Die Zahlen sind im Grunde seit Jahren stabil. Die meisten Bundesbürger finden die Demokratie gut. Aber viele finden, dass sie nicht gut funktioniert. Besonders in Ostdeutschland. So nun auch das Ergebnis der aktuellen Bevölkerungsumfrage im Rahmen der Studie „Demokratische Integration 2.0“ des Zentrums für zivilgesellschaftliche Entwicklung (zze) und des Instituts für Demoskopie Allensbach, die am Mittwoch, dem 31. Mai, vorgestellt wurde. Sie wird von der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) gefördert.

Die Umfrage belegt auch: Ehrenamtliche, die sich dauerhaft für das Gemeinwohl engagieren, sind zufriedener mit der Demokratie in Deutschland.

Die Sorgen der Leute

Ein wichtiger Hintergrund ist freilich die Tatsache, dass – nicht nur – Deutschland aktuell von mehreren Krisen gebeutelt wird. Einige davon sorgen schon länger für Verunsicherung, andere sind ganz aktuell und bereiten natürlich erst recht Sorgen.

So macht der russische Angriffskrieg 85 Prozent der Befragten große Sorgen, die erlebte Inflation 86 Prozent der Befragten.

Aber gleichzeitig erkennen die Befragten auch, dass viele Dinge im Land nicht mehr richtig funktionieren. Dass also die Politik entweder falsche Weichen gestellt oder Probleme nicht erkannt und nicht gelöst hat.
Von einer Mehrheit der Bevölkerung werden einige dieser größeren Probleme wahrgenommen, insbesondere in der Gesundheitsversorgung.

Des Weiteren ist eine Zunahme von Problemen in der Region, in der die Befragten leben, erkennbar. Im Vergleich zum Jahr 2021 nennen die Befragten im Jahr 2023 öfter hohe Miet- und Immobilienpreise (2021: 50 Prozent; 2023: 55 Prozent), den schlechten Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs (2021: 36 Prozent; 2023: 42 Prozent) und die zu hohen Lebenshaltungskosten (2021: 32 Prozent; 2023: 38 Prozent) als Probleme in ihrer Region.

Das geht natürlich an die Substanz und lässt die Menschen spüren, dass ihr Alltag unsicherer und unberechenbarer geworden ist. Und das oft einfach nur, weil wichtige soziale Infrastrukturen jahrelang kaputtgespart wurden, während die Steuern der Wohlhabenden gesenkt wurden. Das ist Ergebnis von Politik.

Nur wird das meist nicht den Politikern und Parteien angekreidet, welche die Verursacher dieser Fehlentwicklungen waren.

Zu spüren bekommen es in der Regel diejenigen, die Missstände beim Namen nennen und nach Lösungen suchen. Was natürlich für Konflikte sorgt, wenn 16 Jahre lang jeder Konflikt kleingeredet und negiert wurde.

Aber da können die, die nach Lösungen suchen, dann oft nicht auf die Wähler erzählen.

Demokratie ja, aber bitte anders

Das Vertrauen in die Demokratie als Regierungsform bleibt dennoch insgesamt stabil. 93 Prozent halten die Demokratie für eine gute Regierungsform. 2019 waren es noch 91 Prozent.

Die Einstellung zur Demokratie im politischen System in Deutschland hat sich allerdings verändert: Zwar geben drei Viertel der Befragten an, dass sich die Demokratie in Deutschland im Großen und Ganzen bewährt hat. Allerdings sind nur noch 62 Prozent der Bevölkerung mit der Art und Weise, wie die Demokratie in Deutschland funktioniert, sehr zufrieden oder eher zufrieden (gegenüber 68 Prozent in 2019). Der Bundesregierung vertrauen nur 53 Prozent der Bevölkerung „voll und ganz“ oder „eher“. Drei Jahre zuvor waren es noch 59 Prozent.

Und ebenfalls nicht neu: Die Problemwahrnehmungen und auch kritische Haltungen sind besonders in Ostdeutschland ausgeprägt. Während dort lediglich 37 Prozent die Demokratie, wie sie in Deutschland gelebt wird, als beste Staatsform bewerten, sind es in Westdeutschland 67 Prozent. In Westdeutschland sind 79 Prozent der Meinung, die Demokratie habe sich bewährt, in Ostdeutschland nur 50 Prozent.
Das hat natürlich mit Psychologie zu tun.

