Die aktuelle Bundesregierung steht derzeit von allen Seiten unter Beschuss. Und es ist kein Zufall, dass es vor allem die Klimaprojekte sind, die von konservativen Politikern besonders heftig attackiert werden. Und auch wenn das Feuer vor allem gegen die Grünen geht, trifft es auch die SPD, die auf ihrem klimapolitischen Kurs verunsichert werden soll. Doch jetzt wenden sich junge SPD-Politiker/-innen mit einem Appell an die eigene Partei, sich beim Thema Klima nicht einschüchtern zu lassen.
Kurz vor dem Bundesparteitag der SPD, der vom 8. bis 10. Dezember in Berlin stattfindet, haben die Mitglieder der Gruppe SPD.Klima.Gerecht und des SPD Klimaforums zusammen mit Nina Scheer, Delara Burkhardt und damit schon über 20 SPD-Abgeordneten aus Bund, Ländern und dem EU-Parlament einen „Klima-Appell“ an die SPD veröffentlicht. Dieser wird auch bereits vom Juso-Bundesvorsitzenden Philipp Türmer, sieben Juso-Landesverbänden sowie über 60 Juso und SPD-Gliederungen unterstützt.
Der Appell enthält 5 Kernforderungen, wie auch auf der Webseite spdklimaappell.com einsehbar.
1. Ein partizipatives Energiesystem
2. Ein zügig ausgezahltes Klimageld 2024
3. Eine Verbesserung des Klimaschutzgesetzes (KSG)
4. Eine Absage an die Schuldenbremse und eine Reform von unsozialen, klimaschädlichen Subventionen wie dem Dienstwagenprivileg
5. Eine Arbeitsgemeinschaft für Klimafragen in der SPD und eine enge Begleitung des (u.a. von Thomas Losse-Müller initiierten) Sozial-Klimarats.
„Mit diesen Impulsen wollen wir – auch gerade in der aktuellen Haushalts-Debatte – ein deutliches Signal für sozialen Klimaschutz setzen und unserer Partei helfen, sich stärker als bisher inhaltlich und strukturell auf die Klimakrise und ihre Auswirkungen auszurichten“, erklären die Mitglieder der Gruppe.
Der Appell erfährt dabei auch starke Unterstützung aus der Zivilgesellschaft, u.a. von Prof. Dr. Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Dr. Volker Stelzer von den Scientists4Future, Luisa Neubauer; German Zero sowie dem AWO Bundesverband.
Der Appell
Mutig und sozial – Appell und Impulse für die Klimapolitik der SPD
Liebe Genossinnen und Genossen, liebe SPD,
Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität – das sind die Grundwerte, für die die SPD steht. Zu diesen Werten zu stehen heißt, die Umwelt- und Klimakrise zu bekämpfen. In den aktuellen Zeiten von tiefen Gräben und großen Ängsten ist es Auftrag der SPD, sozial gerechte Lösungen der Klimakrise aufzuzeigen und für deren Umsetzung zu kämpfen. Uns fällt als Sozialdemokratie die historische Aufgabe zu, die Gesellschaft auf diesem Weg zusammenzuhalten und gleichzeitig alles Mögliche zu tun, das drohende Leid der Klimakatastrophe durch vorausschauende und wirksame Klimapolitik abzuwenden.
Wir sprechen uns dafür aus, die folgenden Impulse auf dem SPD-Bundesparteitag im Dezember, in der eigenen Kommunikation und in den nächsten Wahlkämpfen nach vorne zu stellen:
1. Für den Ausbau Erneuerbarer Energien. Auf dem Weg in ein klimaneutrales Energiesystem haben wir als Gesellschaft die Möglichkeit, viel zu gewinnen: ein partizipatives Energiesystem, das dezentrale Teilhabe ermöglicht und auf Dauer Energiekosten senkt. Wir können eine größere Unabhängigkeit von fossilen Importen aus Autokratien und Diktaturen erreichen. Klimaneutralität muss für uns bedeuten, dass jegliche in Deutschland verbrauchte Energie aus Erneuerbaren kommt. Dafür muss der Flickenteppich an Abstandsregeln und Mengensteuerungsinstrumenten mit ihren Effekten auf den Ausbau Erneuerbarer Energien beendet werden. Planungen müssen vereinfacht und die Planungsbehörden in die Lage versetzt werden, den Ausbau zu ermöglichen. Stärkere öffentliche Investitionen in Netzausbau und Netzertüchtigung sind erforderlich. Speichertechnologien und genossenschaftliche Lösungen sind zu fördern. Wir brauchen eine Energiewende für alle, nicht für wenige!
