Die Verkehrswende braucht mehr Geld. Doch in Bund und Land wird gebremst und gespart. Selten war ein dringend notwendiges Umbauprojekt im Deutschland so schlecht finanziert, wie aktuell die Mobilitätswende. Das spüren auch die Leipziger. Acht Stadt- und Landrät/-innen haben am Donnerstag, dem 8. Februar, öffentlich die Petition auf der #wirfahrenzusammen-Stadtversammlung unterzeichnet und Stadtgesellschaft und LVB- und IFTEC-Beschäftigten zugesagt, sich für den Ausbau von Bus und Bahn einzusetzen.

Konkrete Zusagen für eine sozial gerechte Verkehrswende, die bis zum deutschlandweiten Klimastreik am 1. März eingelöst werden sollen, machten die Politiker/-innen den Aktiven von #WirFahrenZusammen.

Darunter Marco Böhme (MdL, Die Linke), der zugesagt hat, sich für mehr Geld und einen Ausbau des ÖPNV in ländlichen Gebieten einzusetzen. Dr. Daniel Gerber (MdL, Bündnis 90/Die Grünen) wird sich für die Reaktivierung von Strecken insbesondere auf dem Land einsetzen wird.

Franziska Riekewald (Linke-Stadträtin, Aufsichtsrat der LVB) soll sich bei der LVB-Geschäftsführung und dem Freistaat Sachsen für mehr Geld für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten, die in den aktuellen Tarifverhandlungen von der Gewerkschaft ver.di gefordert werden, engagieren.

Auch Grünen-Stadtrat und LVB-Aufsichtsrat-Mitglied Michael Schmidt sagte zu, zum Thema Verkehrswende mit den anderen Parteien ins Gespräch zu gehen. Anja Feichtinger (SPD-Stadträtin) wollte hingegen die kommenden Stadtratssitzungen abwarten.

Die Stadträtin Franziska Riekewald (Die Linke). Petitionsübergabe vom Bündnis #WirFahrenZusammen bei der Stadtversammlung am Uni-Campus Jahnallee. Foto: Jan Kaefer
Stadträtin Franziska Riekewald (Die Linke). Petitionsübergabe vom Bündnis #WirFahrenZusammen bei der Stadtversammlung am Uni-Campus Jahnallee. Foto: Jan Kaefer

Gleichzeitig wollen sich die Aktiven nicht auf die Politik verlassen.

„Am Ende liegt es an uns, an jedem einzelnen, ob wir das durchsetzen, was wir für ein gutes Leben brauchen und was uns zusteht. Einen Abend wie diesen könnte man genauso für die Kolleginnen und Kollegen in den Pflegeberufen oder den Schulen und Krippen machen, denn dort gilt das Gleiche. Wir sehen, was möglich ist, wenn wir uns organisieren und zusammen Druck hinter unsere Forderungen bringen.

Diesen Druck müssen wir nun aufrechterhalten und erhöhen. Zum 1. März müssen wir mehr werden und zeigen, wie viele wir sind. Die Zeit der Bitten und Appelle muss vorbei sein!“, sagt André, Beschäftigter bei den LVB.

16 Milliarden Euro werden gebraucht

Die Kampagne #WirFahrenZusammen von ver.di und Fridays for Future (FFF) fordert bundesweit bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten im ÖPNV und mindestens 16 Milliarden Euro mehr bundesweit an Investitionen in Bus und Bahn. Rund 250 Menschen waren bei der Stadtversammlung anwesend. Eingeladen waren Lokal- und Landes- und Bundespolitiker/-innen, unter anderem auch Oberbürgermeister Burkhard Jung, der jedoch nicht erschien.

Am 2. Februar hatten die LVB-Beschäftigten bereits in einem Warnstreik bewiesen, dass ohne sie Busse und Bahnen stillstehen. Unterstützt wurden die Beschäftigten der LVB und die Klimaaktivist/-innen auf der Stadtversammlung auch von Beschäftigten in der Pflege, aus Kindertageseinrichtungen und von Fahrgästen.

Die Übergabe der Petition geschah anlässlich der laufenden Tarifverhandlungen im öffentlichen Nahverkehr. Die seit September 2023 gesammelten 5.000 Unterschriften verdeutlichen, wie viele Leipziger/-innen sich hinter die Forderungen der Beschäftigten stellen.

