das hatten die Gewürdigten wohl verdient. Am Donnerstag, dem 7. März, wurden in der Springerstraße in Gohlis die Stolpersteine für Gerda Taro und die Familie Pohorylle verlegt. Seit Frühjahr 2023 recherchierte eine Projektgruppe von zwölf Schüler/-innen der 12. Klassenstufe der Gerda-Taro-Schule die Schicksale der Leipzigerin Gerta Pohorylle, die sich als Fotografin Gerda Taro nannte. Und zu denen ihrer Familienangehörigen.
Zur Familie gehörten neben Gerta, die Eltern Gittel und Hirsch Pohorylle sowie die beiden jüngeren Brüder Oskar und Karl Pohorylle.
Gerda Taro wurde am 1. August 1910 als Gerta Pohorylle und Tochter einer jüdischen Unternehmerfamilie in Stuttgart geboren. Im August 1929 zog sie mit ihrer Familie in die Springerstraße 32 nach Leipzig. Hier setzte sie sich schon in jungen Jahren politisch im „Sozialistischen Schülerbund“ und in der „Roten Schülergewerkschaft“ ein.
Am 18. März 1933 wurde auch Gerda aufgrund des politischen Widerstands ihrer Brüder für 17 Tage von der SA in sogenannte Schutzhaft genommen. Doch auch sie selbst beteiligte sich an Flugblattaktionen gegen das Nazi-Regime.
Aus Angst vor weiteren Repressionen floh Gerta Pohorylle ins Pariser Exil. Dort lernte sie 1934 den ungarischen Emigranten und Fotografen André Friedmann kennen. Als Gegenleistung dafür, dass Gerda in ihrer Freizeit Artikel für André Friedmanns Bilder verfasste, brachte er ihr das Fotografieren und Entwickeln bei. Sie waren nicht nur Kollegen, sondern führten auch im privaten Leben eine Partnerschaft.
Um von der Fotografie leben zu können, mussten nicht nur ihre Bilder eine Marke repräsentieren, auch ihre Namen mussten zur „Marke“ werden. So wurde aus Gerta Pohorylle das Psyeudonym „Gerda Taro“ und aus Andre Friedmann „Robert Capa“.
Im Juli 1936 begann der Spanische Bürgerkrieg. Am 5. August reisten auch Capa und Taro nach Spanien, um die Gräuel des Krieges an der Zivilbevölkerung zu porträtieren. Ihre Bilder gingen um die Welt.
Am 25. Juli 1937 wollte Gerda Taro ein letztes Mal an die Front, um den erneuten Befreiungsversuch Madrids mit ihren Bildern zu dokumentieren. Ihre letzten Fotografien zeigen brennende LKWs, die einem unerwarteten Bombenangriff zum Opfer fielen. Sie selbst erlag den Folgen einer schweren Verletzung, den sie aufgrund eines Unfalls an der Front erlitt.
Gerda Taro starb am 26. Juli 1937 im Alter von 27 Jahren.
Sie war eine der ersten Frauen, die den Beruf der Fotoreporterin ausübte und als Kriegsberichterstatterin die Welt schonungslos an der Wirklichkeit des spanischen Bürgerkriegs teilhaben ließ.
Aber nicht nur Gerda wurde am Donnerstag mit einem Stolperstein gewürdigt. Erstmals erinnern Stolpersteine auch an die Schicksale ihrer nächsten Verwandten.
Gerdas Familienangehörige
Nachdem die beiden Brüder von Gerda aufgrund ihres politischen Widerstands untergetaucht waren, verließ die Familie 1935/1936 Leipzig mit den Zielen England und/oder Palästina. Diese Hoffnungen zerschlugen sich jedoch und der einzige Anlaufpunkt im Ausland bildeten die Verwandten der Mutter in Jugoslawien. Die Familie lebte ab da bei den Großeltern in Petrovgrad, dem heutigen Zrenjanin (Serbien). Die Mutter Gittel Pohorylle verstarb bereits 1937.
Möglicherweise fühlten sich Hirsch Pohorylle, seine beiden Söhne und die weiteren Verwandten relativ sicher. Im Gegensatz zum kroatischen Teil des Landes hatte der Antisemitismus in Serbien keine Tradition. Doch mit dem deutschen Überfall vom 6. bis 17. April 1941 wurde Jugoslawien zerschlagen. Die jüdische Bevölkerung war schlagartig Repressionen wie im Deutschen Reich ausgeliefert, und die Verfolgung der Juden eskalierte innerhalb kürzester Zeit.
Die Verschleppung der jüdischen Männer aus Petrovgrad hatte im August 1941 angefangen. Sie wurden in ein Lager in einem Belgrader Vorort verbracht, wo sie als Geiseln bei Massenerschießungen ermordet wurden. Wann genau Gertas Vater Hirsch Pohorylle und die Brüder Oskar und Karl Pohorylle abgeholt und wann sie umgebracht wurden, ist nicht überliefert.
Am Donnerstag, dem 7. März, wurden vor der Springerstraße 38/40, der damaligen Springerstraße 32, auch in Anwesenheit der Schülerinnen und Schüler aus der Gerda-Taro-Schule Stolpersteine für alle fünf Mitglieder der Familie Pohorylle verlegt.
„Wir freuen uns, dass mit den Stolpersteinverlegungen nun ein weiterer Ort der öffentlichen Erinnerung an das Schicksal der berühmten Leipzigerin Gerda Taro und ihrer Familienangehörigen geschaffen wird“, äußerte sich Christopher Mäbert, Projektleiter des Erich-Zeigner-Haus e.V.
Und Carlo, Schüler der Gerda-Taro-Schule, betonte: „Für viele ist Gerda Taro lediglich eine Kriegsfotografin, doch ist ihnen nicht bewusst, dass sie im Nationalsozialismus Widerstand leistete und Deutschland aufgrund der Verfolgung des Regimes verlassen musste.“
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Es freut mich sehr, liebe Redaktion, daß sie von diesem Gedenken gestern berichten. Ich war auch zugegen und traf unter den ca. 100 Anwesenden einige Freunde und etliche Bekannte, und ich kam mit einigen der Initiatoren ins Gespräch. Die in dem einen Photo, gleich neben dem Ort der neuen Messingquader für die Familie Pohorylle, noch erkennbare Pflasterung einer Einfahrt scheint der letzte Rest vom damaligen Wohnhaus Springerstraße 32 zu sein. Ich bin gespannt, die Texte der Schüler der Taroschule über das Schicksal der Familie einmal selbst zu lesen.