2. Einführung eines sozialen Klimagelds schon 2024. Die Kosten der Transformation belasten viele Menschen zusätzlich zur Inflation. Ein steigender CO2-Preis nimmt Verursachende in die Verantwortung und unterstützt das Erreichen der Klimaziele, ist ohne substanziellen Rückzahlungsmechanismus jedoch sozialer Sprengstoff. Ein zügig ausgezahltes Klimageld kann helfen, diesen Konflikt kurzfristig abzufedern. Das Klimageld muss so ausgestaltet sein, dass es einkommensschwachen Haushalten langfristig dabei hilft, klimaneutral zu werden. Das Klimageld darf nicht auf andere Sozialleistungen angerechnet werden. Dafür sollten in den aktuellen Haushaltsverhandlungen schon die Weichen gestellt werden.
3. Das 2019 beschlossene Klimaschutzgesetz ist ein großer Erfolg der SPD und der Klimabewegung. Die aktuelle Reform des Klimaschutzgesetzes sollte die Sektorenverantwortung beibehalten. Eine Reform sollte konkrete Sanktionen für Ministerien vorsehen, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Eine ganzheitliche und proaktive Betrachtung der Klimamaßnahmen ist ein guter Ansatz, sollte die individuelle Betrachtung der Sektoren aber nur ergänzen. Der Expert*innenrat und das Parlament sollten gestärkt werden.
4. Die Schuldenbremse ist kein geeignetes Instrument für einen modernen und aktiven Staat. Sie ist ganz sicher kein Instrument für die aktuellen Krisenzeiten. Sie blockiert dringend notwendige Investitionen in den Klimaschutz. Staat und Gemeinwesen müssen mit dem Ausbau von Wärmenetzen, dem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und Investitionen in digitale Infrastrukturen neue Aufgaben übernehmen, um allen ein klimaneutrales Leben zu ermöglichen. Kurzfristig können wir den Bundeshaushalt mit einer Reform des Dienstwagenprivilegs entlasten, das zu einem Großteil an reiche Haushalte ausgezahlt wird und diese bei der privaten Nutzung teurer Verbrennerwagen begünstigt. Dieses Geld ist in sozialen Projekten und bei der nötigen Verkehrswende besser aufgehoben, etwa bei der langfristigen Finanzierung des Deutschlandtickets. Zeitnah sollten alle fossilen Subventionen, zusammen über 50 Milliarden Euro, beendet werden.
5. Ein enger Austausch mit der Zivilgesellschaft und fundierte inhaltliche Arbeit, welche die breiten Erfahrungen der Parteibasis einbindet, haben eine lange und stolze Tradition in der SPD. Neben einer Arbeitsgemeinschaft für Klimafragen in der SPD unterstützen wir die Einrichtung eines Sozial-Klimarats. Dieser soll als Plattform sozialer Kräfte die Akteur*innen der Sozial- und Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften und Wissenschaft mit Verbänden und Gruppen der Klima-, und Umweltbewegung zusammenbringen. Dort sollen Leitlinien sozialer Klimapolitik beraten und erarbeitet werden. Parteivorstand und Vertreter*innen der Fraktionen sollen diesen Prozess begleiten und Impulse aus der Partei in die Diskussion tragen.
Wir leben in herausfordernden Zeiten. Stellen wir uns ihnen. Angesichts großer Umbrüche kommen in unserer Gesellschaft Ängste auf, die populistischen Parteien Auftrieb geben.
Gerade in diesen Zeiten ist es Aufgabe der SPD, progressiv und mutig für soziale Lösungen zu kämpfen! Mit einer Wende hin zu einer aktiveren Gestaltung des öffentlichen Diskurses und zu einer Bewegung in Partei und Gesellschaft können wir die Transformation zu einem klimaneutralen Europa in ein Erfolgsprojekt für alle Menschen verwandeln und unseren Planeten vor der Klimakatastrophe bewahren. Lasst uns diesen Weg gemeinsam beschreiten!
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