Die Petitionsübergabe vom Bündnis #WirFahrenZusammen bei der Stadtversammlung am Uni-Campus Jahnallee. Foto: Jan Kaefer
Petitionsübergabe vom Bündnis #WirFahrenZusammen bei der Stadtversammlung am Uni-Campus Jahnallee. Foto: Jan Kaefer

„Wir sind alle auf Busse und Bahnen angewiesen, um uns sicher bewegen zu können. Der öffentliche Nahverkehr sollte für uns da sein, doch seine Zuverlässigkeit kann immer weniger abgesichert werden. Die Verkehrsbetriebe wurden kaputtgespart und die Arbeitsbedingungen sind schlecht. Jetzt ist die Zeit gekommen, endlich etwas zu verändern!“, verdeutlicht Robin, aktiv bei #WirFahrenZusammen.

„Es soll den Verantwortlichen die Möglichkeit gegeben werden, sich zu den Forderungen zu bekennen und zu handeln. Damit ich meinen Job machen kann, ohne daran kaputtzugehen, muss sich etwas ändern“, sagt Daniel, Straßenbahnfahrer aus Leipzig.

In der Petition fordert #wirfahrenzusammen unter anderem: Gute Arbeitsbedingungen und mehr Personal im Nahverkehr, verbesserte Mobilität und massive Investitionen in den ÖPNV.

Wortmeldungen von #wirfahrenzusammen

Aus Sicht der Nutzer/-innen betonte Kiwi, Schülerin und aktiv bei FFF: „Vor allem im Winter wird mir oft ins Gedächtnis zurückgerufen, wie sehr ich auf Bus und Bahn angewiesen bin. Aber ich erinnere mich auch an Tage in anderen Jahreszeiten, an denen ich morgens mit dem Fahrrad zur Schule gefahren bin und abends dankbar war für eine Bahn, die mich nach einem anstrengenden Tag sicher nach Hause bringt.“

Clara, Pflegefachkraft am Uniklinikum Leipzig, ging auf die Rolle des ÖPNV beim täglichen Weg zur Arbeit ein: „Wir als Arbeiter/-innen im Schichtdienst, sind nicht nur auf einen guten Nahverkehr angewiesen, mit dem wir zu frühesten und spätesten Zeiten zur Arbeit und nach Hause kommen. Wir als Arbeiter/-innen wollen faire Arbeitsbedingungen und Löhne für alle!“

Jupp, Rentner und aktiv bei #WirFahrenZusammen sagte: „Im Rückblick habe ich vor allem Fahrplanausdünnungen, Rückbau von Gleisen und das Zumachen von Strecken erlebt. Gleichzeitig wurden immer wieder die Finanzen gedeckelt. Das heißt, das Geld für den ÖPNV hat nie gereicht. Gleichzeitig musste ich erleben, wie viel tausende Kilometer neuer Straßen gebaut worden sind.“

Bei der Petitionsübergabe vom Bündnis #WirFahrenZusammen bei der Stadtversammlung am Uni-Campus Jahnallee. Foto: Jan Kaefer
Petitionsübergabe vom Bündnis #WirFahrenZusammen bei der Stadtversammlung am Uni-Campus Jahnallee. Foto: Jan Kaefer

Und Juliane, Erzieherin in einer Leipziger Kinderkrippe, betonte: „Ich kann euch verstehen, wenn ihr davon berichtet, dass es keine Zeit oder Möglichkeit gibt, auf Toilette zu gehen oder trotz widriger Arbeitsbedingungen alles zu geben, weil ihr die Verantwortung für so viele andere Menschen tragt. Dieses Problem kennen auch wir Erzieherinnen sehr gut. Deshalb ist es eine absolute Katastrophe und deshalb stehe ich zu 100 Prozent hinter euren Forderungen nach einem Job, der euch nicht krank, sondern glücklich macht.“

Rosalie und Noa von „Rollender Widerstand“, einer Klimagruppe, die sich für Barrierefreiheit einsetzt: „Wir haben ein paar Minimalforderungen für Barrierefreiheit im öffentlichen Nahverkehr dabei, denn sonst müssten wir stundenlang reden. Wenn man zum Beispiel mit dem Regio fährt, muss man sich oft anmelden, weil die Bahnsteige nicht abgesenkt sind und man nicht alleine reinkommt. So wird spontanes Reisen zu einer unmöglichen Herausforderung.“

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