Es ist eigentlich immer wieder dasselbe: Mit aller Macht wird versucht, den Protest gegen eine klimaschädliche Wirtschaft zu unterbinden – sei es bei der Räumung von Lützerath, sei es beim staatsanwaltlichen Vorgehen gegen die „Letzte Generation“, sei es beim Vorgehen von DHL gegen den Protest gegen den Flughafenausbau, sei es bei symbolischen Tagebaubesetzungen, in denen die schmutzigste Energiequelle Thema war. Doch was ist mit den Journalisten, die dabei sind?
Erlischt ihr Recht auf freie journalistische Berichterstattung, wenn sich Proteste auf Tagebaugelände abspielen wie bei einer Aktion von Ende Gelände im November 2019 im Tagebau Schleenhain der Mibrag?
Hausfriedensbruch wurde dem Leipziger Journalisten Marco Bras dos Santos vorgeworfen, der am 30. November 2019 von der Tagebaubesetzung durch Aktivisten von Ende Gelände berichtete. Der Kohlekonzern MIBRAG hatte ihn wegen seiner Berichterstattung aus einem Braunkohletagebau bei Leipzig wegen Hausfriedensbruchs angezeigt. Anlass war die Blockade von Kohlebaggern durch das Aktionsbündnis Ende Gelände.
Die MIBRAG überzog damals eine ganze Reihe meinungsbildender Multiplikator/-innen mit Anzeigen, wie die damalige Pressesprecherin von Ende Gelände, sächsische Landtagsabgeordnete und mehrere Journalist/-innen.
Doch dagegen hat sich Marco Bras dos Santos jetzt mit einer Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht gewandt.
In der Klageschrift des Anwalts des Journalisten wird darauf verwiesen, dass es sich hier um SLAPP handele, also um den Missbrauch des Rechts, um Kritiker/-innen einzuschüchtern und damit elementare demokratische Rechte auszuhebeln.
Was Ende Gelände sagt
Dazu sagt Sina Reisch, die selbst von einer Strafanzeige durch die MIBRAG betroffene ehemalige Sprecherin von Ende Gelände: „Wer Kritik äußert, wird angezeigt. Das ist die Logik der fossilen Konzerne. Der Kohlekonzern MIBRAG fokussiert dabei die juristische Verfolgung öffentlich wirksamer Personen wie Journalist/-innen, Abgeordnete und mich als Pressesprecherin der Blockade-Aktion 2019. Dieses Vorgehen der fossilen Industrie weist auf eine antidemokratische Grundhaltung hin. Es ist eine reine Einschüchterungsstrategie und es ist brandgefährlich.“
Rita Tesch, heute Sprecherin von Ende Gelände, ergänzt: „Als Klimaaktivist/-innen erleben wir tagtäglich Repression. Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruchs in Kohlegruben gehören dazu. Das ist besonders lächerlich, weil die Energiekonzerne dort schon längst alle Häuser und jeglichen Frieden zerstört haben. Beliebt sind auch zivilrechtliche Schadensersatzforderungen von fossilen Konzernen, die meinen, dass Klimaaktionen ihren Profitinteressen in die Quere kommen. Gemeinsam mit den bürgerlichen Gerichten greifen sie die Versammlungsfreiheit, die Presse- und die Meinungsfreiheit an. Aber wir lassen uns davon nicht einschüchtern. Dass nun auch Journalist/-innen mundtot gemacht werden sollen, ist aber ein heftiger Eingriff in urdemokratische Rechte.“
Die Rolle von SLAPP-Klagen
SLAPP steht für „Strategic Lawsuits against Public Participation”. Dabei handelt es sich um eine Konzern-Strategie, die Kritiker/-innen einschüchtern und Kritik aus der Öffentlichkeit verbannen soll. Betroffen sind aktivistische Einzelpersonen, Journalist/-innen, Medien und Organisationen, die im öffentlichen Interesse auf Missstände hinweisen. Sie alle sollen mit langen Gerichtsprozessen, hohen Kosten und der Angst vor Verurteilung angegriffen und an ihrer Arbeit gehindert werden.
