Ein Grundbaustein von Beteiligung ist der Zugang zu den notwendigen Informationen. Wo finde ich zum Beispiel einen Deutschkurs in der Stadt? Wie kann ich eine Petition einreichen? Muss ich dafür Unterschriften sammeln? Wo ist das nächstgelegene Jugendzentrum? Wie komme ich an einen städtischen Kita-Platz? Auf leipzig.de werden alle diese Informationen gebündelt. Aber findet man auch das, wonach man sucht?
Eher nicht, ist meine eigene Erfahrung. Man muss schon genau wissen, welche Information man braucht. Um sich einen Überblick über alle Angebote der Stadt zu verschaffen, eignet sich die Webseite allerdings nicht. Auch bei der Leipzig App sieht es nicht besser aus – Nutzer*innen berichten regelmäßig von ähnlichen Frustrationen.
Woran hapert es und wie könnte sich das verbessern lassen? Über diese Fragen habe ich mit Prof. Dr. Ulrich Nikolaus* gesprochen. Er ist Professor für „Multimediales Publizieren und Kommunikationsdesign“ an der HTWK Leipzig. Er hat kurzfristig keine detaillierte Analyse der Webseite durchgeführt, sondern berichtet vor allem aus Erfahrungswerten, die auf Analysen anderer Webauftritte beruhen.
Amtsdeutsch und Leichte Sprache
Grundsätzlich gehört zur Zugänglichkeit und Übersichtlichkeit einer Webseite, so Prof. Dr. Nikolaus, die Barrierefreiheit. Darunter zählen die Kontraste auf der Webseite, die Schriftgröße oder auch die Möglichkeit, die Webseite in Leichter Sprache aufzurufen. Leichte Sprache bezeichnet dabei eine Sprache, die unter anderem einfache Wörter, kurze Sätze und Bilder verwendet und für Menschen mit wenig Kenntnissen der deutschen Sprache oder im Lesen zugänglich sein soll. Gerade wenn Amtsdeutsch verwendet wird, kommen die meisten Menschen an ihre Verstehens-Grenzen.
Zum Beispiel finden sich viele Informationen in Leichter Sprache auf der Seite barrierefrei.leipzig.de. Beim BIK BITV-Test, einem Verfahren zur Prüfung der Barrierefreiheit von Webseiten, hat die städtische Webseite mit 93,25 von 100 Punkten das Ergebnis „gut zugänglich“ erhalten. Die Barrierefreiheit sei an vielen Stellen mitgedacht worden, es gebe aber noch Nachbesserungsbedarf an einigen Stellen.
Wo finde ich was?
Prof. Dr. Ulrich Nikolaus spricht aber noch einen zweiten Aspekt an: „Ob man allerdings, wenn man nicht weiß, dass es Leichte Sprache heißt, diese Webseite in der Leichten Sprache so schnell finden kann, das ist wieder eine andere Geschichte.“
Diese sogenannte „Informationsarchitektur“ bezeichnet die Sortierung der Informationen auf einer Webseite und wie der Nutzer diese finden kann.
„Je größer eine Seite ist, umso schwieriger wird es, die Informationen zu strukturieren. Man sagt nach den Regeln der Informationsarchitektur, dass ein Hauptmenü im Schnitt acht bis zehn Navigationseinträge haben sollte. Das sind bei der Stadt Leipzig sechs, das haut noch hin. Auf der Ebene darunter sind es dann schon zehn. Da sind wir schon am Limit. Und dann gibt es noch eine weitere Unterebene, die dann wieder Unterpunkte hat. Da gibt es auch eine Regel, die sagt, man solle nach Möglichkeit mit zwei bis drei Navigationsebenen arbeiten. Sobald es mehr als drei Navigationsebenen sind, leidet die Übersichtlichkeit“, so Prof. Dr. Ulrich Nikolaus.
Hinter leipzig.de verstecken sich rund 20 000 Seiten, teilt auch das städtische Referat für Kommunikation mit.
Sinnvoll fĂĽr die Verwaltung oder fĂĽr die User?
