Am 20. April kündigte das Amt für Stadtgrün und Gewässer an, dass es in Leipzig in diesem Jahr deutlich mehr Blühwiesen in den Parkanlagen geben soll. Aber so richtig glauben die Leipziger Umweltverbände die Botschaft nicht. Sie können nicht wirklich Fortschritte im Leipziger Grün entdecken und kritisieren jetzt mit einem Offenen Brief das Schneckentempo der Veränderung, mit dem die Blühwiesen-Strategie umgesetzt wird.
Basierend auf den seit 2021 im Johannapark gesammelten Erfahrungen von Stadt und Umweltverbänden sollen in diesem Jahr 20 Rasenflächen zu artenreichen Blühwiesen entwickelt werden, kündigte das Amt für Stadtgrün und Gewässer an.
„Das Aufwachsen der Wiesen wird durch Vegetationsaufnahmen begleitet“, erläuterte Rüdiger Dittmar, Leiter des Amtes für Stadtgrün und Gewässer. „Je nach Standort und Artenzusammensetzung der vorhandenen Grünfläche wird entschieden, ob weitere, dem Artenreichtum förderliche Maßnahmen, wie etwa die Einsaat von gebietsheimischem Saatgut, umgesetzt werden sollen.“
Offener Brief der Umweltverbände (Ökolöwe, NABU, BUND)
Jetzt ökologische Pflegestandards in allen Leipziger Grünanlagen umsetzen
Leipzig, den 25.04.2023
Sehr geehrter Bürgermeister Rosenthal,
sehr geehrter Herr Dittmar,
seit 2019 erarbeiten die Umweltverbände zusammen mit dem Amt für Stadtgrün und Gewässer
entsprechend des Stadtratsbeschlusses zum Entwicklungskonzept Clara-Zetkin-Park und Johannapark (VI-DS-03419 von 2017) Empfehlungen zur nachhaltigen Entwicklung und Pflege. Daraus sollten schließlich, so der Beschluss, Empfehlungen zur nachhaltigen Pflege für alle Grünanlagen der Stadt abgeleitet werden.
Trotz des regelmäßigen Austauschs können die Umweltverbände nur geringfügige Fortschritte in der praktischen Umsetzung erkennen. Die tatsächlich erfolgten Maßnahmen aus den letzten fünf Jahren im Johannapark lassen sich schnell aufzählen:
Es wurden 20 Blühstreifen im Stadtgebiet angelegt (zu sehen ist heute davon nahezu nichts mehr).
Auf Drängen der Umweltverbände wurden zwei Wiesenflächen neu eingesät und eine Strauchfläche mit Gehölzen ergänzt (das eingebrachte Totholz wurde nachträglich wieder entfernt, eine Beschilderung mit der Begründung Denkmalschutz abgelehnt). 2022 wurden einige weitere Gehölzflächen bepflanzt und das Staudenbeet am Clara-Zetkin-Denkmal erneuert, es wurden überwiegend Ziergehölze und Exoten ohne wesentlichen Beitrag zur Förderung der Artenvielfalt gepflanzt.
Aktuell wirbt die Stadt mit einem längst überfälligen „Blühwiesenprojekt“. An 20 Orten sollen Wiesen aufwachsen dürfen. Dadurch entstehen jedoch keine artenreichen Blühwiesen.
Um den Johannapark als „Pilotprojekt“ für andere Parkanlagen zu verstehen, ist das leider ein mehr als bescheidenes Ergebnis nach fünf Jahren „Probephase“.
Den Herausforderungen der Vereinbarkeit von Denkmalschutz, Erholungsnutzung und Biodiversitätsförderung sind die Umweltverbände mit zahlreichen Kompromissen und konstruktiven Vorschlägen begegnet. Die theoretischen Erfolge der bisherigen Zusammenarbeit sind die Erstellung eines Fachbeitrags zur Förderung der Biodiversität und die Erstellung von Pflanzlisten.
Leider werden deren Inhalte und Empfehlungen weder im Johannapark noch bei anderen Anlagen berücksichtigt.
Die konkrete Umsetzung, eine zeitgemäße Berücksichtigung aller Belange und eine langfristige Planung statt kleinteiliger Einzelmaßnahmen fehlen.
Wir können und wollen das nicht länger hinnehmen. Klimakrise und Artensterben sind in vollem Gange. Sie erfordern aktives Handeln statt weiterer theoretischer Abhandlungen. Wirkungsvolle Maßnahmen sind erforscht und werden von anderen Kommunen längst umgesetzt.
Jetzt ökologische Pflegestandards in allen Leipziger Grünanlagen umsetzen!
Mit diesem Offenen Brief bringen wir unseren Unmut über die zögerliche Umsetzung des Ratsbeschlusses (VI-DS-03419 von 2017) und die aktuelle Pflegepraxis zum Ausdruck. Wir fordern die sofortige und standardisierte Umsetzung der folgenden Pflegegrundsätze auf allen Grünanlagen:
1. Laub bleibt in den Gehölzflächen liegen
2. die Krautschicht bleibt unter den Gehölzen
3. Säume bleiben stehen
4. Wiesen werden abschnittsweise gemäht
5. Totholz wird belassen
6. heimische Pflanzenarten werden bevorzugt
7. heimische Stauden statt Wechselbepflanzung
Sehr geehrter Herr Rosenthal,
sehr geehrter Herr Dittmar,
es braucht von Ihnen als Entscheidungsträger deutlich mehr Aufmerksamkeit für unsere Grünanlagen und eine zeitgemäße Bewirtschaftung, die auch einen Beitrag zur Klimawandelanpassung und für die Biodiversität leistet. Setzen Sie sich dafür ein!
Mit freundlichen Grüßen
Marcel Otte
Ökolöwe – Umweltbund Leipzig e. V.
Cornelius Hölzel
BUND Landesverband, Sachsen e. V., Regionalgruppe Leipzig
René Sievert
Vorsitzender NABU-Regionalverband Leipzig e. V.
Es gibt 2 Kommentare
Klar sind Blühwiesen und Blühstreifen kurzlebig und vor allem kurzsichtig, das liegt in der Natur der Sache (https://naturgartenplaner.de/blumenwiese-oder-bluehflaeche/) . Um eine artenreiche und standortgerechte Wildblumenwiese anzulegen, muss man sich ein bisschen länger mit dem Thema auseinandersetzen und das Ganze eine Weile sorgfältig begleiten.
Blühwiesen wurden schon von 2 oder 3 Jahren mal angelegt. Heute sieht der Besucher wenn überhaupt nur noch die grellfarbenen Holzpfähle mit der Bezeichnung. Von Blühendem war schon in den ersten Jahren keine Spur zu sehen. Heutiger Zustand zB am Auensee so wie vorher, Wiese.