Dazu der Journalist Marco Bras dos Santos, der die Verfassungsbeschwerde nach seiner Verurteilung durch ein sächsisches Amtsgericht eingereicht hat: „SLAPP-Klagen, die sich im Schatten der Gesetzgebung gegen die Presse richten, hatten bislang zu wenig Aufmerksamkeit. Vom Bundesverfassungsgericht erhoffe ich mir nun eine zitierfähige Handreichung für nachgeordnete Gerichte und Behörden.“
Und Matthias von Fintel, Leiter des Bereichs „Medien, Journalismus und Film“ im ver.di-Bundesvorstand, ergänzt: „Journalist/-innen sind durch Artikel 5 des Grundgesetzes in ihrer Berufsausübung besonders geschützt und müssen für Reportagen und Recherchen auch dahin gehen, wo andere etwas verheimlichen wollen. Der Protest im Tagebau der MIBRAG bei Leipzig war ein Ereignis, über das zu Recht zu berichten war. Der Vorwurf des Hausfriedensbruchs ist gegen einen über diesen Protest für die Öffentlichkeit berichtenden Journalisten ungerechtfertigt. Die Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen die erstinstanzliche Gerichtsentscheidung wird hoffentlich den zu erwartenden Erfolg für die Pressefreiheit haben.“
Ein zivilgesellschaftliches Bündnis warnt schon seit langem davor, dass solche Einschüchterungsklagen wesentliche Grundrechte und damit die Demokratie gefährden. Konkret mahnt Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen in Deutschland und Teil des Bündnisses gegen SLAPPs, an: „Zur Pressefreiheit gehört, dass Journalist/-innen frei und ungehindert berichten können – auch und gerade von zivilgesellschaftlichen Protesten. Wenn sie wegen ihrer Arbeit mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen, hat das eine abschreckende Wirkung. Medien werden es sich dann in Zukunft zweimal überlegen, ob sie sich solche Berichterstattung überhaupt leisten können. Das wäre ein fatales Signal.“
Mathias Rittgerott von Rettet den Regenwald e.V., der eine Einschüchterungsklage des Palmölkonzerns Korindo nach drei Jahren Prozessdauer vor dem Landgericht Hamburg erfolgreich abwehren konnte, fügt aus eigener Erfahrung an: „SLAPPs sind eine Pervertierung unseres Rechtsstaats und eine Gefahr für die Demokratie. Es stehen nicht die Täter von Umweltzerstörung vor Gericht, sondern diejenigen, die sich für eine gerechtere Gesellschaft und die Natur einsetzen. Doch wer Aktivisten, Organisationen und Journalisten slappt, attackiert uns alle. Deshalb wehren wir uns gemeinsam gegen SLAPPs. Unser Fall hat gezeigt, dass auch kleine Organisationen wie wir nicht vor Konzernen einknicken müssen. Wenn Manager meinen, Aktivisten und Journalisten einschüchtern zu können, täuschen sie sich.“
Es gibt 2 Kommentare
Das ist er offenbar. Berichterstattung von wichtigen Ereignissen des Zeitgeschehens, kurz Pressearbeit, muss auch dann ungehindert möglich sein, wenn diese Ereignisse auf einem ansonsten durch das Hausrecht gegen unbefugtes Betreten geschützten Terrain stattfinden. Polizei und privilegierte Großgrundbenutzer und -ausbeuter wie z.B. Flughafen- oder Minenbetreiber haben das nicht so gerne. Ich hoffe mal, die Beschwerde wird zugelassen und das Gericht setzt ein Zeichen pro Pressefreiheit.
Ist der Journalist der Meinung das „Hausfriedensbruch“ durch die Pressefreiheit gedeckt ist.