Teilweise überträgt die Stadt die Struktur der Verwaltung, die verschiedenen Projekte und Zuständigkeiten einfach auf die Webseite, anstatt im Sinne des sogenannten User Centered Design zu überlegen, wie man eine Information für die Nutzer*innen der Webseite gut auffindbar macht:
„Es gibt verschiedene Ämter oder Dezernate. Jedes Dezernat oder Referat ist für einen bestimmten Bereich zuständig. Die bekommen dann auf der Webseite einen Unterbereich. Diese interne Logik der Verwaltungsstruktur ist für die Nutzer allerdings nicht immer unbedingt nachvollziehbar. Es ist aber teilweise auch schwierig, das anders zu machen, denn die Webseite soll ja auch so organisiert sein, dass zum Beispiel das Referat Jugend und Familie nur in einem bestimmten Bereich die Zugriffsrechte bekommt, um die eigenen Sachen selbst einstellen kann. Das ist aus technischen Gründen so sinnvoller.“
Dies sei ein Erfahrungswert von anderen Webseiten, ob die Leipziger Seite zentral verwaltet werde oder nicht, könne Prof. Dr. Nikolaus natürlich nicht sagen.
Bei der Stadt Leipzig komme noch hinzu, dass es eine breite Spanne von Zielgruppen gebe, von Familien bis hin zu Geflüchteten, Sozialhilfeempfänger*innen, Rentner*innen oder Menschen, die eine Kfz-Zulassung beantragen wollen. Wer ist dann also der User, auf den man ein User Centered Design zuschneiden müsste?
Was ist die Lösung?
Auch die Stadt selbst sieht die Probleme in der großen Zahl von Informationen. In diesem Jahr will die Stadt, so das Kommunikations-Referat, ihre Webseite grundlegend überarbeiten. In Unterseiten hat die Stadt sich bereits strukturiert, also verschiedene losgelöste Webseiten für bestimmte Themenbereiche wie zum Beispiel von den Stadtbibliotheken oder dem Jugendparlament.
Bereits jetzt stehe der Einstieg über externe Suchmaschinen im Mittelpunkt des Nutzerverhaltens, so heißt es aus dem Referat. Das heißt: Ich gebe bei Google, Ecosia, Startpage meinen Suchbegriff und dazu noch „leipzig“ oder „leipzig.de“ ein. Ein deutlich besserer Weg, an die Informationen zu kommen, als über die seiteninterne Suche.
Auch Prof. Dr. Nikolaus sieht darin eine Möglichkeit: „Bei einer Website mit dieser Komplexität, kommen Sie früher oder später mit einem Navigationssystem an ihre Grenzen. Ich glaube, dass die Stadt Leipzig ihr Möglichstes tut, aber bei dieser Informationsfülle wird es früher oder später unübersichtlich. Dann kommt die Suche ins Spiel.“
Amazon- und Ebay-Style
Eine Verbesserung des Suchsystems sei deshalb eine Möglichkeit, die Webseite zu verbessern. Als Vergleich führt Prof. Dr. Nikolaus Seiten wie Ebay oder Amazon an: Aufgrund der Menge an Produkten, nutzt dort niemand das Navigationssystem, sondern man findet die Produkte über die seiteninterne Suche.
Wenn man momentan die seiteninterne Suche der Stadt Leipzig benutzt, taucht man jedoch eher verwirrter daraus hervor.
Der Weg über externe Suche scheint also der einfachste Zugang zu Informationen auf der städtischen Seite zu sein. Und natürlich spielen muss Beteiligung durch Informationszugang auch offline stattfinden: Die Sozialarbeitenden in Geflüchtetenunterkünften müssen Flyer für Deutschkurse zur Verfügung stellen, über Kampagnen der Stadt wird auch durch Werbung auf der Straße informiert und – nicht zuletzt – haben auch Zeitungen wie wir die Aufgabe im alltäglichen Informations-Labyrinth ein paar Wege vorzuzeichnen.
*Prof. Dr. rer. pol Ulrich Nikolaus ist Diplom-Informatiker und hat zum Thema »Multimediales Lernen in Unternehmen« promoviert. Seit 2002 hat er die Professur »Multimediales Publizieren und Kommunikationsdesign« an der HTWK Leipzig inne. Er unterrichtet unter anderem Mediengestaltung und Interfacedesign.Â
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