Insbesondere Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status sowie Anhängerinnen und Anhängern der AfD (in West wie Ost) fällt es schwerer, sich zur Demokratie in Deutschland zu bekennen und Vertrauen zu Institutionen zu entwickeln. Dahinter stehen oft Gefühle politischer Ohnmacht. Im Durchschnitt haben 35 Prozent der Befragten den Eindruck, machtlos zu sein und daran auch durch Engagement nichts ändern zu können. Bei Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status sind es 51 Prozent, in der Anhängerschaft der AfD sogar 65 Prozent.

Was man auch so interpretieren kann: Menschen, die sich ohnmächtig fühlen, neigen dazu, die AfD mit ihren simplen Parolen zu wählen.

Wer sich engagiert, hat weniger Grund zum Jammern

Denn sich selbst einzubringen und politisch oder ehrenamtlich aktiv zu werden, das kostet Kraft, Geduld und Zeit.

Wer sich freilich engagiert und mit den oft sperrigen Widerständen von Behörden und Gemeinderäten konfrontiert, der erlebt natürlich auch, dass Handeln einen stärkt und ermutigt. Man lässt sich nicht mehr so leicht abwimmeln und lernt wieder, sich an der Auseinandersetzung mit anderen zu erfreuen – gerade dann, wenn es um ganz konkrete Projekte geht.

Und so sind diese Zweifel bei Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, deutlich geringer ausgeprägt. Insbesondere Engagierte mit einem Amt oder einer festen, langfristigen Aufgabe sind mit dem Funktionieren der Demokratie zufrieden (70 Prozent der Engagierten mit Amt/fester Aufgaben, 62 Prozent der Gesamtbevölkerung, 59 Prozent der Nicht-Engagierten). Gleichzeitig erfahren sie seltener Gefühle politischer Ohnmacht (23 Prozent der Engagierten mit Amt/fester Aufgabe, 35 Prozent der Gesamtbevölkerung, 39 Prozent Nicht-Engagierte).

Prof. Dr. Thomas Klie vom Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung (zze) resümiert bei der Vorstellung der Studie: „Ein für die Zivilgesellschaft wichtiger Befund wurde bestätigt: Systemvertrauen, Zustimmung zur Demokratie und das Gefühl der Selbstwirksamkeit sind bei denjenigen deutlich stärker ausgeprägt, die sich engagieren. Die Übernahme von Verantwortungsrollen im Engagement erscheint gerade in Krisenzeiten wie den heutigen besonders wichtig.

Gleichzeitig ist Engagement besonders geeignet, die für das Systemvertrauen so essenzielle Erfahrung zu machen, unser Gemeinwesen (im Kleinen) mitgestalten zu können. Politik auf allen Ebenen ist gefragt, strukturelle Voraussetzungen zu pflegen und zu fördern, sodass Menschen sich engagieren können.“

Wie fördert man Engagement?

Mit dem Monitoring Demokratische Integration werden die Einstellungen zur Demokratie und Verhaltensweisen der Bevölkerung längerfristig beobachtet, um frühzeitig strukturpolitische Maßnahmen zur Förderung von Engagement und demokratischem Verhalten entwickeln zu können. Als Teil der Gesamtstudie „Monitoring Demokratische Integration“ wurde im Dezember 2022 eine repräsentative Bevölkerungsbefragung durchgeführt. Hierbei wurden 1.023 Personen mündlich-persönlich von 319 Interviewerinnen und Interviewern zu ihren Einstellungen zur Demokratie und zu entsprechenden Verhaltensweisen befragt.

„Die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) fördert Engagement und Ehrenamt vor allem in strukturschwachen und ländlichen Räumen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass dieser Fokus richtig und wichtig ist. Wir müssen Engagement und Ehrenamt vor allem dort stärken, wo das Vertrauen in unsere Demokratie und in die eigene Selbstwirksamkeit schwinden“, stellt die Vorständin der DSEE, Katarina Peranić, fest.

Die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt hat im Juli 2020 ihre Arbeit in Neustrelitz aufgenommen. Mit der Stiftung gibt es erstmals eine bundesweite Anlaufstelle zur Förderung ehrenamtlichen Engagements. Die Gründung der Bundesstiftung selbst ist ein zentrales Ergebnis der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ und ein gemeinsames Vorhaben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, des Bundesministeriums des Innern und für Heimat und des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.

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