Der Südosten von Leipzig steht schon seit längerer Zeit im Fokus der Aufmerksamkeit – in diesem Frühjahr 2023 insbesondere aufgrund des Umstandes, dass sich hier in der jüngeren Vergangenheit regelmäßig Gegner einer Unterkunft für Geflüchtete versammelten. Hinter scheinbarer Offenheit und Dialogbereitschaft, so ein Vorwurf der Gegenseite, sollten Rassismus und rechte Ressentiments verbreitet werden. Auch dies war ein Grund, weswegen das Bündnis „Stötteritz Nazifrei“ für den Samstag wieder zu einer Demo aufgerufen hatte.
„‚Mahnwachen‘ gegen die neue Unterkunft für Geflüchtete in Stötteritz, Hass und Hetze gegen People of Colour, Hakenkreuze sowie andere nationalsozialistische Symbole im Viertel, Angriffe auf Linke und Einschüchterungsversuche gegenüber politischen Akteur*innen – die Faschos fühlen sich immer noch wohl in Stötteritz und wähnen sich unbeobachtet“, hieß es im Demoaufruf für den Samstag.
Daher sei es unbedingt notwendig, auf rechtsextreme Umtriebe aufmerksam zu machen. Das Viertel dürfe keinen „Lok-Faschos“, „Rassist*innen“ und „besorgten Bürger*innen“ überlassen werden.
Warnung vor neonazistischer Raumnahme im Viertel
Am Samstag ab 14 Uhr sammelten sich daher Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Versammlung im Wilhelm-Külz-Park, bereits kurz nach 13 Uhr war ein Fahrrad-Zubringer vom Connewitzer Kreuz aus in Richtung Südosten der Stadt aufgebrochen.
Nach dem Auftakt im Wilhelm-Külz-Park mit Musik lief ein Aufzug über die Schönbachstraße und die Melscher Straße. Über die Holzhäuser Straße, Schlesierstraße, Thiemstraße, Naunhofer Straße und Ludolf-Colditz-Straße ging es dann zum Ausgangspunkt zurück. In der Spitze nahmen bis zu 250 Personen an der Veranstaltung teil.
Dabei wurde laut getrommelt und gepfiffen sowie lautstark auf den Umstand aufmerksam gemacht, dass in Stötteritz bereits seit Jahren eine Raumnahme durch „zugezogene und alteingesessene Neonazis“ zu beobachten sei, wie es online in einem Aufruf vom Frühjahr 2021 nachzulesen ist.
Schon damals hatte es eine Demonstration im Viertel gegeben, auf der vor zugezogenen Kampfsportlern aus der Hooliganszene des 1. FC Lok in Stötteritz gewarnt worden war. Dem Treiben stünde ein hilfloses oder gleichgültiges Bürgertum gegenüber, während rechtsextreme Plakate, Sticker und „Hitlergrüße“ bis hin zu Drohungen und Attacken seitens von „Jungen Nationalisten“ und „Identitären“ zunähmen. Auf den Staat sei kein Verlass, Anzeigen wegen Gewalttaten seien ins Leere gelaufen, hieß es seinerzeit.
Auch 2023 viele Vorkommnisse gemeldet
Inwieweit sich zwei Jahre später viel daran geändert hat, scheint zumindest fraglich. So berichtet die Plattform „chronik.LE“ von einem Vorfall im März dieses Jahres, als drei mutmaßliche Neonazis eine offenbar als politische Gegnerin eingeordnete Person am S-Bahnhof Stötteritz beäugt, abfällig über sie geredet und sie sogar ein kurzes Stück verfolgt hätten. Zudem registrierte die Initiative bereits in den ersten Monaten 2023 wiederum diverse Fälle neonazistischer Sticker und Schmierereien in Stötteritz.
Im Kontext der Geflüchteten-Unterkunft Kommandant-Prendel-Allee/Ecke Kolmstraße wurde im Februar ein selbstgemachter Flyer verteilt, welcher gegen die Unterbringung geflohener Menschen im Stadtteil mobil machte und eine angebliche Gefahr heraufbeschwor. Auch fanden regelmäßige „Mahnwachen“ vor Ort statt, wo unter anderem der ehemalige NVA- und spätere Bundeswehrsoldat Bernd R. zentral in Erscheinung trat, auch bekannt aus dem Umfeld der sogenannten Montagsdemos in Leipzig.
Die gestrige Veranstaltung endete am frühen Abend offenbar ohne größere Zwischenfälle. Auf Twitter war allerdings zu lesen, die anwesende Polizei würde Teilnehmerinnen und Teilnehmer wegen „angeblicher Vermummung“ oder Getränkeflaschen herausziehen und kontrollieren.
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